Die Herrschaft des Feuers

Heyho!

Da ich nun schon so lange all die guten Geschichten in diesem Forum verschlinge, dachte ich mir, dass auch mal was zum Besten geben kann. :wink:

Ich habe schon einige Seiten vorgeschrieben, also nicht wundern wenn am Anfang die Teile etwas schneller aufeinander folgen.

Die Geschichte ist irgendeine komische Mischung aus Fantasy und Sci-Fi - mal sehen wem es gefällt. :wink:

Interessanterweise habe ich das alles innerhalb von einer Nacht geträumt und musste es nur noch mit ein paar Details ausschmücken und aufschreiben. Diese eine Nacht hat mein Leben nachhaltig verändert, auf viel mehr Weisen, als ich es mir erträumt habe!

Ursprünglich wurde diese Geschichte auf boypoint.de gepostet. Den ersten Post habe ich im September 2013 während eines Auslandspraktikums in Frankreich hochgeladen. Damit fing eine neue Epoche in meinem Leben an, die ich nicht mehr missen möchte. Neue Freunde, neue Lebensweisen, neue Liebe, neue Erfahrungen, neue Einstellungen, alles neu. Eine Wiedergeburt mit 17, wenn man so möchte. Deshalb liegt mir die Geschichte sehr am Herzen. Auch wenn sie noch nicht fertig ist, so möchte ich sie doch fertig schreiben und gerne auch wieder so eine tolle Gemeinschaft in den Kommentaren entwickeln. Das hängt von euch ab. :wink:

Viel Spaß mit der Geschichte!

Über Kommentare und Anregungen würde ich mich natürlich sehr freuen. :smiley:

LG
Iroc

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Prolog

Lionatras

»Wir waren einst ein stolzes und reiches Volk, das wundervolle Künste beherrschte, von denen wir heute nur noch träumen können. Alles was blieb, war unser großer Mut, unsere einzigartige Sprache und unsere bittere Zähigkeit gegenüber allem, was sich uns jemals in den Weg stellen könnte.
Einst waren wir frei. Einst reichte unser Einfluss bis zu den Sternen und zurück. Doch alles was blieb, waren elf uralte Königreiche, die eng aneinander gedrängt dem noch älteren Bösen jenseits der Grenzen die Stirn bieten.

Einst hatten wir Bündnisse zu den höchsten und schönsten Völkern, die man sich nur vorstellen kann. Doch all das ist nun ferne Vergangenheit und das einzige Bündnis, das noch besteht, ist das zwischen den Königshäusern, sich gegenseitig zu beschützen und zu unterstützen, gekrönt vom Königshaus Silberfels im Herzen der Reiche, das seit unzähligen Generationen die Erhaltung des Bündnisses bewacht.

Einst war alles besser. Einst lebten die alten Götter auf dieser Welt. Unser Volk erblühte zu nie gekanntem Ausmaß, das Böse war weit hinter die Grenzen zurückgedrängt und wagte nicht uns anzugreifen, die Felder warfen mehr als genug für jeden von uns ab und Städte wuchsen dem Boden empor, deren Häuser die Sterne berühren zu wollen schienen.

Doch eines Tages verließen uns die alten Götter, stiegen wie gleißende Sterne vom Boden auf und schwebten gen Himmel. Sie ließen ein Volk zurück, das ungläubig nach oben starrte, bis auch der letzte Stern den Himmel verlassen hatte. Die alten Götter ließen uns hier zurück, schutzlos und allein mit einem Haufen blutrünstiger Bestien, die ihre Chance witterten und mit geballter Macht versuchten uns zu vernichten. Die kommenden Jahre sollten hart werden, so lautete eine alte Prophezeiung. Und so kam es. Die Bestien waren stark und viel mehr als wir. Sie rissen Städte und Dörfer ein. Verschonten niemanden. Die Felder warfen kaum Ernten ab. Viele erlitten den Hungertod oder wurden von den Barbaren zerfleischt.
Alles schien für immer Verloren.

In einem letzten Akt der Verzweiflung zogen wir all unsere verbliebene Macht zusammen, flüchteten in die Hügellande und errichteten dort die elf großen Festungen um die bereits beinahe zerstörte Stadt Silberfels. Wir schafften es, unter widrigsten Umständen zu überleben, und die Grenzen zu errichten, die bis heute bestehen, denn wir sind ein starkes Volk. Wir widerstehen zäh allen Gefahren und Hürden, die sich uns jemals in den Weg stellen. Und wer weiß? Vielleicht sind wir es irgendwann einmal wert errettet zu werden? Erlöst von den Widersachern von jenseits der Grenze? Ich sage euch! Eines Tages werden die Götter der alten Zeit wiederkehren und uns helfen unser altes Volk wieder zu seinem glorreichen Glanz aufzubauen!«

Bedächtig endete der alte Barde, dessen weißer Bart beinahe bis zum Boden reichte. Er setzte eine zufriedene Miene auf, die nur von dem flackernden Lagerfeuer und den wenigen Laternen an den Mauern beleuchtet wurde. Die Sonne war mittlerweile untergegangen und Dunkelheit hatte sich über alles gelegt. Die beiden vollen Monde ließen blassen silbernen Schein auf das Umland nieder. Bloß die Burg und die Stadt schienen davon unbeeindruckt. Sie hatten ihre ganz eigenen Farben von Licht. Die meisten Häuser, Gassen und Höfe waren von den warmen rot-orange Tönen der Fackeln, Lagerfeuer und Kerzen erleuchtet und hier und da blitzte sogar eine rote Laterne der Stadtwächter zwischen den Häusern auf.

Der Barde griff neben sich und setzte seinen spitzen hohen Hut wieder auf. Dann stieg er von seiner Kiste am Lagerfeuer auf und schlurfte, gestützt von seinem Stab, in den Schatten zwischen den Häusern und war verschwunden. Ihm schauten viele beeindruckte Augen nach, die von den Soldaten, die von den Schmieden, den Stallburschen, den Hofdamen und auch meine.

Eine kleine Menschenmasse hatte sich unten am Burghof um das Lagerfeuer geschart und ich beobachtete das Ganze von meinem Balkon aus. Die Feuertänzer, die die Geschichte mit wirbelnden Fackeln untermalt hatten, tanzten noch ein wenig weiter und ein kleiner, schmächtiger Junge, der höchstens zehn sein konnte ging mit einem Beutel umher, der sich rasch mit Münzen füllte. Auch ich warf einige Goldmünzen hinunter. Es kam nur selten vor, dass fahrende Geschichtenerzähler die Geschichte unserer Welt erzählten. Das letzte mal war ich vier gewesen, als ich sie gehört hatte.

