Hauptrollen:
Dylan Winter: Er ist homosexuell und hegt Gefühle für seinen Mitschüler Emmet. Sein Outing bei seinem Dad lief nicht sonderlich gut. Dylan ist ein talentierter Zeichner.
Cosmo Winter (O:Evo-1570): Ein außerirdisches Wesen vom Planeten Neró. Er kann sich in andere Lebensformen verwandeln und tarnt sich dadurch als Dylans Cousin. Er tritt der Basketball-Schulmannschaft bei.
Philip „Phil“ Winter: Er ist Dylans Vater und von Beruf der Sheriff einer amerikanischen Kleinstadt. Seine Frau verstarb vor etwa einem Jahr.
Nebenrollen:
Emmet Harding: Mitschüler und Schwarm von Dylan; Zwillingsbruder von Tamara.
Tamara Harding: Mitschülerin von Dylan; Zwillingsschwester von Emmet; führt eine geheime Beziehung mit Dixon.
Mika Stone: Mitschüler von Dylan; Klassenclown; scheint etwas zu verbergen.
Elijah Richfield: Mitschüler von Dylan; bester Kumpel von Mika, schmeißt eine Halloween-Party.
Dixon Waller: Mitglied der Basketball-Schulmannschaft; führt eine geheime Beziehung mit Tamara.
Jens Huge: Ein sehr großer Kerl und Mitglied der Basketball-Schulmannschaft.
Herr Prokkowitch: Russischer Astronom; zu Besuch in Amerika.
Frau Kovnikovo: Russische Astronomin; zu Besuch in Amerika.
Hannibal: Kater der Winters.
Ψ:Halloween-23
Es war Samstagabend, Halloween! Heute fand die große Halloween-Party bei Elijah statt und Cosmo konnte es kaum noch erwarten, auf diese Party zu gehen und allen sein Kostüm zu präsentieren, dass er sich selbst überlegt hat. Da ich stark annahm, dass es bei Elijah nichts Vernünftiges mehr zu essen gab, nahmen wir Zuhause noch ein letztes Abendmahl zu uns. Ich schmierte mir und Cosmo ein paar Wurst- und Käsebrote. „Ich glaube Hannibal möchte auch was davon abhaben.“, sagte Cosmo, als der Kater in die Küche geschlichen kam, auf einen Stuhl sprang und sich gierig das Maul leckte.
„Bloß nicht, der ist schon fett genug.“, erwiderte ich, kümmerte mich jedoch um das Katzenfutter für Hannibal. Kurz darauf hörte ich eine Tür zufallen und mein Dad kam von seiner Arbeit nach Hause. Er hatte noch seine Uniform an, demnach war das wohl nur ein kleiner Zwischenstopp. „Hey Dad, wie war die Arbeit?“, fragte ich ihn besonnen. Nach meinem Outing ging mein Dad mir stellenweise aus dem Weg, aber immerhin konnte er mir noch in die Augen sehen, was positiv zu vermerken war.
„Stressig und jetzt geht es erst richtig los.“, antwortete mein Dad mir. „Bin nur kurz nach Hause gekommen, um ein wenig Nahrung zu mir zu nehmen.“
„Hier bitte.“, sagte Cosmo, der ihm ein überladendes Wurst-Käse-Brot reichte.
Mein Dad nahm das Brot dankbar entgegen. „Wann müsst ihr los?“, fragte er anschließend, jedoch an Cosmo gewandt.
„In etwa einer Stunde.“, antwortete Cosmo ihm, als es an der Tür klingelte. „Yeah, kleine Kinderchen. Ich geh schon!“ Cosmo war voller Tatendrang und rannte zur Tür. Ein lautes „Süßes sonst gibt´s Saures“ war vom Eingang zu vernehmen.
Mein Dad starrte mich verwirrt an. „Der rennt schon den ganzen Abend zur Tür und kurz darauf hört man das…!“ Plötzlich war ein lautes Kreischen zu hören und als ich durch das Küchenfenster spähte, konnte ich drei kleine Jungs die Straße runter rennen sehen. Ein Grinsen breitete sich in meinem Gesicht aus. „Ich weiß nicht wie er das macht, aber es ist effektiv!“
„Er wird sich doch nicht etwa…?“, stieß mein Vater entsetzt aus und ich glaubte zu wissen, worauf er anspielte.
