Italien-Sommer, Sonne und zwei Jungs

TEIL 26

Nur wenig später wurde ich wieder geweckt. Ich sah noch, wie Eddy den Raum verließ. Der wird doch nicht abhauen? Im nächsten Moment hörte ich die Tür zu unserem Bad und war beruhigt. Als er jedoch nach geraumer Zeit nicht wiederkam, beschloss ich nachzusehen. Er saß in der Küche und schaute abwesend auf ein Glas Wasser, das er sich genommen hatte.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte ich vorsichtig, als ich mich zu ihm setzte.

„Nein, ich habe alles kaputtgemacht“, sagte er kopfschüttelnd.

„Zunächst solltest du mir erklären, was los ist. Dann urteile ich“, forderte ich ihn auf.

„Ich bin ein Vollidiot, das ist los. Erst verspiele ich es mir mit dir, dann bringe ich meine Eltern dazu, mich rauszuschmeißen, und von Robin will ich gar nicht reden“, erklärte er. Er hat freiwillig von Robin geredet, wenn auch nur wenig.

„Warum haben deine Eltern dich rausgeworfen?“, hakte ich weiter nach. Für die Probleme zwischen uns blieb später immer noch Zeit.

„Ich habe mich bei ihnen geoutet und dann meinten sie, ich solle verschwinden. Nicht ohne mir deutlich zu machen, was für eine Enttäuschung ich bin. Immer wieder fragten sie mich, wie ich ihnen so etwas antun könne.“ Er rang mit den Tränen.

„Warum hast du dich denn überhaupt geoutet? Du hast mir doch sogar erzählt, dass du es nicht wolltest, weil du Angst vor ihrer Reaktion hattest“, ich fürchtete zu wissen, was er sagen würde. Sollte ich recht behalten, musste ich meine Position zu ihm noch einmal überdenken.

„Wegen dir. Du vertraust mir nicht und darum wollte ich dir zeigen, wie wichtig du mir bist. Der Schuss ist wohl voll nach hinten losgegangen“, sagte er mit einem Seufzer und nahm einen Schluck aus dem Wasserglas. Ich schluckte. Das war leider genau die Antwort, die ich befürchtet hatte.

Innerlich wollte ich jubeln, vor allem der Teil, der ihm die ganze Zeit verzeihen wollte, aber jetzt fühlte ich mich ziemlich mies. Wegen mir hatte Eddy sich mit seinen Eltern gestritten, womöglich war er in ernsthaften Schwierigkeiten.

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Zum einen berührt es mich, dass du das für mich getan hast, zum anderen fühle ich mich aber auch schlecht, dass du nun vor solchen Problemen stehst“, gestand ich ihm.

„Du musst dir keine Vorwürfe machen. Es war meine Entscheidung, nicht deine, dich trifft keine Schuld“, sagte er.

„Lass uns morgen mit deinen Eltern reden, vielleicht denken sie anders darüber, wenn sie eine Nacht darüber geschlafen haben“, versuchte ich, ihm Mut zu machen. Ich war nah dran ihm zu verzeihen. Ich hatte mich getäuscht. Kein Aufreißer würde ein solches Risiko eingehen, vor allem nicht, wenn er bekommen hatte, was er wollte.

„Nein, ich fürchte nicht, sie waren in ihrer Wortwahl äußerst deutlich“, gab er resigniert zurück und starrte weiter auf sein Glas.

„Das wird schon wieder, mach dir da mal keine Sorgen. Wir klären das später in Ruhe, aber lass uns jetzt erst einmal wieder ins Bett gehen, ok?“

„Ich kann auch hier auf der Bank pennen, wenn dir das lieber ist“, schlug er vor. Mit einem bösen Blick machte ich meine Meinung deutlich, fügte aber noch hinzu:

„Sei nicht albern!“, dann ging ich zurück ins Bett. Eddy folgte kurz darauf.

Als er sich neben mich legte, hatte ich das große Verlangen mich an ihn zu kuscheln. Es dauerte nur einen Moment, bis ich dem Wunsch nachgab. Ich redete mir ein, dass ich das nur aus Mitleid mit ihm tat, aber in meinem Innersten wusste ich, dass ich kurz davor war ihm zu verzeihen. Ich legte meinen Kopf auf seine Brust und schaute ihm in die Augen:

„Wir kriegen das schon wieder hin, ok? Mach dir jetzt keine Gedanken mehr darum.“ Ich gab ihm noch einen Kuss. In dem Moment, wo sich unsere Lippen berührten, fühlte es sich wieder genauso an wie vor zwei Tagen, als wir uns mitten in der Adria zum ersten Mal geküsst hatten. Es war das gleiche Gefühl. Freude, Glück und Geborgenheit durchströmten mich. Ich spürte, dass das Vertrauen zu ihm langsam zurückkehrte. Dennoch beließ ich es bei dem kurzen Kuss. Ich kuschelte mich an seinen Arm und schloss die Augen.

„Danke“, sagte er mit bebender Stimme, danach blieben wir beide still, bis wir schließlich ins Reich der Träume entschwanden. Gemeinsam.

TEIL 27

Es war ein schönes Gefühl neben ihm aufzuwachen. Neben dem Jungen, der mir in den letzten Tagen so eine Gefühlsachterbahn beschert hatte.

Ein paar Sonnenstrahlen fanden den Weg in mein Zimmer und tauchten es an wenigen Stellen in goldgelbes Licht, in dem man die Staubpartikel umherfliegen sehen konnte. Es war eine stille und friedliche Atmosphäre, die ich genoss. Ich lag einfach nur in Eddys Armen und betrachtete ihn nachdenklich.

Er schlief noch tief und fest, im Gegensatz zu gestern Abend waren seine Züge vollkommen entspannt. So gefiel er mir viel besser, als mit dem sorgenverzerrten Gesicht. Was machst du nur mit mir? Diese Frage stellte ich mir immer wieder, während ich ihn bewunderte. Meine Wut auf ihn hatte keine zwei Tage gehalten und das, obwohl er mich tief verletzt hatte. Wie konnte ich nur in der kurzen Zeit so starke Gefühle für ihn entwickeln? Wie sollte es jetzt überhaupt weiter gehen? Reichte es mir schon, was er alles auf sich genommen hatte?

Ich horchte in mich hinein, eine eindeutige Antwort bekam ich nicht. Vielleicht war das aber auch die Antwort?! Mein Vertrauen war offensichtlich noch nicht gänzlich zurückgekehrt. Nein, etwas fehlte noch.

Er musste erst nachhaltig beweisen, dass ich ihm vertrauen konnte. Allerdings war der Anfang getan und ich war gewillt ihn bei seinen Problemen zu unterstützen. Wenigstens die Angelegenheit mit seinen Eltern sollten wir klären, denn es blieben nur vier Tage, bis es zurück nach Deutschland ging. Wie schön hätte die zweite Woche werden können, wenn nicht der Stress dazwischengekommen wäre? Ist ja nicht mehr zu ändern, sagte ich mir. Jetzt galt es das Beste aus dieser wenigen verbliebenen Zeit zu machen.

Meine Gedanken kreisten noch einige Zeit darum, wie wir das Problem mit Eddys Eltern lösen könnten, während ich ihm weiter beim Schlafen zusah. Es dauerte eine ganze Weile, bis Eddy wach wurde. Meine Eltern hatten den Wohnwaggon schon wieder verlassen.

„Guten Morgen“, begrüßte ich ihn, als er sich verschlafen blinzelnd umsah.

„Guten Morgen“, nuschelte er seinerseits. „Bist du schon lange wach?“, fragte er.

„Ein bisschen, ist aber nicht schlimm. Wie geht es dir?“

„Mhhh. Schwer zu sagen. Einen Kater habe ich zumindest nicht“, er schaute mich eingehend an. „Danke, dass du mich mitgenommen hast“, sagte er, dann gab er mir einen Kuss auf die Wange. Anstatt zu antworten küsste ich ihn auf den Mund.

„Was soll ich jetzt tun?“, fragte er, die Verzweiflung war deutlich zu hören.

„Erst einmal frühstücken!“, wies ich ihn an. „Alles zu seiner Zeit. Es bringt nichts, in Panik zu verfallen. Geben wir deinen Eltern ein wenig Zeit damit umzugehen und währenddessen überlegen wir uns etwas. Uns wird schon ein Weg einfallen, wie wir ihnen klar machen, dass ein schwuler Sohn kein Weltuntergang ist“, sagte ich. Ich merkte, dass Eddy jetzt jemanden brauchte, der ihn ein wenig an die Hand nahm, darum hatte ich mich kurzerhand entschlossen, diesen Part zu übernehmen.

„Ich gehe mal nachsehen, ob meine Eltern uns Frühstück dagelassen haben“, erklärte ich ihm und ging hinaus. Tatsächlich lag eine Tüte mit Brötchen und Croissants sowie ein Zettel auf dem Tisch „Lasst es euch schmecken. Wir sind unterwegs, alles Liebe, Mama und Papa.“

„Möchtest du Tee oder Kaffee?“, rief ich.