Es klopfte. Ich drehte mich zur Tür um und sah, dass die ganzen Kerzen, die ich im Raum aufgestellt hatte, bereits halb heruntergebrannt waren. Es klopfte wieder und die eindringliche Stimme des Dieners rief mich zum Essen hinab in den Speisesaal. Ich drehte mich wieder um und schaute sehnsüchtig in die Ferne. Ich hatte keinen Hunger, sagte ich. Ich konnte von dieser Landschaft einfach nie genug bekommen. Die Monde, Tagsüber die Sonne, die ihr Licht über der geschwungenen Landschaft nieder gehen ließen und alle Farben in ihrem Licht glühen ließen. Der Wind, der die Blätter der Wälder zum rascheln brachte und den Geruch nach Natur, nach Wildheit, nach Freiheit herantrug. Der Diener ließ nicht locker. Ich hatte immer noch keinen Hunger. Warum drängte er dann noch weiter? Mein Vater wolle mich dringend sprechen, so sagte er. Ich sagte lange Zeit nichts und riss mich dann seufzend von dem schönen Anblick vor dem Balkon los und drehte mich ins Zimmer, dessen steinerne Wände zwar mit bunten Teppichen und Bildern bedeckt waren, aber dennoch eine Kälte auszustrahlen schienen, die draußen die Natur nicht einmal im tiefsten Winter hergab. Durch lautes Rumpeln im Kleiderschrank gab ich dem Diener zu verstehen, dass ich auf dem Weg war, zog meine Abendgarderobe an und trottete in Richtung Speisesaal.

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Hey Iroc,

wow, das klingt ja mal spannend! Lionatras ist ein interessanter Name :slight_smile:

Ich freu mich auf weitere Kapitel – Fantasy ist schon ein cooles Genre und dein Schreibstil macht definitiv Lust auf mehr :+1:t2:

LG Zuri

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Hey @Zuri,

Ich weiß auch nicht mehr genau, wie ich auf den Namen kam, ist lange her. :smiley: Ich wollte aber bewusst Namen nehmen, die man in unserer Welt nicht so sehr antrifft. ^^

Deine Lust soll gestillt werden, hier folgt der nächste Teil. :wink:

LG Iroc

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Kapitel 1

Lionatras

Die hässlichen Fratzen der Monster starrten mich verhöhnend vom Kaminsims aus an. Der Feuerschein erleuchtete flackernd den großen Raum und füllte ihn mit dem Duft von Kiefernharz. Es war später Abend. Ich saß mit meiner Familie zusammen an der langen Tafel um Familienrat zu halten. Es ging ausnahmsweise einmal um mich – Nur dass ich von dem Thema überhaupt nichts wissen wollte. Es ging um meine Hochzeit.

Ich bin der jüngste Sohn und das zweitjüngste Kind des großen Königs Freldon und werde in wenigen Monden das heiratsfähige Alter von 16 Jahren erreichen. Und jetzt wollen mich meine Eltern auch noch an eine stumpfsinnige, fette Prinzessin aus den westlichen Prärien vermitteln. Bloß das, was sie wollen, ist nun mal überhaupt nicht das was ich will. Wie üblich stehen meine großen Brüder Rukim und Silmor auf der Seite meiner Eltern und lediglich der jüngste meiner älteren Bruder Kaldes hält zu mir und verteidigt mich.

Meine kleine Schwester Ellionie hingegen sitzt wie immer hibbelig rechts von mir am Tisch und versucht mit aller Macht die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ich wünschte heute würde es ein mal, wie doch sonst immer, funktionieren und meine Eltern würden das Thema einfach vergessen. Aber scheinbar war mir das Schicksal heute nicht gewogen, denn es ging weiter um mich.

Ich habe das Gefühl, dass ich das einzige ungeplante Kind bin und sie mich einfach nur loswerden wollen. Der Antrag aus den Westlanden scheint ihnen da gerade recht zu kommen. Alle anderen werden verhätschelt, besonders Ellionie, der meine Mutter versucht jeden Wunsch auch nur von den Lippen abzulesen. Ich merke bei mir keinen Deut dieser Hingabe.

»Seht ihn euch doch an! Er ist doch fast noch ein Kind! Und ihr wollt ihn verheiraten? Habt ihr Frella von Sturmtal denn überhaupt schon einmal gesehen? Von so jemandem wollt ihr keine Enkelkinder!« warf Kaldes in diesem Moment ein. »Außerdem gehört es sich nicht seine Söhne zu verheiraten.«

Im Normalfall würde ich es ihm übelnehmen, dass er mich als ein Kind bezeichnet, aber heute machte ich mal eine Ausnahme und war einfach nur froh, dass er auf meiner Seite stand.

Meine Mutter bedachte ihn mit einem eisigen Blick und fixierte mich dann.

Aus dem rechten Augenwinkel sah ich, wie trotzig eine Schüssel mit Spinat an die Wand gepfeffert wurde. Niemand beachtete es.

»Oh, ich denke sehr wohl, dass er schon so weit ist. Schließlich schaut er den jungen Damen unten auf dem Hof auch schon immer nach.«

Das Aussehen von meiner „Zukünftigen Frau“ überging sie einfach. Oha. Dann war es wohl wirklich so schlimm, wie man es sich immer erzählte. Und, dass sie mich verheiraten wollten, war nun wirklich unfair. Alle anderen durften sich frei entscheiden. Alles in mir sträubte sich einfach dagegen.

»Mutter! Das ist nicht wahr! Und selbst wenn es so wäre, was unterscheidet mich in dem Punkt von allen anderen Jungs am Hof die auch nicht verheiratet werden müssen?«

»Du bist ein Sohn des Königs! Wenn wir dich nicht vermittelt bekommen, was würde das dann für ein Licht auf…«

In dem Moment räusperte sich mein Vater, der bis jetzt zusammengesunken in seinem Stuhl gesessen hatte, nun aber aufrecht am Tisch saß und mich aus seinen traurigen und scheinbar allwissenden Augen ansah. Man munkelt, er habe schon viel Schreckliches erlebt, aber dennoch, oder vielleicht gerade deshalb ist er ein gutmütiger und beliebter Herrscher. Meine Mutter unterbrach ihr Gezänke sofort und überließ ihm das Wort.

Mein Vater war immer gut zu mir gewesen. So erhoffte ich mir auch in diesem Moment seine Hilfe.

»Weißt du, schwierige Zeiten erfordern häufig schwierige Dinge. Und wir haben gerade sehr schwere Zeiten vor uns. Die Monster scheinen sich für den Krieg zusammen zu rotten und zu rüsten. Wenn sie erst einmal angreifen, dann brauchen wir jede Unterstützung, die wir bekommen können. Und Hochzeiten schmieden nun mal sehr enge Bande zwischen den Königreichen. Du darfst es nicht persönlich nehmen. Du bist eben mein einziger Sohn in Frellas Alter und so bin ich gewillt dein geistiges Wohl schweren Herzens gegen das Wohl der gesamten Königreiche aufzugeben. Und ein starkes Bündnis mit den Sturmtalern bietet sich besonders an, da sie die größte kriegerische Streitmacht haben.«

Was er da sagte war zugleich schockierend als auch einleuchtend, aber so leicht ließ ich mich nicht abwimmeln.