Ich schüttelte sofort mit dem Kopf. „Evos Aussehen ist alles andere als beängstigend, eher im Gegenteil. Für einen Außerirdischen sieht er ausgesprochen cool aus!“
„Dankeschön.“, sagte Cosmo breit lächelnd, als er in die Küche zurück stolziert kam und sich wieder auf seinen Platz niederließ, um sein Käsebrot zu verdrücken.
„Ach übrigens, ich hab für nächste Woche einen Sonderurlaub beantragt.“, erzählte mein Dad uns urplötzlich, ohne dass wir in Erfahrung brachten, wie Cosmo die Kinder immer davon jagte. „Dann können wir die Abstellkammer entrümpeln und Cosmo bekommt dann endlich sein eigenes Zimmer. Das ist schließlich keine Dauerlösung, ihr zwei … allein … zusammen in einem Zimmer.“
„Ich will aber bei Dylan bleiben.“, reagierte Cosmo daraufhin sehr trotzig.
„Nichts da!“, entgegnete mein Dad streng. Der Grund für diese Veränderungen war mir klar. Er glaubte, dass ich Interesse an Cosmo hegte, was natürlich ausgemachter Blödsinn war. Jedoch war es zwecklos meinem Dad zu widersprechen, wenn er sich mal etwas in den Kopf gesetzt hatte. Ich nahm stark an, dass mich da noch schwierige Zeiten erwarteten…
Elijah lebte zusammen mit seinen Eltern natürlich in der wohlhabendsten Gegend unserer Kleinstadt. Die Villa der Richfields befand sich also auch ganz in der Nähe von der Villa unserer werten Frau Bürgermeisterin, deren Sohn heute Abend sicher auch auf der Party zugeben war. Cosmo und ich schlenderten in unseren Kostümen durch diese wohlhabende Gegend und bestaunten die vielseitige und außergewöhnliche Halloween-Deko an den einzelnen Gebäuden. Doch mit der Villa der Richfields konnte keiner mithalten. Elijah hatte keine Kosten und Mühen gescheut. Das Eisengittertor war mit Spinnweben versehen und auf zwei Steinsäulen saßen zwei unheimliche Wasserspeier. Als wir es öffneten, knarrte es unheimlich. Wir gingen auf einem gepflasterten Weg auf die weiße Villa zu, aus der laute Musik dröhnte und viele Stimmen zu hören waren. Links und rechts vom Weg befand sich ein sehr gepflegter Rasen, der heute jedoch von selbst errichteten Grabsteinen, Totenschädeln und Knochen, sowie ein Dutzend ausgehüllter Kürbisse, in denen helle Kerzen schimmerten, übersät war. Von der Hauswand hangelten sich zudem zwei Riesenspinnen herunter und als Türsteher wurde der Sensenmann höchstpersönlich engagiert. „Ich muss zugeben, dass ist ein ziemlich geiler Schuppen!“, sagte ich begeistert.
„Geiler Schuppen?“ Cosmo starrte mich durch sein Kostüm hinweg an, doch schien er dann ganz schnell verstanden zu haben, dass das wieder eine Redewendung von uns Menschen war. „Ihr Menschen seid die absonderlichsten Wesen, denen ich je begegnet bin.“
„Und das erzählt mir ein Alien mit Reißzähnen, einer Antenne, einem langen Schwanz und keinerlei Essmanieren.“, erwiderte ich, als wir die letzten Stufen zur Villa empor stiegen.
Dort wurden wir jedoch vom Sensenmann mit seiner Todessichel zurückgehalten. „Passwort!“
„Passwort? Ich weiß von keinem Passwort.“, meinte ich irritiert zu ihm.
„Ohne Passwort darf ich euch nicht rein lassen. Befehl von Elijah.“, erklärte uns der Sensenmann.