„Kaffee, bitte.“

Erstaunlich gut gelaunt machte ich mich daran das Frühstück für uns beide vorzubereiten.

Woher die gute Laune kam, war mir selber nicht klar. Ich war wohl einfach froh, dass Eddy sich solche Mühe gab mein Vertrauen zurück zu gewinnen. Ich bezweifelte inzwischen nur ausgenutzt worden zu sein.

Einige Minuten später betrachtete ich mein Werk. Der Tisch war reich gedeckt. Ich hatte sämtliche Marmeladen rausgekramt, die meine Mutter mitgeschleppt hatte, Wurst und Käse lagen ebenso bereit wie Nutella und Honig. Dazu dampfte der Kaffee in unseren Tassen vor sich hin. Fehlte nur noch einer. Eddy.

„Ey Schlafmütze, wo bleibst du?“, rief ich, als ich die Tür aufstieß.

Doch Eddy saß nur da. Sein Gesicht war tränenüberströmt, der Blick der Welt entrückt. Er starrte auf irgendetwas, das ich nicht sehen konnte.

„Was ist los?“, fragte ich besorgt.

Als keine Reaktion kam, ging ich zu ihm und schaute, was er in den Händen hielt.

Es war das rote Buch, welches Guiseppe hier vorbeigebracht hatte. Das Buch, das Robin hier vergessen hatte. Vorsichtig setzte ich mich neben ihn. Mir war völlig entfallen, dass ich es hatte. Ich befürchtete, dass Eddy der Fund völlig aus der Bahn warf.

„Hör mal, Guiseppe hat mir das Buch eines Tages gebracht, weil du nicht da warst. Ich hatte vor es dir wiederzugeben, aber irgendwie habe ich es vollkommen vergessen. Es tut mir leid“, entschuldigte ich mich.

Er schniefte einmal und wischte sich dann die gröbsten Tränen aus den Augen.

„Ist schon Ok. Ich bin nicht sauer auf dich. Ich war nur nicht darauf vorbereitet.“

„Möchtest du mir erzählen, was passiert ist?“, fragte ich und legte meinen Arm um ihn. Er lehnte seinen Kopf an meine Schulter und kuschelte sich an mich. Er starrte noch immer auf das Buch und streichelte die Vorderseite. Irgendwann nickte er:

„Ich glaube, es ist an der Zeit, dass du es erfährst.“

„Es ist ok, wenn du nicht willst“, versicherte ich ihm.

„Nein, ich möchte es dir erzählen.“

Eddy brauchte einen Moment, bis er sich genug gesammelt hatte um anzufangen. Ich war aufgeregt endlich zu erfahren, was es mit Robin auf sich hatte. Bisher wusste ich nur, dass er sein Bruder war, aber nicht, warum er nicht über ihn reden wollte. Es bedeute mir sehr viel, dass er mir davon erzählen wollte.

Stockend schilderte er, was passiert war:

„Robin war mein Bruder, er war knapp fünf Jahre jünger als ich. Wir haben uns immer sehr gut verstanden und nur selten gestritten. Die meisten konnten nicht nachvollziehen, wie wir so gut miteinander auskamen, aber wir kannten es gar nicht anders. Du musst wissen, ich habe den Kleinen über alles geliebt …“ Einen Moment rang er mit den Tränen, fand seine Stimmer aber wieder: „Letzten Winter sind unsere Eltern über das Wochenende verreist. Ich hatte die Aufgabe auf Robin aufzupassen. Eigentlich nichts Besonderes, da ich das immer schon von alleine tat. Jedenfalls gab es bei uns hinter dem Haus so einen Berg, an dem man im Schnee gut Rodeln konnte. Das Wochenende, an dem meine Eltern weg waren, hatte es unheimlich viel geschneit. Ich erinnere mich noch ziemlich genau daran…“

Er erzählte mir, von dem Versprechen mit Robin rodeln zu gehen, die Hausaufgaben ihm jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht hatten. Da er seinem Bruder aber nicht den kompletten Spaß verderben wollte, erlaubte er ihm schließlich für ein paar Stunden mit seinem besten Freund rauszugehen. Später teilte ihm seine beste Freundin mit, dass sie die Hausaufgaben nicht brauchten, also folgte er seinem Bruder. Ab da begann seine Erzählung zu stocken. Je weiter er kam, desto öfter benötigte er Pausen, in denen er bemüht war, seine Emotionen zu kontrollieren.

„Ist schon ok“, versuchte ich ihn zu trösten. Gerade hatte er berichtet, wie er oben auf dem Viperberg angekommen war.

„Nimm dir Zeit“, sagte ich ihm, als er nicht in der Lage war fortzufahren.

Ich nahm ihn einen Moment in den Arm und küsste ihn, während ich beruhigend auf ihn einredete. Ich befürchtete, dass diese Geschichte kein gutes Ende nehmen würde und verstand jetzt, warum ihm das Thema nur so schwer über die Lippen ging. Es tat weh ihn so zu sehen, er war noch trauriger als gestern in der Bar.

Am liebsten hätte ich ihm die Tortur des Weitererzählens erspart, aber ich war überzeugt davon, dass es ihm half darüber zu sprechen. Sonst würde er den Schmerz nur weiter in sich hineinfressen. Schließlich fing er sich wieder.

„Ich nahm also meinen Reifen und rutschte den Berg hinunter. Ich versuchte Robin zu finden, aber zuerst gelang es mir nicht. Erst als ich den Fuß des Hügels erreichte, sah ich seine hellblaue Jacke. Er war gerade drauf und dran den Fluss zu betreten, der nah am Berg entlanglief. Trotz der Eiseskälte war es viel zu gefährlich die Eisfläche zu betreten. Jahr für Jahr gab die Polizei Warnungen aus, dass das Eis nicht dick genug werde“, er schluckte, dann sprach er weiter. „Jedenfalls sah ich ihn dort und wollte rufen, allerdings überschlug ich mich im selben Moment. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich durch den Schnee geschleudert wurde, alle meine Gedanken nur auf Robin gerichtet. Als ich endlich still lag, rappelte ich mich sofort hoch und rief nach ihm. Vergeblich …“

Wieder rang er mit den Tränen. In seinen Augen las ich endlosen Qualen, er schien das Gesagte erneut zu durchleben.

"Er hörte mich nicht, also rannte ich los. Ich hatte Panik, dass er einbrechen würde. Die Strömung des Flusses war stark, wer dort einbrach, hatte kaum eine Chance zu überleben. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, bis ich das Ufer endlich erreichte. Einige Eltern, die ebenfalls dort gewesen waren, folgten mir. Auch sie wussten um die Gefahr. Als wir das Ufer erreichten, stand Robin mitten auf dem Fluss. Er wollte zu seinem Reifen, der, aus welchen Gründen auch immer, auf der Hälfte lag. Ich weiß noch, wie ich rief: „Robin! Komm da sofort runter!“

Er drehte sich zu mir um und in dem Moment begann das Eis ohrenbetäubend zu knacken. Ich werde dieses Geräusch nie vergessen. Überall konnte man hören, wie die Eisfläche begann nachzugeben. Ich sehe immer noch Robins entsetzten Ausdruck, als er sich zu mir umwandte. Wir wussten alle, was geschehen würde. Von irgendwo rief jemand: „Hinlegen! Vorsichtig hinlegen, Gewicht verteilen.“

Doch es war zu spät. Das Eis gab nach und plötzlich verschwand Robin in den Fluten.", weiter kam er nicht. Mit einem Schmerzensschrei, als wäre er dort, brach Eddy in meinen Armen zusammen. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich sogar selbst weinte, dennoch gab ich mir alle Mühe ihn irgendwie trösten. So fest ich konnte, umklammerte ich ihn, so als ob ich ihn in dem Moment aufgefangen hätte. Schweigend saßen wir dort, eng umschlungen, während Eddy vor sich hin schluchzte. Auch ich weinte. Zu erfahren, was mit seinem kleinen Bruder geschehen war, brach mir das Herz. Ich konnte und wollte mir nicht einmal vorstellen, wie es mir in der Situation ergangen wäre. Aber ich wusste, dass ich in diesem Augenblick nicht mehr tun konnte, als für Eddy da zu sein. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also schwieg ich.

Es machte keinen Sinn. Nichts was ich hätte sagen können, hätte es besser gemacht. Nichts konnte ihm in diesem Moment mehr helfen, als einfach seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen.

„Ich wollte hin und ihm helfen“, schluchzte er, „Ich wollte ihm hinterherspringen und ihn rausholen, aber jemand hat mich festgehalten. Ich habe um mich geschlagen und getreten, ich wollte zu ihm, aber sie haben mich nicht gelassen“, brachte er gepresst hervor, dann weinte er wieder.

„Es war meine Schuld! Ich hätte ihn niemals alleine gehen lassen dürfen. Es war meine Schuld, meine Schuld“, wiederholte er.