»Aber du könntest doch genau so gut Silmor oder Kaldes verheiraten. Viellecht sogar Rukim, obwohl er schon Frau und Kinder hat. Oder du wartest noch bis Ellionie alt genug ist. Wenn du mich ohne …«

»Du weißt, dass das nicht geht. Ich brauche sie allesamt hier bei mir. Und ich habe nicht die Zeit zu warten, bis Elli alt genug ist.« Erwiderte er.

»Ach, und ich werde hier etwa nicht gebraucht?« Langsam wurde es mir zu blöd.

»Nicht so wie ich deine Brüder brauche. Ich genieße das Zusammenleben mit dir hier. Wirklich. Aber du erfüllst nun mal noch nicht die gleichen Pflichten und Tätigkeiten wie deine Brüder. Also tu deinem Vater und damit dem gesamten Königreich einen Gefallen und lasse dich verheiraten, es ist zum Wohle aller hier. Und lass dir versichert sein: Es ist der größte Gefallen, um den ich dich jemals bitten werde.«

Ab diesem Moment war mein Vater bei mir unten durch.

»Ja, genau! So erfüllst du so wenigstens irgendeinen Zweck, anstatt dich nur durchfüttern und verwöhnen zu lassen!«

Diese Neckerei von Silmor gab mir endgültig den Rest und ich stand so schnell auf, dass mein Stuhl umkippte. Trotzig reckte ich mein Kinn und starrte Silmor wütend an.

»Nein.«

Jetzt stand auch mein Vater auf. Einige Zornesfalten durchzogen sein Gesicht und er stützte die geballten Fäuste auf die Tischplatte.

»Oh doch. Ob du willst oder nicht. In zwei Monden kommt Frella mit ihrer Mutter um dich kennen zu lernen. Es ist schon alles in die Wege geleitet.«

»Komm schon Lio, denk doch mal an all die anderen die sterben werden, wenn du nicht…« begann Rukim.

Doch den Rest des Satzes bekam ich nicht mehr mit, weil ich mich ruckartig umdrehte und zur Tür flüchtete. Aus dem Augenwinkel sah ich noch wie Kaldes sich erhob und mir folgte. Ellionie lachte und klatschte fröhlich. Sie bekam von alldem noch nichts mit, aber freute sich, gleich wieder das Hauptthema zu sein.

Ich öffnete die schwere Eichentür, ging hindurch und schlug sie so heftig hinter mir zu, dass kleine Steinchen von der Decke regneten. Da stand ich nun verloren inmitten des hohen Gangs und wusste nicht wohin mit mir. Alle Fackeln im Gang flackerten, als ein eisiger Wind hindurch pfiff. Ich drückte die Fäuste auf meine Augen und unterdrückte ein Schluchzen. Innen wurden noch ein paar heftige Worte gewechselt, doch kurz darauf wurde die Tür wieder geöffnet und eine vertraute riesige Gestalt schob sich hindurch. Kaum einen Moment später befand ich mich in den starken Armen von meinem großen Bruder Kaldes, versenkte mein Gesicht in dem weichen Pelzmantel und ließ all die Tränen und den Frust laufen, den ich vor den anderen nicht zeigen wollte.

Ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war aber irgendwann bugsierte mich Kaldes Richtung meines Zimmers. Ich fühlte mich innerlich leer und verbraucht. Irgendwann kamen wir an und er trug mich auf mein Bett, deckte mich zu und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Wie gut, dass ich wenigstens ihn hatte.

Kaum, dass er sich durch die für ihn fast zu schmale und hohe Tür geschoben hatte war ich schon in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen.

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Kapitel 2 - Teil 1

Paskoan

Der Morgen begann wie jeder andere. Das aufgeregte Flattern der Feen riss mich aus meinen Träumen und als ich meine Augen aufschlug, offenbarte sich mir ein wunderschöner Sonnenaufgang. Zwischen den Bäumen hindurch schob sich die Sonne langsam aber zielstrebig gen Himmel und erfüllte die schwindenden Nebelschwaden mit einem magischen Schein und dem Geruch nach Morgentau. Zwei Feen, ich erkannte sie als Kiko und Iki, schwirrten um meinen Kopf herum und zwitscherten fröhlich. Ich schälte mich aus den vielen Lagen Blättern, die ich in der Nacht über mich gehäuft hatte, denn es war Herbst und es wurde nachts schon empfindlich kalt. Daraufhin tastete ich wie jeden Morgen nach dem Ring auf meiner Brust und stellte erleichtert fest, dass er noch da war. Ich setzte mich auf und stützte die Hände auf die erdigen und kühlen Wände. »Müsst ihr mich wirklich immer so früh wecken?« fragte ich schlaftrunken. Kichernd zeigten die kleinen geflügelten Geschöpfe durch das Loch in der Höhle auf die aufgehende Sonne. »Na dann werden wir das mal bewundern. Kommt mit, dann mach ich euch was zu essen.« Ich kroch aus der Höhle und schürte die verbliebenen glühenden Kohlen mit einem Ast und warf ein paar weitere trockene Zweige drauf, sodass die Flammen wieder aufloderten und mich zusammen mit den ersten Sonnenstrahlen und ihrem hellen Schein wärmten.

Während sich die Feen auf den Wurzeln über dem Höhleneingang niederließen und es sich dort gemütlich machten warf ich einige Kastanien ins Feuer, die ich am Vortag gesammelt hatte. Ich setzte mich im Schneidersitz vor das Feuer und genoss diesen einen Anblick der Schönheit. Ich befand mich in einer kleinen, baumfreien Mulde mitten im Wald. In meinem Rücken lag die mir so altbekannte ehemalige Wolfshöhle, die an einer Böschung lag. Direkt oberhalb des Höhleneingangs beanspruchte der Wald wieder seinen Platz für sich und warf dunkle Schatten auf die vielen Dornenranken und die letzten verbliebenen Nebelschwaden, die sich langsam zwischen den Bäumen verkrochen. Vor mir lag der kleine See mit den vielen Seerosen, auf dem mittlerweile viel Laub und andere vertrocknete Gewächse schwammen. Hinter dem See gab es noch einige Baumzeilen, die ihre knorrigen, und nunmehr fast blattlosen Äste Richtung Himmel bogen und dahinter den Blick auf die aufgehende Sonne preisgaben. Rechts und links von mir erstreckte sich eine kleine Wiese, die sonst so farbenprächtig mit Blumen gesprenkelt war, die nun aber unter Schichten von Laub begraben waren. Mit einem leichten »plopp« platzten die Kastanien und gaben ihr weiches Inneres mitsamt ihrem leicht süßlichen Geruch preis. Ich fischte sie vorsichtig mit einem Ast aus den Flammen und ließ sie auf einem flachen Stein abkühlen. Als ich sie annähernd anfassen konnte nahm ich mir die erste, brach sie ein Stück weiter auf, hielt mir die dampfende Leckerei unter die Nase und sog ihren Geruch ein. Das war so ziemlich das einzige, das ich am Herbst mochte: Es gab endlich mal genug zu essen. Man konnte sich sogar aussuchen was man essen wollte. In schlechten Zeiten vergingen manchmal Tage, ohne dass ich einen Bissen zu essen gefunden hatte. Umso mehr genoss ich jetzt diesen Moment. Ich pfiff die Feen herbei und gab ihnen jeweils eine Kastanie. Sie ließen sich daraufhin auf meinen Schultern nieder und zupften zufrieden an meinen Haaren herum, während sie aßen. Ich verdrückte den Rest und machte mich schon mal mental bereit für das, was gleich kommen würde.