„Das Passwort lautet: „Totgesagte leben länger“.“, kam es plötzlich aus Cosmos Mund und ich starrte ihn überrascht an. „Hat mir Elijah noch gestern in der Schule mitgeteilt, als du auf dem Klo warst.“
Der Sensenmann ließ uns schließlich gewähren und so betraten wir die Villa der Richfields, das heute dem Schlund der Hölle glich. Es war ziemlich düster, nur hier und da brannten ein paar Kerzen oder gar richtige Fackeln. Mein erster Gedanke war, dass noch jemand das Haus abfackeln würde. Von der Decke hingen lauter selbst gebastelte Gespenster herunter, an den Wänden wurden gruselige Gemälde aufgehängt und das Haus war über und über mit Spinnweben übersehen. Wir betraten das große Wohnzimmer, in dem ein großer Kronleuchter von der Decke hing und ein prachtvolles Feuer im Kamin loderte. Möbel waren zur Seite geschoben worden, um eine Tanzfläche zu schaffen und in der Küche, die ungefähr dreimal so groß wie die bei mir Zuhause war, wurde ein Buffet errichtet. Wie bereits erwartet gab es nichts Vernünftiges mehr zu essen. Zumindest sah alles sehr unheimlich aus: Kürbispasteten, Wiener mit Ketchup die wie blutige Finger aussahen, Blutsuppe mit Augäpfel – vermutlich Erdbeersoße mit Apelstückchen – sowie grüne Götterspeise a la Blob. „Boah geil, sieht das alles lecker aus!“, rief Cosmo begeistert aus.
„Freut mich über alle Maßen, dass es dir gefällt!“, kam es von hinten und als Cosmo und ich uns umdrehten, stand der gerissene Joker vor uns. Ich musste kurz überlegen und zweimal hingucken, erkannte unter all der Schminke dann aber doch noch Mika, der uns breit entgegen grinste. „Sehr schön, dass ihr Zwei gekommen seid. Dies wird ein Abend, den keiner von uns so schnell vergessen wird. Wenn ich mir die Bemerkung erlauben dürfte: Eure Kostüme sind der absolute Hammer!“
Das waren sie wohl, das von Cosmo mehr als das meinige. Ich hatte noch ein altes Werwolf-Kostüm bei mir im Speicher und war nun übersät mit Haaren. Jedoch trug ich keine traditionelle Wolfsmaske, da ich nicht den ganzen Abend damit rumlaufen wollte. Nun sah ich eher wie einer dieser Wölfe aus der Serie „Teen Wolf“ aus. Cosmos Kostüm hingegen war ein echter Hingucker. Dabei war gar nicht viel von Nöten. Er trug eine schwarze Hose, ein schwarzes ärmelloses Hemd und schwarze Schuhe. Seine Arme und sein Gesicht hat er vollständig mit roter Neonfarbe eingestrichen. An manchen Stellen stand sogar geschrieben: „Freitag der 13.“ oder „Monstaaa!“ oder eben „Halloween“. Dazu kamen eine neonfarbene Krawatte und hochgestylte Haare, die er sich weiß färben ließ. Er sah wirklich schräg aus und war in der Dunkelheit gut erkennbar.