„Nein, war es nicht“, sprach ich beruhigend auf ihn ein. „Du konntest nichts dafür. Es ist weder deine Schuld, dass er auf das Eis gelaufen ist, noch, dass er eingebrochen ist. Es war ein Unfall. Niemand konnte etwas dafür!“, erklärte ich und versuchte ihn zu trösten. Er lag nur in meinen Armen und weinte.

Ihm war anzusehen, welche Schmerzen er die letzten Wochen und Monate gelitten haben musste. Er war am Boden zerstört und kraftlos. Sein Gesicht wirkte auf einmal eingefallen. Es musste unendliche Qualen für ihn bedeutet haben, damit zu leben. Ich war mir sicher, dass er diesen Schmerz tief in sich hineingefressen hatte und er jetzt das erste Mal wieder hervorkam.

Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und versuchte mich zu sammeln.

„Du musst dir selbst verzeihen, was damals passiert ist“, sagte ich ihm. „Niemanden trifft die Schuld daran, auch nicht dich. Du hast immer für deinen Bruder getan was du konntest. Wenn du ihm hinterhergesprungen wärst, wärest du jetzt wohl nicht hier. Denkst du er hätte das gewollt?“, fragte ich ihn.

„Verzeih dir selbst, ich bin mir sicher, Robin hat dir schon längst verziehen. Niemand kann ändern, was damals passiert ist. Lass nicht zu, dass der Schmerz dich auch noch zerstört.“

Eddy beruhigte sich langsam. Mit leiser Stimme sagte er:

„Ich kann nicht. Weder kann, noch will ich mir das verzeihen.“

„Du musst“, hielt ich dagegen. „Robin würde es so wollen. Er würde nicht wollen, dass du dein Leben damit zubringst um ihn zu trauern. Er wünscht sich, dass du lebst, und dass du trotzdem glücklich wirst. Sei nicht so hart zu dir, du bist auch nur ein Mensch.“

Eddy antwortete nicht. Er lag einfach nur still da und starrte ins Leere. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass es ihm besser ging. Ich glaubte, dass er das erste Mal objektiver über die Geschehnisse nachdachte, ohne sich die Schuld zu geben.

„Danke“, flüsterte er.

„Es kommt alles in Ordnung. Zusammen kriegen wir das hin“, versprach ich ihm.

Er zog plötzlich sein Handy hervor. Ich konnte nicht sehen, was er tat, bis er es mir irgendwann unter die Nase hielt. Nicht sicher was er von mir wollte, begann ich zu lesen:

„Die Nacht mit dir am Montag war sehr schön, ich wünschte, du wärst nicht so plötzlich abgehauen, wie dein Kumpel. Ich hätte gerne noch mehr Zeit mit dir verbracht. Melde dich doch mal, Maike“

Es dauerte einen Moment, bis ich die Worte und ihre Bedeutung begriff. Ich Idiot. Ich verfluchter Idiot.

Ich kam mir plötzlich so dumm vor. Ich wollte vor Schande am liebsten im Boden versinken.

Wie konnte man denn nur so doof sein?

„Warum?“, fragte ich ihn einfach nur. Ich war absolut fassungslos. Erst jetzt begriff ich, was für ein blödsinniges Arschloch ich in den letzten Tagen gewesen sein musste. Meine Anschuldigungen, meine Wut, mein Verhalten ihm gegenüber waren vollkommen ungerechtfertigt gewesen. Er hatte die ganze Zeit die Wahrheit gesagt.

„Ich wollte, dass du mir vertraust, unabhängig vom Rest der sms“, erklärte er. „Ich habe gemerkt, dass du nur den Anfang der sms gelesen hast und habe nicht lange gebraucht um deinen Schluss nachzuvollziehen. Ich hätte wohl das Gleiche gedacht.“

Ich schüttelte nur den Kopf, „Es tut mir so leid. Wieso hast du nichts gesagt? Du hättest mir doch einfach nur die sms zeigen müssen. Warum das alles?“, fragte ich ihn. Ich konnte immer noch nicht fassen, wie bescheuert ich mich aufgeführt hatte.

„Wie gesagt, du hast keine Ahnung, was du mir bedeutest. Bei dir habe ich mich das erste Mal seit Robins Tod wieder wohlgefühlt. In deinen Armen gelang es mir, seinen Tod zu vergessen und mir nicht die ganze Zeit Vorwürfe zu machen. Ich wusste, dass ich dich nur dazu bringen könnte mir richtig zu vertrauen, wenn ich dir zeige, wie wichtig du mir bist. Darum habe ich das alles gemacht.“

Ich war absolut sprachlos. Wie soll ich das je wieder gut machen?

„Ich war so ein Idiot“, brachte ich hervor.

„Nein, du warst menschlich. Ich hätte genauso reagiert, wirklich“, beruhigte er mich. Ich umarmte ihn und gemeinsam sanken wir zurück aufs Bett. Wir blieben einige Zeit so liegen, froh, dass zwischen uns wieder alles in Ordnung war.

Beim Frühstück wirkte Eddy schon um einiges erholter. Ich gab mir Mühe mir keine Vorwürfe wegen meines Verhaltens zu machen, schließlich hatte ich ihm dasselbe geraten. Ich war zuversichtlich, dass Eddy den Tod seines Bruders jetzt verarbeiten konnte. Er hatte mir noch erzählt, dass er vorher mit niemandem so darüber gesprochen hatte. Es würde seine Zeit brauchen, bis er sich selbst verzieh, doch ich war fest entschlossen ihn auf seinem Weg zu begleiten.

Zuvor gab es allerdings ein dringenderes Problem.

„Also, wie sollen wir das angehen?“, fragte ich ihn.

Er biss in sein Croissant und zuckte mit den Schultern.

„Ich habe keine Ahnung. Ich denke, es war schlicht zu früh dafür. Ich weiß, dass sie noch genauso mit seinem Tod zu kämpfen haben wie ich. Vielleicht hat dieses Geständnis ihr Bild von mir verändert. Wahrscheinlich kommen sie damit einfach noch nicht klar“, sagte er.

„Das ist ja schon mal ein Ansatz. Dann müssen wir ihnen nur zeigen, dass du immer noch derselbe bist“, antwortete ich, neue Hoffnung schöpfend.

„Wie sollen wir das anstellen? Ich bezweifle, dass es reicht hinzugehen, zu sagen ‚hey ich bin immer noch ich‘ und alles ist wieder gut.“

„Wohl kaum. Erst einmal sollten wir gar nichts sagen. Wenn sie heute nicht von alleine hier hinkommen und mit dir sprechen wollen, dann lassen wir sie. Geben wir ihnen ein bisschen Zeit die Information zu verarbeiten und uns die Möglichkeit einen Weg zu finden das wieder hinzubiegen.“

„Ok“, stimmte er mir zu.

Nach dem Frühstück beschlossen wir zur Bucht zu fahren und dort den Tag zu verbringen. Meine Eltern waren noch weg und das Auto da, also hinterließ ich ihnen einen Zettel. Glücklicherweise fehlte von Eddys Eltern jede Spur, ihr Van stand hingegen an Ort und Stelle. So konnten wir uns unbehelligt die Surfbretter nehmen.

Für den Rest des Tages ließen wir die Sorgen und Probleme hinter uns. Erleichtert, dass zwischen uns alles in Ordnung war, tobten wir durch das Wasser. Das Surfen klappte auch immer besser und so schafften wir es wirklich nicht an den zurückliegenden Stress zu denken, sondern einfach zu entspannen. Vor allem Eddy tat das gut.

Als wir am Abend zusammen im Sand lagen und uns in der Sonne bräunten, wirkte er deutlich erholter.

Erst als wir im Auto auf dem Weg zurück saßen, sprachen wir wieder über das Problem mit seinen Eltern:

„Ist dir etwas eingefallen?“, fragte er.

„Möglicherweise. Wir sollten gleich mal mit meinen Eltern sprechen. Vielleicht weiß mein Vater einen Rat, ihm scheint diese ‚schwuler Sohn‘ Geschichte bisher am wenigsten von allen auszumachen“, antwortete ich. Ich hoffte darauf, dass er uns helfen konnte. Ich wusste nämlich nicht, wie wir es sonst angehen sollten. Klar könnten wir einfach selber mit seinen Eltern reden, aber ob sie in der jetzigen Situation wirklich zuhören würden?

Wir hatten Glück. Als wir wieder am Wohnwagen ankamen, machte mein Vater sich gerade an unserem Grill zu schaffen. Er schaute uns überrascht an, wusste er doch, wie ich gestern noch über Eddy geredet hatte.

„Hi Dad“, begrüßte ich ihn.

„Hallo. Na, ist zwischen euch wieder alles in Ordnung?“, fragte er.

„Ja, wir haben das geregelt.“

„Freut mich. Esst ihr mit uns?“

„Gerne. Wir haben auch etwas mit euch zu besprechen“, warnte ich ihn vor.