Als wir alle aufgegessen hatten warf ich die restlichen Schalen ins Feuer, zog meine Stiefel und mein Wams aus und streckte meine steifen Muskeln. Die Feen machten sich indes auf den Weg zurück zu ihren Artgenossen. Sie wussten, was nun folgen würde. »Verteilt den Goldstaub für mich!« rief ich ihnen hinterher. Das bedeutete ungefähr so viel, wie schöne Grüße zu bestellen. Sie drehten sich um, flogen zu mir zurück, verwuschelten mir die Haare und machten sich kichernd davon. Ich schüttelte lächelnd den Kopf und machte mich auf den Weg zum nahegelegenen Bach.

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Zum Prolog: Du setzt ja bereits klare Eckpfeiler beim Worldbuilding. Wird das später noch relevant oder ist das nur, um das richtige „Feeling“ zu bekommen?

Zu Kapitel 1: Ich möchte nicht in Lionatras’ Haut stecken – aber gut, dass er so einen Bruder wie Kaldes hat. Wird man noch mehr von Kaldes sehen?

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Hey @Zuri, danke für deinen Kommentar!

Zum Prolog: Jedes Wort in dieser Geschichte hat Gewicht. Es wird also nochmal relevant. :wink:

Zum Kapitel 1: Jap, Kaldes kommt noch ein paar mal vor. :slight_smile:

Dann folgt auch gleich der neue Teil, wie jeden zweiten Tag. :wink:

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Kapitel 2 - Teil 2

Paskoan

Angekommen hockte ich mich an das flache, schlammige Ufer und tauchte die Hände tief in das eiskalte Wasser. Es perlte sanft von meinen Armen, als ich sie schnell herauszog und mir das Wasser ins Gesicht klatschte. Es gibt nichts, was morgens mehr wach macht als taufrisches Wasser, das gerade mal ein paar tausend Schritte nördlich von hier aus dem Boden sprudelt. Das Wasser rann an mir herab und bereitete mir eine Gänsehaut. Ich stand wieder auf, schaute mich suchend um und klaubte letztendlich ein besonders schön geformtes, buntes Blatt vom Boden auf. Ich hüpfte noch ein wenig auf der Stelle, bis mir wieder warm wurde und legte das Blatt auf das Wasser. Langsam in den Wirbeln wippend setzte es sich in Bewegung und wurde Stromabwärts immer schneller. Ich setzte ihm nach, lief erst ein paar hundert Schritte entlang des Bachs, nahm dann Anlauf, sprang hoch über den Bach und bekam einen dicken Ast zu fassen, an dem ich mich in einer einzigen fließenden Bewegung hochzog. Der Ast gehörte zu einem großen Baum, der vor Jahren einmal quer über den Bach umgestürzt war, und nun mit den Wurzeln auf der einen und der vertrockneten Krone auf der anderen Seite lag und eine ideale Brücke bot. Ich zog mich bis zum dicken Hauptstamm hoch, dann rannte ich noch einige Schritte über die raue Rinde des Stamms, überquerte damit den Bach, nahm erneut Schwung und stieß mich von einer hervorstehenden Wurzel ab und flog auf den vier Meter unter mir liegenden Boden unter mir zu. Ich rollte mich ab, wirbelte einige Blätter und Zweige auf und kam leichtfüßig wieder auf die Füße. Ein schneller Blick zum Bach zeigte, dass das Blatt bereits einige dutzend Schritte Vorsprung hatte und sich mit hoher Geschwindigkeit in den klaren Wellen bewegte. Ich rannte weiter, zwischen Dornenbüschen, Unterholz und Bäumen hindurch, immer parallel des Baches. Im Laufe der Zeit hatte sich ein Pfad gebildet, der mit jedem Lauf tiefer wurde. Auf dem lief ich jetzt mit voller Geschwindigkeit entlang. Die Natur um mich herum schien zu verschwimmen und die Bäume rasten nur so vorbei. Ein lächeln stahl sich auf meine Lippen und ich lebte die Euphorie der Geschwindigkeit ganz aus. Auf einmal flog eine Fee geradewegs in meine Bahn und schien mich nicht zu bemerken. Ich konnte gerade noch ausweichen, indem ich auf einen großen Stein am Pfadrand sprang, mich abstieß und haarscharf über die Fee hinüber segelte. Als ich wieder auf dem Boden aufkam drehte ich mich im Rennen noch einmal herum und rief ihr eine Entschuldigung hinterher. Schnatternd machte sie sich davon. Nach einigen weiteren Minuten des Rennens lichtete sich der Wald langsam und gab den Blick auf eine felsige Schlucht frei, in die der Bach mit lautem Getöse hinabstürzte. Ich war mittlerweile auf einer Höhe mit dem Blatt. Die Abbruchkante kam immer näher. Aber ich bremste nicht ab. Das hatte mich Jahre der Überwindung gekostet. Im vollen Lauf sprang ich über die Kante, machte einen Vorwärts-Salto und genoss die Sekunden des freien Falls. Kurz darauf landete ich sicher in dem Wasserbecken, dass der Bach im Laufe der Jahrhunderte gegraben hatte. Mit ein paar kräftigen Zügen tauchte ich auf und schwamm zurück ans Ufer. Das Wasser war eiskalt, genau wie der Bach und die Luft um mich herum, aber das störte mich jetzt kaum. Ich hüpfte von Stein zu Stein an der hohen Böschung, die von großen, rund geschliffenen Findlingen nur so strotzte. Nach einiger Zeit hatte ich einen weiteren Pfad erreicht, der in der sonnenbeschienenen Schlucht weiterhin parallel zum Bach und gut drei Dutzend Schritte unter den Wurzeln der Bäume entlang führte und sich den vielen Windungen der Schlucht anpasste. Das Blatt war in den Strudeln des Wasserfalls zerfetzt worden. Aber jetzt brauchte ich keine Motivation mehr. Die pure Freude an der vorbeiziehenden Natur hielt mich am Laufen und zog mich immer schneller immer weiter. Als nach einigen Tausend weiteren Schritten die Schlucht abflachte, sich die Felsen immer weiter zurückzogen und Erde und Wurzeln platz ließen, führte der Pfad zum Rand der Schlucht und endete vor einer nahezu senkrechten und ungefähr zwei Dutzend Schritte hohen Steilwand. Die Wurzeln in der Wand boten ideale Haltmöglichkeiten. Ich zog mich an ihnen hoch und stieß mich ab, sprang hoch, packte wieder einen anderen Wurzelstrang, zog mich wieder hoch und so floss die Wand nur so unter mir vorbei. Fast ganz oben reichte der Fels dann aber doch noch ein ganzes Stück in die Schlucht hinein und bildete einen mehrere Schritte breiten Überhang, von dem einige Wurzelstränge über den Rand quollen. Ich zog mich die letzten Wurzeln unterhalb des Überhangs hoch, stieß mich in Richtung der herabhängenden Wurzeln ab – und griff ins Leere. Einem Reflex nach griff ich nach oben und bekam mit einer Hand eine herabhängende Wurzel zu fassen und riss mich damit aus dem freien Fall. Eine Schrecksekunde lang baumelte ich da nun an einer Hand in der Luft, dann atmete ich einmal aus und schwang die andere Hand nach oben. Ich hangelte mich an den Wurzeln entlang bis ich schließlich den Rand erreichte und mich über die Kante wuchtete. Kaum stand ich wieder auf sicherem Boden, war der Schreck bald verflogen und ich nahm meine Umwelt wieder genauer wahr. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte ich ein paar reife, rote Beeren an einem Busch. Ich merkte mir die Stelle, um später wieder zu kommen und sie einzusammeln. Ich begann wieder zu laufen und lief zwischen den Bäumen weiter den altbekannten Weg zurück.