„Hey Cosmo, komm mit, die anderen Jungs aus der Basketball-Mannschaft sind auch hier. Sie werden ausflippen wenn sie dich so sehen!“, rief Mika Cosmo begeistert zu, packte ihn am Arm und zog ihn mit sich, ohne auch nur einen weiteren Gedanken an mich zu verschwenden. Also doch, Mika war die ganze Zeit nur hinter Cosmo her! Was führt dieser Kerl im Schilde? Hatte Frau Kovnikovo vielleicht Recht und er hat in der Sternschnuppen-Nacht doch etwas gesehen? Ich sollte ihn wohl besser im Auge behalten. Ich verfolgte die Beiden quer durchs Wohnzimmer. Am anderen Ende stand das Basketballteam aus unserer Schule, darunter auch Elijah, der sich als eleganter Teufel mit Cape verkleidet hatte. Jedes Team-Mitglied hatte ein Glas Bowle in der Hand und gemeinsam lachten sie ausgelassen. Elijah freute sich sehr, als er Cosmo sah und schenkte ihm zur Begrüßung eine Umarmung. Dann überreichte er auch ihm ein Glas Bowle und flüsterte ihm zudem etwas ins Ohr. Hat er etwa…? Ist in der Bowle etwa…? Wie aus Geisterhand griff ich nach dem nächstbesten Glas und roch daran – Alkohol! In der Bowle befand sich ohne jeden Zweifel Alkohol. Elijah, dieser Idiot! Auf der Party sind noch fast alle minderjährig und Cosmo hat bestimmt noch nie Alkohol zu sich genommen. Wer weiß was das für Auswirkungen auf ihn haben könnte. Ich sollte Cosmo packen und ihn aus diesem Haus zerren, aber dafür war es womöglich schon zu spät. Das würde zu sehr auffallen und ich dürfte mir einige Fragen anhören. „Ähm hallo? Das ist meine Bowle!“, entgegnete ein Zombie, in dessen Schädel eine Axt eingeschlagen hatte und Blut an der Schläfe runterlief.
Ich ging ein wenig durch den Saal, aber behielt Cosmo und auch Mika nach wie vor im Blickfeld. Bei einem Fenster machte ich schließlich Halt. Ich konnte Tamara mit ihrem Freund Dixon und ihrem Bruder Emmet den Weg zur Villa entlang marschieren sehen. Emmet war also auch eingeladen? Doch sie waren nicht die Einzigen, die ich draußen entdecken konnte. Vor dem Eisengitter stand ein Mann in einem schwarzen Mantel. Ich musste etwas genauer hinsehen, bis ich Herrn Prokkowitch erkannte. Mir blieb die Luft zum Atmen weg. Was hatte der denn hier zu suchen?
Ω:Mondlicht-24
Was zum Teufel hatte der Astronom Herr Prokkowitch hier zu suchen? Waren er und seine Kollegin womöglich hinter Evo her? Ich sollte Cosmo davon besser in Kenntnis setzten, damit es kein Unheil gab und er sich nicht verdächtig verhielt. Doch genau dies dürfte sich als Problem erweisen, wenn Mika und Elijah ihn nun mit Alkohol abfüllten. Ich wandte mich wieder der Party zu und suchte mit meinen Augen nach Cosmo. Er, Mika und Elijah waren verschwunden! Oh nein! Erneut drehte ich mich um, diesmal sah ich wieder zum Fenster raus – Herr Prokkowitch stand nicht mehr vor dem Eisengitterzaun. Allmählich glaubte ich wirklich, dass es hier zu spuken anfing.
„Hey Dylan.“, begrüßte mich eine sanfte weibliche Stimme und vor mir standen Tamara, ihr Freund Dixon und … Emmet! Tamara und Dixon hatten sich für einen Paar-Look entschieden und schwebten nun als Spukgestalten umher. Dabei trug Tamara ein zerfetztes, aber doch sehr wunderschönes weißes Kleid. Ihrem lockigen Haar hatte sie ein paar Weißtöne verabreicht und auch im Gesicht hat sie sich weiß anmalen lassen. Dixons Kostüm sah dabei etwas weniger glorreich aus, aber dafür auch unheimlicher. Er war in weiße Fetzen mit Kapuze gehüllt und auch er war im Gesicht weiß angemalt, ließ sich zusätzlich aber auch noch schwarze Augenringe verpassen. Emmets Kostüm hingegen gefiel mir am besten – natürlich! Er war als schaurige Vogelscheuche verkleidet mit Gummistiefel und einer Sense, die etwas kürzer als die vom Sensenmann war. Auf seiner Schulter saß zudem eine ausgestopfte Krähe. „Ich wusste gar nicht, dass Elijah heute Abend den Hund von der Leine lässt…“ Tamara lächelte mich unverschämt an und mir war natürlich klar, dass sie auf mein Kostüm anspielte.