„Also, worüber wollt ihr mit uns reden?“, fragte mein Vater, nachdem er das letzte Stück Bratwurst mit einem ordentlichen Schluck Bier heruntergespült hatte. Meine Mutter war den ganzen Abend recht still gewesen, sie schien noch immer mit sich selbst und meiner Offenbarung beschäftigt zu sein. Eddy schaute mich verlegen an, darum übernahm ich das Sprechen:

„Es gibt ein Problem mit seinen Eltern. Eddy hat ihnen gesagt, dass er schwul ist, da haben sie ihn rausgeworfen“, fasste ich das Wichtigste knapp zusammen.

„Uff“, schnaubte mein Vater, meine Mutter schwieg. „Das ist absolut nicht schön. Aber ich möchte sie ein wenig in Schutz nehmen, das ist eine ziemlich große Neuigkeit.“

„Warum?“, fragte ich ihn. „Ich verstehe nicht, wieso das für euch so schwer ist.“

„Ben, sieh es doch mal so“, es war meine Mutter, die jetzt das erste Mal das Wort ergriff. „Ihr wusstet schon einige Zeit, was mit euch los ist und ihr habt es sicher auch nicht von heute auf morgen so akzeptiert.“

„Nun, bei mir war es aber praktisch so“, hielt ich dagegen. Klar, hatte ich schon länger geahnt, dass an mir irgendetwas anders war, rausgefunden was denn wirklich los war, hatte ich ja auch erst vor wenigen Tagen. „Zumindest so in etwa“, fügte ich an.

„Selbst wenn du es erst vor kurzer Zeit gemerkt hast. Wie lange weißt du es schon Eddy?“, wandte sie sich ihm zu.

„Eine ganze Weile“, gab er zu.

„Seht ihr? Ihr hattet beide Zeit euch an den Gedanken zu gewöhnen und zu begreifen, was das für euch bedeutet. Dann geht ihr zu euren Eltern, die euch kennen, seit ihr auf der Welt seid, und erwartet von ihnen, dass sie diese Info mit einem Jubelschrei aufnehmen?“, sie schüttelte den Kopf. „So einfach ist das für uns auch nicht.“

Ich musste meiner Mutter recht geben. Daran hatte ich überhaupt nicht gedacht.

„Stimmt wohl“, sagte Eddy. „Ich weiß noch, welche Sorgen und Ängste ich hatte, als ich es mir selbst das erste Mal eingestanden hatte. Mir ist nicht in den Sinn gekommen, dass meine Eltern die gleichen Gedanken haben könnten. Trotzdem verstehe ich nicht, wie sie mich rauswerfen konnten.“

„Ich glaube, sie sind einfach überfordert“, meinte mein Vater. „Sie haben uns erzählt, was mit deinem Bruder passiert ist“, erklärte er weiter. Besorgt sah ich zu Eddy, aber er biss sich nur auf die Lippe und sagte nichts. Ich konnte ihm dennoch ansehen, wie er mit sich rang, um die Kontrolle zu behalten.

„Sie haben uns auch erzählt, wie froh sie sind dich zu haben. Aber dann nach so kurzer Zeit zu erfahren, dass ihr erster Sohn nicht der ist, den sie all die Jahre geglaubt gekannt zu haben? Das wäre für die meisten wohl zu viel. Deine Eltern lieben dich Eddy, da bin ich mir sicher. Du hättest mit dieser Info einfach noch eine Zeit warten sollen.“

„Ich weiß“, betreten nickte Eddy. Ich fühlte mich schuldig. Wäre ich nicht da gewesen und hätte ihn mit meiner dummen Eifersucht dazu getrieben es seinen Eltern zu sagen, dann gäbe es dieses Problem nicht.

„Aber ich habe es ihnen nun mal gesagt, was soll ich denn jetzt machen?“, fuhr Eddy fort. „Ich kann schlecht hierbleiben“, er wirkte vollkommen hilflos. Die zurückliegenden Tage hatten ihre Spuren hinterlassen.

„Keine Sorge, ich glaube nicht, dass sie dich hier lassen“, lachte mein Vater.

Mir kam eine Idee.

„Könnt ihr nicht mit ihnen reden?“, fragte ich. Ich sah die Ablehnung in den Augen meiner Mutter, aber sie sagte nichts. Mein Vater dachte nach.

„Ich meine, ihr habt es doch selber gerade erlebt, beziehungsweise erlebt es gerade, da ist es doch perfekt, wenn ihr mit ihnen sprecht“, erklärte ich hoffnungsvoll.

„Ich weiß nicht. Klar können wir am ehesten nachvollziehen, was ihnen durch den Kopf geht, aber ich bin mir nicht sicher, ob wir uns da einmischen sollten. Wir kennen deine Eltern noch nicht so gut, dass wir ihnen bei so etwas reinreden sollten“, gab mein Vater zu bedenken.

„Bitte, mit euch reden sie vermutlich lieber, als mit uns“, bat ich. Ich war fest davon überzeugt, dass ein Gespräch zwischen unseren Eltern eher von Erfolg gekrönt sein würde, als wenn Eddy und ich versuchten sie zu überzeugen.

Mein Vater geriet ins Wanken, das konnte ich sehen.

„Wir können es versuchen“, sagte meine Mutter schließlich. „Aber nur, wenn sie auch mit uns reden wollen. Es hat keinen Zweck sie noch mehr aufzubringen“, erklärte sie.

„Danke“, sagte Eddy erleichtert. „Es ist wirklich nett, dass ihr mir helfen wollt.“

„Ist schon ok“, antwortete mein Vater. „Heute ist es für so ein Gespräch aber eindeutig zu spät. Zumal ich deine Eltern den ganzen Tag noch nicht gesehen habe. Wir werden es morgen versuchen, unter der Voraussetzung, dass sie wollen.“

Eddy und ich waren froh über ihre Unterstützung.

Da es langsam dunkel wurde und die Mücken sich aus allen Ecken hervorwagten, räumten wir den Tisch ab und verzogen und in den Wohnwagen. Eddy und ich spielten noch eine Weile Karten mit meinen Eltern. Dabei bemerkte ich immer wieder, wie meine Mutter mich eindringlich ansah.

Ihre Erklärungen heute hatten mir gezeigt, dass sie im Moment ähnlich verunsichert war, wie ich. Ich nahm mir vor nicht zu hart mit ihr ins Gericht zu gehen und es ihr so leicht wie möglich zu machen, sich an diese neue Seite ihres Sohnes zu gewöhnen.

Irgendwann genügte es uns und wir zogen uns in mein Zimmer zurück. Wir wollten beide früher schlafen und hatten durchaus noch das ein oder andere miteinander vor in dieser Nacht.

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TEIL 28

Am nächsten Morgen wurden wir von aufmunternden Sonnenstrahlen begrüßt. Es war letzte Nacht noch recht spät geworden, als wir die körperliche Freude unserer Versöhnung ausgiebig auslebten.

Am Morgen begnügten wir uns damit, dicht aneinander gekuschelt die Gegenwart des anderen zu genießen. Nach langer Zeit der Stille sagte Eddy:

„Ich danke dir.“

„Wofür?“, fragte ich ihn.

„Dafür, dass du mich so unterstützt und mir hilfst wieder aus diesem Schlamassel rauszukommen.“

Ich winkte ab, „Du würdest dasselbe für mich tun.“

Tatsächlich realisierte ich immer mehr, wie froh ich sein konnte, dass er mich nicht einfach in den Wind geschossen hatte. Es war mir nach wie vor ein Rätsel, wie ich mich so von meinen Gefühlen leiten lassen konnte. Ich schätzte mich sehr glücklich ihm so viel zu bedeuten.

„Also, was machen wir heute?“, fragte er.

„Gute Frage.“

„Fangen wir anders an, wie steht’s um deine Hand?“

Ich warf einen skeptischen Blick auf den Verband.

„Es geht. Sie zwickt immer noch ein bisschen, aber ich glaube, insgesamt sieht das recht gut aus. Volleyball ist wohl nicht drin, alles andere sollte klappen.“

„Gut.“

Wir blieben eine ganze Weile liegen und überlegten uns, wie wir den Tag verbringen wollten. Zuerst war es wichtig, das Gespräch zwischen den Erwachsenen zu arrangieren. Geplant war, dieses bei einem gemeinsamen Abendessen zu führen. Bis dahin gab es einige Zeit zu überbrücken.

Wir entschlossen uns, den Tag nicht wieder in der Bucht zu verbringen. Heute wollten wir am normalen Strand bleiben und sehen, was es dort so an Aktivitäten gab.

„Morgen ihr Schlafmützen“, begrüßte mein Vater uns, als wir die Küche betraten.

„Morgen“, gaben wir zurück, da bemerkte ich seine ernste Miene. Bevor ich fragen konnte, was los war, sagte er:
„Wir haben deine Eltern eben gesehen. Wir mussten ihnen etwas zureden, aber sie haben am Ende zugesagt heute Abend hierher zu kommen und sich anzuhören, was wir zu sagen haben. Seid also spätestens um sechs wieder hier, was immer ihr vorhabt. Wir gehen heute an den Strand, das Auto steht euch also zur Verfügung“, erklärte er.

„Alles klar.“ Kurz darauf verließen meine Eltern den Wohnwagen und nicht lange danach gingen auch Eddy und ich.