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Endlich habe ich des mal wieder geschafft angefangen zulegen :heart_eyes:
Und ich finde das klingt hier sehr viel versprechend :relieved:

Ich stürzte mich also ins nächste Kapitel :grin:

Was legst du denn? :thinking::face_with_hand_over_mouth:

Kapitel 2 - Teil 3

Paskoan

Nach einiger Zeit erreichte ich eine kleine Lichtung. Die Sonne stand mittlerweile ein ganzes Stück höher und beleuchtete die Lichtung mit ihrem herbstlichen Schein. Ich blieb stehen. Mein Atem ging schnell und mit jedem Atemzug hauchte ich kleine weiße Wolken aus. Mein Körper begann an der kühlen Luft zu dampfen und ließ mich alles wie durch einen leichten Nebelschleier sehen. Jetzt kam der schwierige Teil. Nach einigen Sekunden hatte sich der Nebel weiter verdichtet und bildete eine nach und nach immer dichter werdende weiße Wand und brachte schwüle Wärme mit sich. Zischend verdampfte der restliche Morgentau auf dem Gras und den Blättern der umliegenden Bäume. Die Luft wurde immer feuchter und die Sonne brach nur noch stellenweise mit hellen Lanzen des Lichts durch die wabernden Nebelwände.

Die Sonne. Ich konzentrierte mich auf das Licht und die Wärme und ließ mich von ihr durchströmen. Die Strahlen wurden blendend hell und immer breiter, bis sie den Nebel zerrissen und ihn im nu vernichteten. Ich stand im Sonnenschein, schaute hoch und ließ mir mein Gesicht wärmen. Dann blickte ich zurück auf den Boden und bündelte meine Gedanken auf einen einzigen Punkt auf dem Boden - einen kleinen Grasbüschel. Das Licht rund um diesen Punkt wurde immer heller und heller. Irgendwann musste ich wegschauen, weil meine Augen nicht länger dieser Intensität standhalten konnten, aber ich konzentrierte mich weiter. Nach einigen Sekunden hörte ich, wie der Grasbüschel mit einem leisen rascheln und knacken in Flammen aufging. Doch bevor sich das Feuer weiter ausbreiten konnte, rollte plötzlich ein mittelgroßer Felsen vom Rand der Lichtung heran, legte sich über das Feuer und löschte es damit. Überall in der Luft lag der intensive Geruch nach frischer Kresse. Ich hob die Arme und ein fernes Blätterrascheln kündigte das herannahen einer kräftigen Brise an. Sie trug die bunten Blätter der welkenden Bäume mit sich und wehte die herumstäubende Asche des erloschenen Feuers davon. Der Wind umstrich mich erst kalt, dann aber warm, als ich an die Sonne dachte, zerzauste meine mittlerweile wieder trockenen Haare und ließ sie im Wind wehen. Ich genoss es.

Das sind meine besonderen Fähigkeiten. Zum einen haben sie mir geholfen jahrelang im Wald zu überleben. Zum anderen sind sie aber auch der Grund warum ich überhaupt erst hier bin. Immerhin kann ich sie mittlerweile zum Teil kontrollieren. Mit viel Training und unterschiedlichsten Übungen, die die Feen mir gezeigt haben, habe ich es geschafft das ganze einigermaßen in den Griff zu bekommen. Nur mächtige Gefühle wie Wut oder Angst können noch bewirken, dass sich die Umgebung ohne mein Zutun um mich herum nach meinen Gefühlen verändert. Aber es kostet Kraft. Viel Kraft. So war ich auch jetzt erschöpft und ausgelaugt und machte mich langsam auf den Weg zurück zur Höhle.

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Kapitel 2 - Teil 1

Kapitel 2 - Teil 2

  • Paskoans Morgenroutine be like

Kapitel 2 - Teil 3

  • Paskoan hatte also mal ein „normales“ Leben – nicht so wie Lionatras vielleicht, aber immerhin in der „Zivilisation“ :thinking:

Kapitel 2 - Fazit

  • Ich weiß noch nicht so recht, was Lionatras und Paskoan miteinander zu tun haben, aber das werden wir ja hoffentlich noch erfahren – ich bin gespannt :+1:
  • Interessant, dass bei Lionatras alles drunter und drüber geht (Kontrollverlust), während Paskoan mit seinem Leben offenbar vollauf zufrieden wirkt und es genießt
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Hey Zuri, danke für deinen Kommentar! :smiley:

Kapitel 2 - Teil 1

Waldi würde sich bestimmt gut als Fee machen. ^^
Du hast recht, das Bild von Schneewittchen wirkt wirklich etwas ähnlich. :stuck_out_tongue:

Ich habe mich in dieser Geschichte natürlich von einer Reihe von anderen Geschichten inspirieren lassen. Teilweise bewusst, teilweise unbewusst. Schneewittchen war definitiv unbewusst. Auch die Serie „The Witcher“, die ich gerade gucke, hat einige überraschende parallelen mit einigen Szenen aus dieser Geschichte. Aber meine Geschichte ist viel älter, als die Serie. :stuck_out_tongue: Und nur als Disclaimer: Beides sind Fantasy-Geschichten, aber plottechnisch haben sie so viel gemein wie Bücher und Schuhe. Man lagert sie beide in einem Regal und sie können aus dem gleichen Material bestehen, aber das heißt noch lange nicht, dass sie die gleiche Funktion erfüllen. ^^

Kapitel 2 - Teil 2

Die Morgenroutine von Paskoan ist wirklich etwas extrem. :smiley: Wie gut, dass meine Charaktere viel disziplinierter sind, als ich es bin. :smiley:

Kapitel 2 - Teil 3

Ja, Koan lebte mal in der Zivilisation, aber es ist lange her. In einem späteren Teil wird mal darauf eingegangen, wo er herkommt.