„Ich geh uns mal was zum Trinken holen.“, sagte Emmet kurz darauf, als er spürte, wie ich ihn quasi mit meinen Blicken auszog. Er war noch immer sauer auf mich…
„Ich such die Jungs aus meinem Team.“, sagte Dixon, der Tamara einen Kuss auf die Wange drückte.
„Nicht!“, entgegnete sie und blockte ihn ab. „Nicht hier und außerdem zerstörst du mein Make-up!“
Dixon warf ihr einen etwas angesäuerten Blick zu und ging von dannen. Tamara und ich standen uns kurz beschämend gegenüber, ehe sie ihrem Freund einfach hinterher marschierte … oder schwebte.
Als ich wieder allein war, fiel mir wieder ein, dass Cosmo verschwunden war. Ich sollte ihn finden. Ich begab mich also auf die Suche nach ihm, doch wurde ich im Wohnzimmer nicht weiter fündig. Ich sah lediglich Tamara wieder, die auf ein paar Freundinnen traf, die sich als Hexen ausgaben. Ich war so geistesabwesend das ich mit einem anderen Partygast zusammen rumpelte. Der Junge war locker einen Kopf größer, wenn nicht sogar noch mehr. Er trug einen langen grauen Mantel und war im Gesicht komplett schwarz! Es war „der unheimliche Stalker“, oder besser gesagt Jens Huge, ein weiteres Mitglied unserer Basketballmannschaft. „Ähm… hast du Mika oder Elijah gesehen?“, fragte ich einfach drauf los, in der Hoffnung weiter zu kommen. Doch erhielt ich von Jens keinerlei Antwort. Er schien in seiner Rolle voll aufzugehen und starrte mich einfach nur stumm und mit großen Augen an. Dann streckte er seinen Arm in die Höhe aus und deutete mit seinem Finger in die Küche. „Äh danke.“, sagte ich schließlich, während mir ein kalter Schauer über den Rücken fuhr.
Ich marschierte also schnurstracks zur Küche, doch blieb ich auf halbem Wege stehen. Kurz vorm Kücheneingang stand Emmet. Er hatte mir zwar den Rücken zugedreht, aber ich erkannte ihn natürlich an seiner Verkleidung. Er schien jemandem zuzuhören, der in der Küche stand. Ich spitzte also ebenfalls meine Lauscher und konnte die Stimmen von Elijah und Dixon vernehmen. „Ich kann nicht glauben, dass dieser Langweiler auch auf meiner Party ist.“, hörte ich Elijah sagen.
„Tamara wollte das so, oder sie wäre nicht mitgekommen.“, erklärte Dixon seinem Kumpel. „Was hätte ich denn sonst tun sollen? Es ist sowieso schon so kompliziert zwischen uns, da wollte ich ihr wenigstens diesen Gefallen tun.“
„Du weißt doch aber ganz genau, dass ich ihren Bruder nicht ausstehen kann.“, meinte Elijah daraufhin zu seinem Freund. „Er ist langweilig, total schräg drauf, an Blödheit nicht zu übertreffen, eine absolute Null in Sport und wohl die schlimmste Plage auf Erden.“
Das war zu viel, selbst für einen Emmet, der immer alles in sich hineinstopfte. Er drehte sich um und wollte verschwinden, doch dann entdeckte er, dass ich ihn beobachtet hatte. Ich konnte Tränen in seinen Augen sehen, aber auch seinen Zorn spüren. Ich riss den Mund auf und wollte tröstend auf ihn einreden, doch brachte ich kein Wort heraus. Emmet und ich standen uns mehrere Sekunden gegenüber, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Dann rannte er an mir vorbei, durchs Wohnzimmer und zur Haustür hinaus. Ich fühlte mich schuldig. Ich sollte ihm beistehen und ihm hinterher rennen, doch so leid er mir auch tat und so stark wie meine Gefühle immer noch für ihn waren, so war Cosmo zu finden im Augenblick wichtiger. Dann hörte ich Elijah etwas aus der Küche zu Dixon sagen: „Mika? Ich glaube der ist mit Cosmo in den ersten Stock rauf. Will ihm wohl die Villa zeigen oder so. Als Gastgeber wäre das ja eigentlich meine Aufgabe gewesen, aber Mika meinte, er möchte das so.“
Im ersten Stock also. Ich rannte zurück und stieg die Stufen in den ersten Stock hinauf. Oben angekommen, erwarteten mich ein langer Flur und an die zwanzig Türen. Na dann fang mal zu suchen an, dachte ich mir. Der Flur war mit einem weinroten Teppich ausgelegt und überall an den Wänden hingen Familienporträts der Richfields. Im ganzen Flur schimmerte ein gedämpftes Licht, aber an Halloween erinnerte hier nichts mehr, außer meinem billig aussehenden Kostüm.