Wir verlebten den Rest des Vormittags damit zu schwimmen und den umhertollenden Kindern auszuweichen. Am frühen Nachmittag mieteten wir uns ein Tretboot und schipperten ein bisschen auf die Adria raus. Wir fuhren so weit raus, dass wir einen abgeschiedenen Bereich für uns hatten. Außerhalb der unmittelbaren Sichtweite von anderen Booten. So konnten wir uns zumindest küssen, ohne argwöhnische Blicke zu riskieren. Die meiste Zeit lagen wir einfach nur in der Sonne. Wir hatten sogar eine Luftmatratze mit, die wir an das Tretboot banden, so konnte einer sich vom anderen über die Adria ziehen lassen. Es war ein ruhiger und entspannter Nachmittag, doch je später es wurde, desto angespannter wurden wir.
„Was, wenn sie mich immer noch nicht zurückwollen?“, fragte Eddy irgendwann. Er hatte schon eine ganze Weile nachdenklich neben mir gesessen, unsere Beine baumelten im Wasser, während das Boot von dem seichten Wellengang hoch und runter wippte.

„Mach dir keinen Kopf. Ich bin mir sicher, dass sie dich nachher dankbar wieder bei sich aufnehmen. Sobald sie mit meinen Eltern ins Gespräch kommen, können wir bestimmt ein paar ihrer Sorgen zerstreuen“, versuchte ich ihn zu beruhigen. Er wirkte jedoch nicht überzeugt.

Ich konnte seine Furcht gut nachvollziehen, da ich selbst Angst vor der Aussprache hatte. Eddys gesamte Familie hatte im letzten Jahr viel durchgemacht, dieser Streit belastete sie alle zusätzlich, und unnötig wie ich fand.

Es fiel mir schwer, ihre Reaktion zu verstehen. Gerade weil sie erst vor kurzem ihr Kind verloren hatten, sollten sie froh und dankbar sein, dass es ihrem zweiten Sohn gut ging. Wie konnten sie der Sexualität ihres Sohnes da so große Bedeutung beimessen?

Unsere Anspannung stieg irgendwann so weit an, dass wir es nicht mehr aushielten. Wir fuhren zurück zum Strand und machten uns auf den Heimweg, auch wenn noch Zeit blieb, bis seine Eltern kamen.

Um halb sechs standen wir fertig im Wohnwagen und warteten auf Eddys Eltern.

„Ich bin nervöser als vor meinem Outing“, gestand Eddy.

„Das wird schon“, versuchte ich, ihn zu beschwichtigen. Ich hoffte so sehr, dass wir es schafften die Probleme an diesem Abend aus der Welt zu schaffen und dann endlich der entspannte Teil des Urlaubs beginnen konnte.

„Jetzt hör auf hier rumzulaufen!“, meckerte mein Vater, als ich zum x-ten Mal im Wagen auf und ab ging. Er saß am Esstisch und versuchte Zeitung zu lesen.

„'Tschuldigung“, sagte ich und drehte eine weitere Runde.

„Meine Güte jetzt setzt dich schon hin. Sie werden gleich kommen und dann regeln wir das, kein Grund hier umherzustreifen wie ein hungriger Löwe“, fuhr er mich an.

„Jaja, ist ja schon gut“, sagte ich und ließ mich neben Eddy nieder. Der saß ebenfalls still und leise am Küchentisch, sein Blick ging seit einer Weile ins Leere. Ich konnte mir denken, welche Horrorszenarien durch seinen Kopf spukten. Die verbliebene Zeit bis sechs Uhr verging äußerst zäh, doch irgendwann hörten wir das erlösende Klopfen an der Tür. Mein Vater legte die Zeitung beiseite, meine Mutter öffnete.

„Hallo, kommt herein“, begrüßte sie die zwei freundlich. Eddys Eltern blickten düster drein. Als sie eintraten, warfen sie Eddy einen vernichtenden Blick zu. Es sah gar nicht gut aus.

„Hallo Mama, hi Dad“, sagte Eddy betreten.

„Also, was gibt es zu besprechen?“, fragte seine Mutter eisig.

„Bitte setzt euch doch erst einmal. Darf ich euch etwas zu trinken bringen?“, versuchte mein Vater die Spannung zu lockern.

Während er uns alle mit Getränken versorgte, blieb es vollkommen still. Niemand sagte ein Wort, allen war die Anspannung deutlich anzumerken. Eddy fühlte sich besonders unwohl. Er hatte seine Eltern wahrscheinlich noch nie so kaltherzig ihm gegenüber erlebt. Es war kein schöner Anblick.

Mein Vater stellte seine Bierflasche vor sich ab und setzte sich zu uns. Er war es, der die unangenehme Stille durchbrach:

„Die Jungs haben uns von der Situation erzählt. Wir haben Eddy hier bei uns aufgenommen, nachdem es den Streit zwischen euch gegeben hat, aber so kann es offensichtlich nicht weitergehen. Wir hoffen einfach, dass wir mit diesem Gespräch ein paar Sorgen und Vorurteile ausräumen können“, erklärte er vorsichtig.

„Ich denke nicht, dass euch das etwas angeht. Das ist eine Angelegenheit zwischen ihm und uns. Zumal wir euch erst seit ein paar Tagen kennen“, hielt Eddys Mutter dagegen.

„Das stimmt. Aber da Eddy uns nun einmal um Hilfe gebeten hat, sehen wir es als nötig an uns einzumischen. Die Tatsache, dass wir in diesem Urlaub selbst erst erfahren haben, dass Ben schwul ist, könnte das Ganze einfacher machen.“

„Wir haben schon gehört, dass es Ben war, der damit angefangen hat. Ohne ihn wäre Eddy vermutlich nie auf solche bescheuerten Ideen gekommen. Bisher war er immer ein guter Junge, aber dann kommt euer Sohn und verdirbt ihn völlig“, Eddys Vater sprach, als würde er Gift und Galle spucken. Nach den ersten Tagen hätte ich ihn niemals als so böse eingeschätzt. Er hatte auf mich so einen freundlichen und aufgeschlossenen Eindruck gemacht.

„Das ist doch vollkommener Schwachsinn“, brach es aus Eddy heraus. „Ich hatte vor Ben schon einmal einen Freund. Außerdem weiß ich schon seit ich 13 bin, dass ich bisexuell bin. Also gebt Ben nicht die Schuld an eurer Engstirnigkeit!“, Eddy war wütend.

„Hey, wir sind nicht hier, um uns gegenseitig anzumeckern und oder Schuldzuweisungen zu machen!“, versuchte mein Vater zu beschwichtigen.

„Soso, engstirnig sind wir also. Woher willst du denn überhaupt wissen, dass du so bist? Du hattest doch noch nie eine richtige Freundin, Sarah will ich mal nicht zählen. Warum probierst du nicht erst einmal, wie es mit einem Mädchen wirklich ist, bevor du dich für die falsche Seite entscheidest?“, fragte seine Mutter.

Ich konnte es nicht fassen. Eddys Eltern sprachen nur in Vorurteilen. Ich hatte erwartet, dass sie irgendwelche vernünftigen Ängste und Sorgen hatten und deswegen solche Probleme mit Eddys Orientierung, aber es war schlichtes Unwissen.

„Es ist keine Entscheidung!“, stellte ich richtig. Wenn ich etwas bei meinen Recherchen im Internet gelernt hatte, dann das. „Man entscheidet sich nicht, schwul oder hetero zu sein, man ist es einfach. Man wird so geboren.“

„Das ist doch Quatsch! Selbst wenn das stimmen sollte, Eddy hat sich doch eben als bisexuell bezeichnet, insofern steht er also auf beides. Folglich entscheidet er sich offensichtlich für etwas“, hielt seine Mutter dagegen. Ein guter Punkt, das musste ich zugeben. Ich wusste nicht, was ich drauf erwidern sollte, aber das brauchte ich auch nicht, denn Eddy kam mir zuvor:

„Ich habe mich für Ben entschieden, weil ich ihn liebe! Nur deshalb.“

„Jetzt übertreib mal nicht! Ihr kennt euch knapp eine Woche, da brauchst du nicht von Liebe zu sprechen“, winkte Eddys Vater ab.

„Gut, dann nennt es halt nicht Liebe. Tatsache ist, dass ich mich das erste Mal seit Monaten wieder lebendig fühle. Ich denke, das habe auch ich mir verdient, nach allem, was passiert ist. Ben war es, der das in mir geschafft hat, ihr solltet ihm dafür dankbar sein.“

„Ts“, mehr sagte Eddys Mutter da nicht zu. Nach einem Moment des Schweigens fuhr mein Vater fort:

„Ich denke, es ist wichtig zu verstehen, dass Eddy immer noch derselbe ist. Er der gleiche Junge wie vor wenigen Tagen, als ihr noch nichts davon wusstest. Genauso, wie Ben noch immer unser Sohn ist. Was hat sich denn schon groß durch diese Information verändert? Die zwei scheinen doch glücklich zusammen zu sein, was gibt es daran auszusetzen?“, fragte er und schaute Eddys Eltern erwartungsvoll an. Für einen Moment glaubte ich, er hätte sie.