Kapitel 2 - Fazit

Irgendwann werden die beiden wohl oder übel zueinander finden. :smiley: So ist es doch in fast jeder Geschichte. Als Gegenbeispiel fällt mir gerade nur der Film Cloud Atlas ein.
Sie führen jedenfalls beide sehr verschiedene Leben und hätten eventuell gern das Leben des Anderen. ^^

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Und da folgt auch direkt der nächste Teil. :wink:

Kapitel 2 - Teil 4

Paskoan

Auf halber Strecke kam ich an einer weiteren Höhle vorbei. Sie lag auch auf einer kleinen Lichtung, in die die Sonne sich mit hellen Fingern des Lichts ihren Weg durch das Geäst und durch die staubige Luft bahnte und wirbelnde Muster auf das Lauf auf dem Boden zeichnete. Alles erschien in einem orangegoldenem Schein – bis auf den dunklen Höhleneingang, in dem sich noch dunklere Schatten bewegten und mich aus rötlich reflektierenden Augen anblickten. Ich blieb stehen. Die dunklen Schatten bewegten sich und kamen immer näher. Plötzlich nahmen sie Anlauf, wurden immer schneller und kamen direkt auf mich zu. Ich sah aus dem Höhleneingang nur noch ein paar schwarze Schemen jagen und direkt auf mich zuspringen. Im nächsten Moment wurde ich umgerissen und kam hart auf dem Boden auf.

Als nächstes bemerkte ich wie eine nasse raue Zunge über mein Gesicht schleckte. Ich öffnete die zuvor zugekniffenen Augen wieder, griff mit einem Lächeln nach oben in das samtweiche Fell und kraulte meinen Bruder im Nacken. Der antwortete mit einem zufriedenen Brummen. Ich schob ihn von mir herunter und setzte mich auf. Um mich herum buhlten schließlich noch vier andere Wolfsbrüder um meine Aufmerksamkeit. Sie tollten und kläfften fröhlich. Nach und nach kamen sie alle schwanzwedelnd näher und ließen sich kraulen. Ich kannte sie bereits seit meiner frühen Kindheit im Wald und bin zusammen mit ihnen aufgewachsen. Das Einzige, was mich von ihnen Unterschied, war der Körperbau. Und der strenge Geruch nach wildem Tier, den sie überall verbreiteten. Aber ich mochte ihn, schließlich war er mir vertraut und gab mir das Gefühl von Geborgenheit. Ich stand auf und wir tollten und kebbelten so lange miteinander herum, bis wir alle erschöpft waren und uns eng aneinander auf den Boden legten und in der Gegend herumschauten. Als ich nach einiger Zeit wieder zu Atem gekommen war kroch ich in die erdige Höhle hinein und begrüßte die mittlerweile betagte Wolfsmutter. Sie hatte mich anfangs behütet und lange Zeit mit Wärme und Essen versorgt. Als ich näherkam, bemerkte sie mich mit einem leichten Schwanzwedeln und ließ sich zufrieden brummend kraulen.

Als ich wieder heraus kroch sah ich, dass meine Brüder ein junges Reh erlegt hatten. Sie schliffen es gemeinsam Richtung Höhle und als sie angekommen waren fingen sie an es zu zerlegen. Angeekelt stellte ich fest, wie der Geruch von frischem Blut sich unter die sonst so herbstliche Waldluft mischte und ihn nachher sogar vollkommen überdeckte. Nach einigen Minuten war das Reh nur noch ein blutiger Klumpen, aus dem nur noch hier und da ein Stück weiches Fell herauslugte. Einer der Brüder, er hatte Schwarzes Fell um das linke Auge, riss mir ein Bein ab und legte es mir gutmütig vor die Füße. Mir wurde übel. Sie hatten immer noch nicht verstanden, dass ich kein Fleisch aß. Ich setzte ein falsches Lächeln auf, dankte ihm und blickte hilflos auf das blutige, rohe Stück Fleisch.

Da fiel mir ein Stück Sehne ins Auge, das zwischen den Knochen hervor lugte und mir kam eine Idee. Bei den Jägern im Wald und auch im Dorf hatte ich häufiger Menschen beobachtet, die ein Stück gebogenen, beweglichen Ast mit Tiersehnen verbanden und dadurch eine Waffe herstellten, die sie mit langen, geraden, gefederten und mit Steinspitzen gespickten kleineren Ästen benutzten und so viele Tiere erlegten. Ich meine sie nannten es Pfeil und Bogen. Ich wollte zwar keine Tiere töten, aber der Winter nahte, und vielleicht würde es mir doch irgendwann zugutekommen. Also überwand ich meinen Ekel und arbeitete mit meinem kleinen Messer, das ich immer an der Hüfte trug und irgendwann mal hatte aus dem Dorf mitgehen lassen, langsam das Bein auseinander, zog die Sehne hinaus und prüfte sie. Sie war lang genug, sehr reißfest und auch nicht beschädigt. Das dickflüssige, dunkelrote Blut an meinen Händen war dann aber doch nicht mein Fall, also steckte ich die Sehne gut weg und machte mich auf den Weg zum nahegelegenen Bach.

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Kommt sicherlich auf den Wald an, aber als Vegetarier hat man es da wahrscheinlich nicht unbedingt leichter als als Fleischfresser :thinking:

Das erinnert mich ein bisschen an das Konzept von Animus und Anima. Oder ist es direkter als das Konzept, dass Paskoan quasi Mutter und Vater im Wald hat, zu verstehen?

Auch älter als die Buchreihe, auf der die Serie basiert? :stuck_out_tongue_winking_eye:

Richtig tolles Buch und ausnahmsweise mal eine Filmadaption, die sich sehen lassen kann

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Hey Zuri,

Stimmt schon, aber unsere Vorfahren haben es ja auch irgendwie überlebt. Soweit ich weiß gab es keine rein vegetarischen Völker, aber - wie du sagtest - werden sich einige Stämme vermutlich umweltbedingt mehr von Früchten o. ä. ernährt haben. Außerdem haben die Feen Koan ja immer zeigen können, was essbar ist.

Hier ist eher letzteres der Fall. :wink: Es gab einfach Wesen, die sich um ihn gekümmert haben - unabhängig davon, ob er ein Wesen ihrer eigenen Gattung ist oder nicht.