Ich ging auf Nummer sicher und klopfte vorher an jeder Tür. Die ersten zwei Zimmer waren Schlafräume, doch von Mika und Cosmo keine Spur. Das dritte Zimmer war das Badezimmer und die vierte und fünfte Tür waren abgesperrt. So ging es weiter und weiter und nach dem dritten Badezimmer und dem sechsten Schlafzimmer fragte ich mich, wie viele Leute hier überhaupt lebten. Wenn ich mich recht erinnerte, hatte Elijah keine Geschwister und wohnte mit seinen Eltern alleine hier. Das die Richfields reich waren okay, aber das war nun doch ein wenig zu viel des Guten. Die Suche aufzugeben war für mich keine Option, doch nachdem nur noch drei Türen vor mir lagen, breitete sich in mir doch ein wenig die miese Laune aus. Plötzlich öffnete sich die hinterste Tür und Mika kam in seinem Joker-Gewand zum Vorschein. Ich hatte das Gefühl, er würde mich heimtückisch angrinsen, aber das kam wohl einfach nur seinem Kostüm zu Schulden. Er schien sich zu freuen mich zu sehen, doch war er auch sichtlich verwundert. „Was machst du denn hier oben?“
„Ich suche nach Cosmo. Ist er da drin?“, fragte ich ihn, doch wollte ich nicht auf die Antwort abwarten und einfach selber nachsehen.
Mika hielt mich jedoch zurück, indem er mich unterm linken Arm packte. „Da solltest du jetzt nicht reingehen. Dein Cousin hat etwas zu viel Bowle erwischt und muss sich jetzt ausruhen. Offenbar ist ihm der Alkohol etwas zu Kopf gestiegen.“
„Warst du das? Hast du ihn so abgefüllt?“, fragte ich Mika wütend.
„Hey Mann, er hat gerade mal zwei Gläser getrunken. Davon bekommt man nicht gleich einen Rausch, dass man nicht mehr geradeaus gehen kann, geschweige denn auf den Beinen halten kann.“
Aus irgendeinem mir noch unempfindlichen Grund glaubte ich Mika das, was er mir sagte und trotzdem… „Was hast du da drinnen mit ihm gemacht? Was führst du im Schilde Mika?“ Ich haute die Fragen einfach so raus, denn ich wollte endlich Gewissheit.
„Was ich im Schilde führe? Gar nichts. Ich wollte ihn nur etwas besser kennen lernen, das ist alles.“, antwortete Mika mir mit erhobenen Händen. „Was ist dein Problem Dylan? Ich hab schon lange den Verdacht, dass du mich nicht ausstehen kannst. Ist es weil ich immer das Maul soweit aufreiße? Ich weiß dass ich ein Idiot sein kann, aber ich kann auch ganz anders. Das wollte ich dir heute eigentlich auch zeigen. Deshalb hab ich dich ja eingeladen, um mich etwas mit dir zu unterhalten. Nur leider kam mir dein Cousin dazwischen… Man ich sag dir, der gibt komisches Zeug von sich, wenn er hacke ist. Erzählt mir da was von einem Wunsch den er erfüllen muss und von einer Geheimidentität.“
„Okay, okay, okay. Ich kümmere mich um ihn. Ich finde es sehr nett von dir, was du getan hast, aber an diesem Punkt übernehme ich.“, sagte ich und wollte in das Zimmer rein, egal was Mika dagegen einzuwenden hatte.