„Was daran auszusetzen ist? Eine ganze Menge. Es ist falsch! Ist ja schön, dass ihr eurem Sohn das so einfach durchgehen lassen wollt, aber wir tun das nicht. Wenn ich nur daran denke, was die Leute sagen werden. Nein, keinesfalls. Wir bringen dich wieder auf den richtigen Weg. Es gibt sicher Menschen, die dir helfen können.“

Das war zu viel für Eddy. Ich sah, wie die Tränen in ihm hochstiegen. Er gab sich große Mühe sie zu verbergen, aber alle konnte er nicht zurückhalten. Ich konnte nicht glauben, dass seine Eltern auch nur darüber nachdachten ihn umpolen zu wollen.

„Das geht eindeutig zu weit!“, fuhr meine Mutter dazwischen. „Es gibt keinen Grund nach Leuten zu suchen, die ihm ‚helfen können‘. Es ist nichts verkehrt mit ihm. Ich gebe zu, die Neuigkeit, dass Ben schwul ist, hat mich ebenso vom Hocker gehauen wie euch, aber deswegen würde ich ihn doch niemals verstoßen. Sicher, es ist schade, dass wir so wohl keine Enkelkinder zu erwarten haben und auch sonst hatte ich die Vorstellung, die jede Mutter von der Zukunft ihres Nachwuchses hat: glücklich verheiratet, mit einem Haus und ein paar Kindern. Doch wenn das nicht der Weg ist, den mein Kind gehen möchte, so werde ich ihn nicht dazu zwingen.“ Sie schien einen Moment zu überlegen, was sie sagen sollte, dann fuhr sie in sanfteren Tonfall fort:
„Ich weiß, dass der Schmerz bei euch allen noch tief sitzt. Ich kann es mir nicht vorstellen, wie schlimm es ist ein Kind zu verlieren. Aber gerade, weil wir immer nur eins hatten, liegt uns sein Glück umso mehr am Herzen. Riskiert nicht das Verhältnis zu eurem Sohn wegen dieser Kleinigkeit. Ich bin sicher, dass ihr mit der Zeit erkennen werdet, dass es überhaupt nicht schlimm ist.“

Eddys Eltern schwiegen. Die Anspielung auf Robins Tod löste bei ihnen die gleiche Reaktion aus, wie bei Eddy: Sie wirkten plötzlich in sich gekehrt und waren völlig mit ihren Gefühlen beschäftigt. Ich drückte Eddys Hand unter dem Tisch und sprach ihm so meine Unterstützung aus. Dankbar sah er mich an. Seine Eltern schwiegen noch immer. Hatten sie es jetzt verstanden?

Eine Antwort bekam ich nicht. Wortlos standen sie auf und wandten sich zum Gehen. Ich wollte protestieren, aber meine Mutter bedeutete mir, es zu lassen. Als sie schon fast zur Tür heraus waren, rief Eddy ihnen hinterher:

„Bitte, ich liebe euch und ich brauche euch“, Tränen rollten seine Wangen herunter und ich schloss ihn fest in die Arme. Sein Vater drehte sich noch einmal um. Wir warteten alle darauf, dass er etwas sagte, doch nach einem langen Blick auf Eddy ging er. Eine einzelne Träne auf der Wange gab Aufschluss über seine Gefühlswelt.

Er schloss die Tür hinter sich und ließ uns vollkommen ahnungslos zurück. Es gab keinen Aufschluss, ob sie Eddy verziehen hatten oder nicht.

Einen solchen Ausgang des Gesprächs hatten wir uns nicht erhofft.

„Und jetzt?“, fragte ich ratlos.

Mein Vater zuckte mit den Schultern:

„Warten wir ab. Ich kann auch nicht sagen, was das bedeuten sollte. Ich hoffe, dass sie über unsere Worte nachdenken und ihre Meinung ändern.“

„Ich soll einfach rumsitzen und abwarten?“, fragte Eddy.

„Wir sind hier im Urlaub. Versuch die Zeit noch zu genießen und mach dir keine großen Sorgen um deine Eltern, die kriegen sich schon wieder ein, da bin ich sicher. Heute Nacht bleibst du auf jeden Fall noch hier, morgen werden wir wissen, wie sie das Gespräch aufgenommen haben. Vielleicht wehren sie sich noch dagegen, aber sie werden erkennen, dass wir mit unseren Worten recht hatten. Du bist und bleibst ihr Sohn“, ermutigte mein Vater ihn. Er nickte betreten.

„Komm, wir gehen ein Eis essen. Mein Vater hat recht, wir sollten die restliche Zeit genießen“, schlug ich vor. Nach kurzem Zögern willigte Eddy ein.

Wir schlenderten gemeinsam über den Campingplatz zur Eisdiele an der Promenade und spazierten danach am Strand entlang.

Wir redeten über alles Mögliche, ich bemühte mich Eddys Laune aufzubessern. Es gelang mir teilweise, seine Miene hellte sich nach und nach auf. Er wirkte etwas zuversichtlicher, seit er mir vom Tod seines Bruders erzählt hatte. Die Zeit verging wie im Flug, der Tag neigte sich dem Ende entgegen.

Als die Sonne langsam unterging, setzten wir uns vorne auf einen der steinernen Wellenbrecher und ließen unsere Blicke über die Adria streifen. Es herrschte eine gemütliche, harmonische Atmosphäre. Das Meer wog seicht hin und her. Kleine Wellen klatschten gegen die Steine, von Zeit zu Zeit spritzte das Wasser zu uns hoch. Die rote Sonne glitzerte auf der Wasseroberfläche und ließ uns den Stress der letzten Tage vergessen.

Wie viel war in diesem kurzen Urlaub geschehen. Alles war so furchtbar schnell gegangen, dass ich es kaum richtig begreifen konnte. Glücklicherweise waren diese Ferien letzten Endes alles andere als langweilig geworden.

„Du denkst oft an ihn, oder?“, fragte ich Eddy vorsichtig, als ich seinen gedankenverlorenen Blick auf das Meer bemerkte.

Er nickte.

„Erzähl mir von ihm“, bat ich ihn. Eddy sammelte sich einen Moment.

„Er war ein toller Junge. Er liebte es, Fußball zu spielen. Im Sommer musste ich jeden Nachmittag mit ihm auf den Bolzplatz fahren. Egal bei welchem Wetter. Er konnte davon einfach nicht genug bekommen. Klar, hin und wieder hat mich das genervt, aber ich hatte immer viel Spaß daran. Meine Freunde haben sich ziemlich schnell daran gewöhnt, dass er nachmittags regelmäßig dabei war, egal was wir gemacht haben. Auch als ich noch jünger war, hatte ich stets den Auftrag auf ihn aufzupassen. Meine Eltern mussten viel Arbeiten, darum war es oft an mir ihn vom Schulbus abzuholen und ihn im Auge zu haben. Wenn er nicht gerade von sich aus zu einem seiner Kumpels ging, dann verbrachte er den Tag mit mir und meinen Freunden.“ Interessiert hörte ich zu, wie Eddy mir Geschichte um Geschichte von Robin erzählte. Es war ihm anzumerken, wie nach und nach die Last von seinen Schultern verschwand. So lange hatte er mit niemandem darüber geredet. Es musste schrecklich für ihn gewesen sein. Er hatte so viele schöne Erinnerungen an seinen Bruder, die jedoch alle von dieser einen Schlimmen verdrängt worden waren.

Hin und wieder konnte ich sehen, dass er mit sich rang, aber er fing sich immer wieder. Es tat ihm gut, das alles zu erzählen und die Erinnerungen zu teilen. Ich brauchte nichts sagen. Ich saß einfach nur da, hörte ihm zu und freute mich, ihm so helfen zu können.

Ich erfuhr, dass seine beste Freundin ihm die Kette mit der Hundemarke kurz nach Robins Beerdigung geschenkt hatte. Damit er sich immer an ihn erinnerte.

„Ich habe meine Freunde in den letzten Monaten ziemlich vernachlässigt“, stellte er schließlich fest. „Sie haben die ganze Zeit versucht mir zu helfen, sie wollten mich aufmuntern und redeten auf mich ein, aber sie konnten nicht zu mir durchdringen. Ich war so sehr in meiner eigenen Welt gefangen, dass ich ihnen keine Beachtung schenkte. Ich denke es gibt einige Leute, bei denen ich mich entschuldigen muss, wenn wir wiederkommen.“

„Mach dir keinen Kopf. Ich bin mir sicher, sie haben volles Verständnis dafür“, munterte ich ihn auf.