Das leider nicht. :stuck_out_tongue: Da ich die Reihe (als Bücher) aber noch nicht gelesen habe, kann die Inspiration nicht daher stammen. :wink:

Weiter mit dem nächsten Teil. ^^

Kapitel 2 - Teil 5

Paskoan

Meine Brüder hatten mittlerweile den Rest des Rehs entweder gegessen oder für später verstaut. Also folgten sie mir frohmutig und schnappten im Spaß nach meinen Händen. Einmal haben sie sie erwischt und leckten das Blut herunter. Damit hatte sich der Gang zum Bach erledigt und ich lief direkt nach Hause. Scheinbar war der Geruch nach dem Blut aber doch noch da und lockte unangenehme Zeitgenossen an. Ein schweres Rascheln und Knacken im Gebüsch kündigten seine Ankunft an. Unter die Gerüche der Wölfe mischte sich ein anderer, noch intensiverer, noch wilderer Geruch. Die Lichtflecken, die durch das Blätterdach drangen, fielen auf einen dunklen, riesigen, massigen Körper, der sich langsam, aber zielstrebig durch das Unterholz bewegte. Nichts konnte es aufhalten. Ich schaute kurz zu meinen Brüdern. Ihnen stand allen die Hochachtung vor diesem Wesen ins flauschige Gesicht geschrieben und die belebten Augen schienen nur eins zu sagen: »Lauf, oder stirb!«. Das taten wir dann auch. Aber wir hatten unterschätzt, wie schnell ein Wesen werden konnte, das mein Gewicht um ein hundertfaches übersteigt und das jeden Bissen, den es bekommen kann für den kommenden Winter braucht. Hinter uns erklang ein animalisches Knurren, dass uns allen die Nackenhaare aufstellte, gefolgt von einem zunehmen des Raschelns hinter uns zu einem lautstarken Getöse. Ich riskierte einen Blick nach hinten und sah dieses riesige Etwas durch den Wald preschen. Es rammte kleine und mittlere Bäume einfach um, pflügte durch das hohe, mit Dornen gespickte Unterholz und nichts von alledem konnte ihm etwas anhaben. Jeder Schritt verursachte ein Erzittern der Erde und die vorbeiziehenden Lichtstrahlen, die durch das Blätterdach hindurchschienen, ließen hin und wieder die vor Wut und Hunger klein zusammen gekniffenen, hasserfüllten, braungelben Augen aufblitzen. Das reichte mir. Ich drehte mich um und schloss wieder zu meinen Wolfsbrüdern auf, aber bereits nach wenigen Augenblicken gab der Wald den Blick auf die Schlucht frei. Binnen Bruchteilen einer Sekunde musste ich eine Entscheidung treffen. Aus dem vollen Lauf hätte ich springen können und wäre sicherlich sicher irgendwo gelandet, aber das konnte ich meinen Brüdern nicht antun, schließlich konnten sie nicht so einfach in eine Schlucht springen. So kam mir eine Idee. Ich bremste wie der Rest des Rudels ab und kam am Rand zum stehen. Ich machte ihnen klar, dass sie mich im entscheidenden Moment nachahmen sollten. Sie verstanden und wir drehten uns allesamt tapfer dem entgegenstürmenden Ungetüm entgegen. Es witterte leichte Beute und zog die vor Gier triefenden Lefzen hoch und offenbarte ein riesiges, mit dutzenden spitzen Zähnen bewaffnetes Gebiss, in dem noch einige alte Fleischfetzen hingen. Es kam immer näher und dann war der Zeitpunkt gekommen. Ich war mir nicht sicher, ob es funktionieren würde, aber es war der einzige Weg, um aus der Affäre halbwegs ungeschoren heraus zu kommen. Wir versperrten ihm die Sicht auf die Schlucht hinter uns und es preschte im vollen Lauf direkt auf uns zu und nahm dabei noch den ein oder anderen Baum mit. Das gehörte zu seinen Jagtstrategien. Bei Höchsttempo das Opfer mit seinen krallenbewehrten Tatzen ergreifen und zu Boden schlagen. Das Opfer war meistens sofort tot. Als es so nah war, dass ich sogar die riesig geweiteten Pupillen des Wesens sehen konnte, warf ich mich zur Seite, weg von der Schlucht. Die Wölfe taten es mir nach. Danach schien sich alles in Zeitlupe abzuspielen. Sechseinhalb Tonnen pure Muskeln, Stärke, Hunger und Wut preschten an uns vorbei. Sechseinhalb Tonnen geballtes Wesen wollten erstmal gebremst werden. Das begriff auch das Wesen. Diese Tiere waren zwar nicht besonders helle, hatten aber dennoch gute Reaktionen. Ich flog auf den Boden zu und landete im weichen Laub, just als das Wesen doch abbremste und verzweifelt versuchte doch noch die Richtung zu wechseln. Aber es schlitterte nur auf dem nassen Laub. Mittlerweile trennten es nur noch wenige Meter von seinem Unheil. Ich wollte mir schon ein selbstgefälliges Grinsen erlauben, denn ich sah, dass es nicht mehr rechtzeitig anhalten könnte. Es begriff auch, dass es kein Zurück mehr geben würde, aber sein Ende sollte auch das Ende eines anderen Lebens bedeuten. So drehte es sich zu uns um und holte zu einem gewaltigen Prankenschlag aus, zog durch und traf einen meiner Brüder seitlich in den Bauch und kippte daraufhin über die Kante. Mein Bruder wurde einige Meter mit enormer Geschwindigkeit durch die Luft geschleudert. Ein ekelhaftes Geräusch erklang, als er mit einem lauten Knirschen an dem Stamm einer großen Eiche aufprallte und eine tiefe Furche hinterließ. Er fiel zu Boden und rührte sich nicht mehr. Stille. Einige Sekunden lang regte sich nichts. Dann kam ein dumpfer Laut vom Boden der Schlucht. Gefolgt von dem Rollen einer kleinen Steinlawine. Wir lagen alle geschockt im Laub und die Sekunden verstrichen so langsam wie sonst nie zuvor in meinem Leben. Ein leises gequältes Winseln kam von meinem Bruder und ich raffte mich sofort auf, stolperte zu ihm hin und nahm ihn in den Arm. Die anderen Folgten und schenkten ihm Trost und Zuversicht. Das Winseln wurde immer schriller, ging irgendwann in ein leises Röcheln über und verstummte dann ganz. Meine Tränen rollten über das weiche Fell und die Brüder stießen verzweifeltes Klagegeheul aus. Ich vergrub meinen Kopf im Fell und die Welt schien ein weiteres Mal über mir zusammen zu brechen. Aber dann. Ich wusste es erst nicht sicher, aber als ich mich noch näher mit meinem Ohr an ihn presste hörte ich es. Es war das leise, rasselnde Atmen, der leise, aber kräftige Herzschlag der mir den Mut gaben mir die Verletzung genauer anzusehen. Es war halb so schlimm wie es aussah. Er verlor zwar viel Blut, aber die Schnitte waren nicht so tief und breit wie sie hätten sein können. Scheinbar war der Bär bereits in der Schlucht nach unten gerissen worden, als er den Wolf getroffen hatte. Sonst hätte er ihn wahrscheinlich mit Leichtigkeit durchtrennt, aber mit Sicherheit getötet. Ich schob die Schicht Laub beiseite und Rupfte einige Hände des darunterliegenden Mooses aus und presste es auf die Wunde. Dann nahm ich meinen Bruder vorsichtig auf den Arm, hob ihn hoch und machte mich endgültig auf den Weg nach Hause. Ich ließ es mir aber nicht nehmen noch einen Blick in die Schlucht zu werfen. Unten lag in einem gewaltigen Krater und in einem sich langsam legenden Dunstschleier die halb verschüttete Gestalt des Wesens. Auch aus dieser Entfernung machte sie noch einen furchteinflößenden Eindruck. Erst recht als es sich langsam bewegte und sich benommen aus dem Schutt zog. Nichts wie weg hier. Hoffentlich hat das da unten nicht den besten Geruchssinn. So legten wir den Rest des Weges zügig zurück. Ich an der Spitze mit meinem verletzten Wolfsbruder und in meinem Rücken, immer wachend und folgend meine treuen Gefährten und Brüder. Meine Familie. Es machte mich stolz und glücklich eine Familie zu haben.