Mika schien das auch nicht zu erfreuen, aber hinderte mich nicht mehr daran. Eigentlich schien er jetzt sogar etwas traurig darüber zu sein. „O-Okay. Ich geh dann mal wieder zur Party.“, sagte er und ging schließlich den langen Flur entlang, ehe er hinter der Treppe verschwand. Seltsam. Mika verhielt sich nach wie vor äußerst eigenartig, aber glaubte ich inzwischen, dass er keine bösen Absichten hegte. Doch was waren dann seine Beweggründe? Mehrere Möglichkeiten schossen mir durch den Kopf – eine absurder als die andere. Doch nun wollte ich mich erst einmal um Cosmo kümmern.
Ich öffnete leise die Tür und betrat anschließend das dunkle Zimmer. Es brannte kein Licht, doch durch ein großes Fenster schien der helle Mond. Nur schade, dass heute kein Vollmond war. Durch das helle Mondlicht konnte ich auch klar und deutlich erkennen, dass Cosmo in einem Bett lag. Er schien seinen Rausch auszuschlafen, denn ich hörte wieder ein Grunzen, dass er von sich gab. Ich näherte mich dem Bett und kniete mich leise zu ihm. Er hatte mir den Rücken zugedreht, so dass ich mich etwas über ihn beugen musste, um zu erkennen, dass seine Augen auch wirklich geschlossen waren. Mika hatte also die Wahrheit zu mir gesagt. Armer Cosmo. Alkohol hat anscheinend eine besonders starke Wirkung auf ihn. Trotzdem musste ich ihn wieder munter kriegen, denn wenn mein Dad ihn so sah, würde er ausflippen. Als Sheriff der Stadt duldet er es natürlich keinesfalls, wenn Minderjährige sich volllaufen lassen. Zudem hatte ich schon genug Probleme mit ihm, da wollte ich mir nicht auch noch anhören, dass ich nicht besser aufgepasst hätte. „Hey Cos.“, sagte ich leise zu ihm, während ich etwas an seiner Schulter zu rütteln begann. Keine Reaktion. Eigentlich wollte ich ihn ja auch gar nicht wecken. Er schlief gerade so seelenruhig, aber er konnte hier ja auch schlecht übernachten. „Cosmo.“, sagte ich erneut und diesmal kam es zu einer Reaktion seinerseits. Mit einem Mal drehte er sich zu mir um, legte seine Arme um mich und zwang mich quasi dazu, mich aufs Bett zu legen. Seine Augen hatte er noch immer geschlossen. „Cosmo, was soll denn das?“, fragte ich ihn genervt, auch wenn mir natürlich klar war, dass er noch immer schlief.
Doch dann sagte er etwas … und das irritierte mich: „Ich werde immer bei dir bleiben, ich muss, denn ich kann nie mehr nach Hause zurück. Sie werden mich jagen … und töten!“
„Was hast du gesagt?“, fragte ich ihn nun erschrocken. Evo hatte uns ja erzählt, dass sein Volk ihn verstoßen würde, weil er sich mit Menschen angefreundet hat, aber von töten war nie die Rede! „Cosmo, wach doch bitte auf!“, bat ich ihn erneut, doch es war zwecklos. Cosmo schlang seine Arme nur noch enger um mich und dann … spürte ich seine Beine an die meinigen. Sein Kopf näherte sich meinem Gesicht und sein Mund war nur noch wenige Zentimeter von mir entfernt. Ich konnte spüren, wie mein Herz zu pochen anfing. Er wird doch nicht etwa…? Und ob er wird! Cosmo drückte mir einen Kuss auf die Lippen. Ich fühlte mich völlig überrumpelt. Es schockierte mich, von einem Alien geküsst zu werden, aber irgendwie gefiel es mir auch. Es fühlte sich gut an. Und das war noch nicht alles, denn für einen Bruchteil einer Sekunde konnte ich in das Innerste von Evo blicken, als ob eine magische Verbindung aufgebaut wurde. Was ich dort sah, war unglaublich…!
Ende von Part 1: „NYX“