Wir blieben noch lange auf dem Wellenbrecher sitzen. Erst als es wirklich dunkel wurde, machten wir uns auf den Weg zurück. Es war ein schöner Abend gewesen und ich hatte vieles über Robin erfahren. Mir war jetzt klar, wie sehr Eddy seinen kleinen Bruder geliebt hatte und warum dessen Tod ihn so heftig mitgenommen hatte. Ich fand es schon fast beachtlich, dass er an dem Schmerz nicht zerbrochen war. Ich wüsste nicht, wie ich in derselben Situation reagiert hätte. Allein die Vorstellung jemanden zu verlieren, der mir so viel bedeutete, bereitete mir Bauschmerzen. Ich verwarf den Gedanken schnell wieder, ich wollte die gute Stimmung des Abends nicht durch wirre Gedankenspiele verderben.

Ich genoss einfach unsere Zweisamkeit und das Vertrauen, dass zwischen uns beiden entstanden war. Wenn seine Eltern sich noch wieder einkriegen würden, wäre das Happy End für diesen Urlaub perfekt. Das sollte an diesem Abend jedoch nicht mehr geklärt werden.

TEIL 29

Der nächste Morgen begann ähnlich dem vorigen. Wir schliefen lange, blieben einige Zeit kuschelnd im Bett und frühstückten anschließend spät. Wir überlegten eine Weile, wie wir den Tag verbringen wollten und beschlossen am Ende einfach noch einmal zur Bucht zur fahren. Eddys Eltern waren nicht da, darum mussten wir uns gedulden, bis wir zu einem weiteren Gespräch mit ihnen kamen. Meine Eltern überließen uns freundlicherweise ihr Auto und fuhren mit einem Taxi in den Nachbarort, den sie besichtigen wollten.

Als wir den Ausgang des Campingplatzes erreichten, bedeutete Eddy mir anzuhalten:

„Warte, wir sollten etwas zu trinken einkaufen. Wir haben nur noch eine Flasche Apfelschorle.“ Wir stellten das Auto ab und gingen kurz in den Supermarkt. Während wir durch den Getränkegang stöberten, stießen wir auf jemanden, den ich fast schon vergessen hatte.

„Ben?!“, hörte ich eine Mädchenstimme hinter mir.

Überrascht drehte ich mich um. Als ich das Mädchen mit dem feuerroten Haar erblickte, dämmerte es wieder bei mir.
„Hi Caro“, sagte ich, immer noch etwas verdutzt. Die Begegnung mit ihr hatte ich ebenso vergessen, wie meine Zusage, mal bei ihr vorbei zu schauen.

Eddy schaute mich fragend an. Ich hatte ihm gar nichts von ihr erzählt.

„Eddy, das ist Caro, Caro das ist Eddy. Wir haben uns einmal zufällig in einem Restaurant kennengelernt“, erklärte ich schnell.

„Du hattest doch gesagt, dass du mal vorbeischaust“, erinnerte sie mich ohne Vorwurf in der Stimme.

"Ja … ", antwortete ich verlegen. „Wollte ich auch, mir ist nur dein Stellplatz entfallen…“, sagte ich nicht ganz ehrlich. Klar hatte ich auch den verschwitzt, aber vor allem hatte ich sie völlig vergessen.

„Ach so, das ist blöd. Wenn ihr zwei mögt, meine Freunde und ich wollten heute Abend eine kleine Party feiern. Erst ein bisschen bei uns und danach ziehen wir wahrscheinlich noch in eine Disco. Solltet ihr Lust haben, kommt doch vorbei. Für die Verpflegung ist auf jeden Fall gesorgt“, erklärte sie mit einem schelmischen Lächeln und hielt eine von den Schnapsflaschen hoch, die sie offensichtlich gerade einkaufte.

Ich guckte Eddy kurz fragend an, der nickte nur.

„Klar, warum nicht“, antwortete ich.

„Super. So ab acht Uhr könnt ihr vorbeikommen. Unser Stellplatz ist: Block C, 1324. Ich hoffe, du behältst das bis heute Abend“, meinte sie augenzwinkernd.

„Sicher, diesmal habe ich ja eine Gedächtnisstütze“, erklärte ich und deutete auf Eddy.

„Also dann, bis nachher“, mit einem Lächeln ging sie.

„Wann hast du die denn kennengelernt?“, fragte Eddy, als wir wieder im Auto saßen.

Auf dem Weg zur Bucht berichtete ich ihm von der Begegnung und dem Gespräch. Ich erzählte ihm sogar davon, wie sie es geschafft hatte mich bezüglich meiner Sexualität noch einmal zu verunsichern. Als er das hörte, lachte er nur wissend:

„Kein Wunder, die hat sich dir ja eben schon an den Hals geworfen und so, wie die hier rumläuft, ist die sich ihrer Wirkung auf Kerle auch bewusst.“ Da musste ich ihm Recht geben. Bereits bei unserer letzten Begegnung war sie reichlich knapp bekleidet gewesen. Gerade hatte sich wieder nur eine Minijeans und ein Bikini-Top getragen.

„Tja, jetzt schafft sie es aber nicht mehr, mich auch nur im Geringsten zu verunsichern“, sagte ich. „Wenn sich hier einer Sorgen machen sollte, bin das wohl ich“, fügte ich neckisch hinzu.

„Ja, absolut“, erwiderte er ironisch. Gut gelaunt erreichten wir die Bucht.

An diesem Tag zeigte ich, dass sich die Übung ausgezahlt hatte. Ich hielt mich sicher auf dem Surfbrett und es gelang mir einige Male, Eddy den Rang abzulaufen. Es machte unbeschreiblich viel Spaß.

„Zu schade, dass der Urlaub bald vorbei ist“, sagte ich, als wir am Strand saßen und uns ausruhten.

„Ja, das stimmt“, antwortete er, dann schwiegen wir. Wir stellten uns beide die gleiche Frage: Was dann?

„Hey, wir lassen uns jetzt nicht die Stimmung versauen!“, forderte er mich auf, als er meine bedrückte Miene bemerkte. Er schaute mir eindringlich in die Augen.

„Wir finden schon einen Weg“, erklärte er und küsste mich innig. Sofort warf ich sämtliche Sorgen über Bord. Ich erwiderte den Kuss, während meine Gefühlswelt einmal mehr ein Feuerwerk abbrannte. Es war so ein unbeschreibliches Gefühl, das ich bei jedem Kuss wieder erleben durfte. Er drückte mich zurück in den warmen Sand, mich unablässig küssend. Irgendwann wanderte er meinen Hals herab. Mit jeder Berührung steigerte sich meine Erregung. Die Brust, den Bauch, den Bauchnabel, bis er schließlich an meiner Badehose angelangt war. Schelmisch grinste er mich an:

„Die brauchst du jetzt nicht mehr.“

Wir liebten uns ausgiebig am Strand, die Abgeschiedenheit, die uns die Bucht bescherte dankbar ausnutzend.

Nach dem Liebesspiel vertrieben wir uns noch den Rest des Nachmittages in der Bucht. Am frühen Abend wurde es Zeit sich auf den Rückweg zu machen. Wir aßen, duschten und machten uns fertig, um zu Cora auf die Party zu gehen.

„Wo wollt ihr denn drauf los?“, erkundigte sich mein Vater, als meine Eltern zurückkamen.

Ich erzählte ihm von der Begegnung.

„Habt ihr Eddys Eltern schon wieder irgendwo gesehen?“, fragte ich. Als wir zurückgekommen waren, lag ihr Wohnwagen verlassen da.

Mein Vater schüttelte den Kopf:

„Nein, die sind uns heute noch nicht über den Weg gelaufen.“

Ich zuckte mit den Schultern: „Wir können es nicht ändern. Ich hoffe, dass wir sie morgen treffen und sich dann alles wieder aufklärt.“

Eddy sagte nichts. Die Sache mit seinen Eltern bedrückte ihn sehr. Ich war mir sicher, dass er sie inzwischen auch vermisste. Es war nicht schön, während des eigentlich gemeinsamen Urlaubs so die kalte Schulter gezeigt zu bekommen.

„Na komm, wir müssen los“, lenkte ich ab. Es war schon halb neun.

Wir wanderten durch die Gassen des Campingplatzes, bis wir schließlich an dem Stellplatz ankamen, den uns Caro gegeben hatte. In diesem Bereich standen keine Wohnwagen mehr, sondern nur noch Zelte, und zwar in allen Variationen. Es gab sowohl kleine Ein- bis Zweimann Zelte, die auf den großen Stellplätzen etwas verloren aussahen, als auch geräumige Gruppenzelte und Zeltgemeinschaften. Ebensolches war auch auf dem Stellplatz errichtet, den Caro uns genannt hatte. Vier Zelte standen in einem Halbkreis um eine Feuerstelle herum. Gegenüber waren zwei Pavillons aufgestellt. Die Party war schon in vollem Gange. In den Pavillons war eine lange Tischreihe aufgebaut, auf denen ein altmodischer Ghettoblaster stand und die Umgebung mit lauter Chartmusik beschallte. Die Tische waren außerdem reich mit Flaschen alkoholhaltiger Getränke gefüllt, sogar ein kleines Büffet mit Knabberzeug und Fingerfood war vorbereitet worden. Wir versuchten Caro unter den Gästen auszumachen, aber sie kam uns zuvor.