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Kapitel 2 - Teil 6

Paskoan

Irgendwann kamen wir an meiner Höhle am See an. Die Sonne stand mittlerweile hoch am Himmel und warf kurze Schatten auf das seichte Wasser des Sees. Ich wusch die Wunden aus, legte neues Moos auf sie, band es mit einigen Ranken fest und brachte meinen Bruder in die Höhle auf mein Lager, wo er möglichst frei von äußeren Einflüssen genesen konnte. Ich ließ den Rest des Rudels Wache halten, schnappte mir mein Wams, zog es wieder an und ging kurz zu den Feen. Sie waren immer noch die besten Heilkünstler des Waldes. Auch die Tatsache, dass sie wie ich kein Fleisch aßen, machte sie in solchen Fällen noch hilfreicher. Nicht, dass den Heiler der plötzliche Hunger übermannt.

Ich war lange Zeit bei den Feen. Sie haben mich Praktisch erzogen und großgezogen. Ganz am Anfang waren sie meine Beschützer, aber irgendwann war ich zu groß und die Wolfsmutter mit ihren fünf neu geborenen Jungen nahm sich meiner an. Nichtsdestotrotz haben die Feen keinen geringen Einfluss auf mich gehabt. Sie lehrten mich ihre Bräuche, Traditionen und Verhaltensweisen. So haben sie mich letztendlich auch zum Vegetarier erzogen.

Sie waren erst erschreckt und geschockt von dem vielen Blut und dem noch intensiveren Geruch danach, kamen aber sofort mit, nachdem ich die Situation erläutert hatte und sie einige heilende Blätter und Wurzeln aus ihrem Bau hervorgeholt hatten. Wir zogen zurück zur Höhle, wo meine Brüder noch immer geduldig in den kleinen Sonnenflecken auf dem Boden auf meine Rückkehr warteten. In der Höhle selbst sah ich fasziniert zu wie die Feen alle zusammen mit flinken Bewegungen den Verband entfernten, einige Wurzeln zerkauten, diese in die Wunden strichen, diese dann fest mit Ranken verschlossen, heilenden Goldstaub und einige zerbröselte Blätter darauf streuten und die Verbände wieder neu anlegten. Mit ihrer Hilfe war die Überlebenschance meines Bruders wieder auf ein beträchtliches Level gestiegen. Jetzt hieß es nur noch abwarten.

Kapitel 2 - Teil 7

Paskoan

Ich kroch zurück nach draußen zu dem Rest der Rasselbande, die sich immer noch im letzten Sonnenschein des Jahres ausruhte und neugierig zu mir herüberschaute, als ich aus dem Höhleneingang trat und auf die Feuerstelle zu ging. Ich sah sie an und setzte das hoffnungsvollste und optimistischste Gesicht auf, das meine Mimik hergab. Beruhigt legten sie wieder die müden Köpfe auf die Pfoten, während ich die letzten Schritte zur Feuerstelle zurücklegte, um den Feen ein Dankesmahl zuzubereiten. Ich wollte etwas wirklich tolles machen, so lief ich einige Zeit in der Umgebung herum, sammelte Sirup aus Bäumen, suchte frische, reife Waldbeeren und kramte die verbogene rußgeschwärzte Metallschüssel aus der Höhle und schaute dabei nach meinem Bruder.

Er war mittlerweile wieder bei Bewusstsein und hob benommen den Kopf als er mich bemerkte. Ich wünschte ich könnte ihm die Schmerzen abnehmen, die ihm so offen in den Augen standen und es tat mir weh es nicht tun zu können. So gab ich ihm ein wenig von dem süßen Sirup ab, den er dankbar annahm, leistete ihm noch ein wenig Gesellschaft, streichelte sanft sein weiches Fell und ging schließlich weiter bis ans hinterste Ende der Höhle, wo ich meine wirklich wertvollen Dinge hervorholte. Ich wollte den Feen einfach nur meine Dankbarkeit ausdrücken. Koste es was es wolle, Hauptsache mein Bruder überlebt.

Unter einem Haufen vertrockneter Blätter lag versteckt eine dicke Wurzel, ein Maiskolben, etwas Getreide und ganz zuunterst ein kleines Stück Zucker. Ich nahm alles mit nach draußen und stellte den Topf auf das Feuer, warf den Zucker und den Sirup hinein und ließ alles schön warm werden. Ich plante eine kleine, süße Suppe zu machen. Danach nahm ich den Maiskolben und warf Korn für Korn in den Topf.

Aus dem Augenwinkel sah ich eine Rasche Bewegung. Es waren die Wölfe. Sie hatten Langeweile und waren von dem süßen Geruch ganz aufgeregt, also sprangen sie herum und schnappten nach den flatternden Feen. Diese jedoch waren so flink, dass sie sich niemals würden fangen lassen. Schnatternd flogen sie durch die Gegend, während die Wölfe hinterher sprangen und vor Vergnügen kläfften. Als es den Feen zu viel wurde, streuten sie den Hunden Goldstaub in die Nasen. Erst passierte nichts. Dann blieben sie stehen und verzogen ganz merkwürdig ihr Gesicht. Schließlich begannen sie zu niesen und konnten scheinbar nicht mehr aufhören. Die Feen kicherten nun ihrerseits vergnügt und auch ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen.

Auf einmal hörte ich ein »plopp«, gefolgt von noch einem und noch einem. Ich sah, dass der ganze Topf am hüpfen war. Das Essen! Ich hatte es ganz vergessen. Schnell rührte ich um, aber es war schon zu spät. Der Mais hatte sich aufgelöst. Stattdessen waren nun viele merkwürdig geformte weißliche Körner, die sich langsam mit Honig und Zucker voll sogen. Bekümmert senkte ich den Kopf. Ich würde nicht noch mal anfangen können, dazu fehlten mir die Zutaten. Eine Fee flatterte vorbei, schnappte sich frech ein Korn aus dem Topf und biss hinein. Ihr Gesicht hellte sich schlagartig auf und sie verschlang das restliche Korn mit einem Bissen. Es flogen immer mehr Feen heran und stürzten sich auf den Topf. Scheinbar schien es ihnen doch zu schmecken. Ich nahm den Topf vom Feuer und nahm mir auch einen von diesen weißen Krümeln. Sie schmeckten warm, süß und verdammt gut. Vermutlich sogar besser als die Suppe.

Ich gab den Wölfen auch etwas ab und diese verspeisten es genüsslich. Selbst mein verwundeter Bruder mochte es. So lagen wir alle zufrieden im Gras am Höhleneingang, aßen diese süßen Körnchen und dazu die Waldbeeren und schauten durch das sich immer weiter lichtende Blätterdach in die Sonne.

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