„Hey, da seid ihr ja!“, freudig lächelnd kam sie auf uns zu.

„Hi, danke für die Einladung. Ist ja schon ordentlich was los. Sind das alles deine Freunde, mit denen du hier bist?“, fragte ich.

Sie lachte: „Nein. Nur ein paar davon. Den Rest haben wir hier so getroffen. Die meisten hausen in den Zelten um uns herum, einige kommen auch von anderen Campingplätzen.“

Gemeinsam gingen wir zum Büffet.

„Möchtet ihr was trinken?“, fragte sie. „Wir haben Bier, Cocktails, Schnaps und noch ein paar andere Sachen“, zählte sie auf.

„Bier reicht erst einmal“, antwortete ich und zapfte für Eddy und mich eins aus dem kleinen fünf Liter Fass, das auf dem Tisch stand.

„Woher kennt ihr euch überhaupt?“, fragte sie.

„Wir wohnen direkt nebeneinander. Haben uns ziemlich schnell angefreundet, ist nicht so klasse, nur mit den Eltern hier zu sein“, erklärte ich.

„Gott, ich weiß. Letztes Jahr haben meine mich auch noch gezwungen, aber dieses Mal bin ich einfach mit meinen Freunden losgezogen. Warum haben die euch denn mitgeschleppt?“, fragte sie.

Ich erzählte ihr die Geschichte, dass meine Eltern der Meinung waren, dass es das letzte Mal sei und so.

„Und bei dir?“, wandte sie sich an Eddy.

Er war erst einen Moment unsicher, was er sagen sollte, aber dann entschied er sich für die einfache Variante.

„War bei mir genauso.“

„Das stinkt“, sagte sie.

Ich zuckte mit den Schultern:

„Es war am Ende nicht so schlimm wie gedacht. Und jetzt ist die Zeit ja eh fast rum.“

„Und wo kommt ihr her?“, setzte sie neugierig das Verhör fort, während sie sich eine Tomate vom Büffet in den Mund schob.

Eine Frage, die ich Eddy in der ganzen Zeit noch nicht gestellt hatte. Eddy antwortete zuerst:

„Aus einem Ort ein bisschen außerhalb von Düsseldorf. Ich könnte dir den Namen sagen, aber das Kaff kennt eh kein Mensch“, er lachte. Innerlich freute ich mich über die Antwort. Düsseldorf! Das ist gar nicht so weit weg. Mit der Bahn sollte das maximal eine Stunde sein! Bisher hatte ich jeden Gedanken an die Zeit nach dem Urlaub unterdrückt, weil ich gefürchtet hatte, dass es überhaupt keine Chance für Eddy und mich gab. Jetzt hatte ich neue Hoffnung.

„Düsseldorf also. Da wohnen wir gar nicht so weit auseinander“, sagte ich. „Ich komme aus Cronenberg, das ist in der Nähe von Wuppertal.“ Überrascht sah Eddy mich an. Ihm schien das gleiche Licht aufgegangen zu sein wie mir kurz vorher.

„Pf, das ist ja eine völlig andere Richtung“, sagte Caro. „Ich bin aus Rostock, also wirklich 'ne ganz andere Ecke.“

Caro hatte noch viele Fragen auf Lager. Sie war sehr neugierig, fragte nach alten Freundinnen und allem erdenklichen privaten Kram. Wir verschwiegen natürlich, dass wir ein Paar waren. Keiner von uns war scharf darauf, sich an diesem Abend noch Gedanken über mögliche Reaktionen zu machen. Im Umkehrschluss bedeutete das jedoch, das Caro uns für Single hielt, weshalb sie noch ausgiebiger mit uns flirtete. Sie schmiss sich an uns beide ran, je größer ihr Alkoholpegel wurde, desto offensichtlicher wurden ihre Versuche. Irgendwann fingen Eddy und ich an daraus ein Spiel zu machen. Wir lehnten sie nicht mehr ab, auch wenn sie überhaupt keine realistische Chance hatte, doch viel mehr taten wir so, als kämpften wir um ihre Gunst.

Die Zeit verging an diesem Abend wie im Flug. Eddy und ich machten genau das, was wir uns vorgenommen hatten: Wir amüsierten uns, prächtig. Wir lernten einige von Coras Freunden kennen. Sie waren mir zwar nicht wirklich sympathisch, aber es reichte, um mit ihnen Trinkspiele zu spielen. Je dunkler es wurde, desto lauter wurde die Musik aufgedreht. So kam es mir zumindest vor. Wir tanzten, tranken und feierten ausgelassen.

Um ein Uhr bekam die allgemeine Laune jedoch einen gehörigen Dämpfer. Ein Angstelter des Parks kam vorbei und zwang uns die Musik auszumachen. Zu viele Leute hatten sich beschwert.

Die Stimmung war bedrückt. Alle sammelten sich um das Feuer, was in der Mitte der Zelte entzündet worden war. Keiner wusste so recht, wie die Party noch weitergehen sollte. Unzufriedenheit machte sich breit.

„Dann machen wir halt unsere eigene Musik.“, rief Caro lallend durch die Meute. Sie hatte den ganzen Abend ohne Unterlass getrunken. Alle wandten sich zu ihr. Sie stand vor ihrem Zelt und hielt eine Gitarre in der Hand.

Sie deutete auf Eddy: „Du hast doch eben erzählt, dass du Musik machst. Also spiel mal was!“ Eddy schien seine Worte mehr als zu bereuen.

„Ich ähm…“, stammelte er. „Ich habe schon lange nicht mehr gespielt. Das ist keine gute Idee, denke ich“, wehrte er verlegen ab.

„Ach komm. Auf jeden Fall besser als gar keine Mucke.“, rief ein Typ, mit dem wir uns irgendwann im Laufe des Abends unterhalten hatten. Sein Name war mir schon wieder entfallen. Eddy wollte erneut ablehnen, aber jetzt ruhten alle Augen auf ihm.

„Na gut“, sagte er. Er nahm Caro die Gitarre aus der Hand und ließ sich am Feuer nieder. Ich setzte mich direkt neben ihn. Ich war gespannt etwas von ihm zu hören.

Er nestelte einen Moment an dem Instrument herum und ließ es so aussehen, als würde er es stimmen. Sein Blick verriet mir, dass er nur Mut sammelte. Ich wusste nicht, ob er jemals vor so vielen Leuten gespielt hatte.

Für einen Augenblick wähnte ich mich in einem amerikanischen Teenie-Film mit Strandpartys, Lagerfeuer und einem Typ, der Gitarre spielt und sing. Die Vorstellung gefiel mir.

Es wurde vollkommen still. Alle warteten gespannt darauf, dass Eddy begann. Er nahm noch einen Schluck aus seinem Glas, dann sang er.

Und wie er sang.

Wir alle hielten erstaunt den Atem an. Eddys Stimme war so gefühlvoll und voller Emotionen, dass ich Gänsehaut bekam. Er coverte einen etwas älteren Chartsong, eine getragene Ballade. Ich kannte den Song, aber Eddys Interpretation gefiel mir viel besser als das Original.

Alle in der Nähe blieben still. Sämtliche Gespräche verstummten, jeder lauschte gebannt seiner Stimme. Ich kam nicht umhin ihn bewundernd anzusehen. Er hatte mir ja erzählt, dass er gerne Musik machte und damit auch später sein Geld verdienen wolle, aber ich hatte im Leben nicht damit gerechnet, dass er so gut war. Eddy hielt während des gesamten Liedes die Augen geschlossen. Er war vollkommen in seiner eigenen Welt.

Nachdem das Lied zu Ende war, gab es von allen nur anerkennendes Klatschen. Eddy sah einen Moment gerührt in die Runde, dann machte er sofort weiter. Ich sah ihm an, wie viel Spaß er hatte und wie wohl er sich beim Singen fühlte.

Er sang Lied um Lied. Mal etwas Ruhiges, dann auch schnellere, rockigere Songs. Die meisten waren Cover von Chart-Liedern, aber ein paar Lieder kannte ich nicht. Ich fragte mich, ob das seine eigenen Schöpfungen waren.

Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis Eddy die Gitarre wieder beiseite legte. Obwohl sich nach der anfänglichen Begeisterung die Gruppe wieder etwas zerstreut hatte, gab es von allen langen Applaus.

„Danke“, sagte Eddy nur verlegen und stahl sich in Richtung Pavillons davon. Ich folgte ihm.

„Das war unglaublich schön“, sagte ich, während er sich etwas zu trinken nahm.

„Es hat mir auch viel Spaß gemacht“, antwortete er. „Ich habe nicht mehr gesungen und Gitarre gespielt, seit Robin gestorben ist. Ich hatte nicht geglaubt, dass ich es überhaupt noch kann. Und jetzt habe ich das Gefühl, dass ich noch deutlich besser geworden bin.“

Ich zuckte mit den Schultern:

„Ich bin zwar nur ein Laie, aber dass du Talent hast, dafür verbürge ich mich“, erklärte ich.

Er schaute mich dankbar an.
„Ich fühle mich geschmeichelt, doch ich behaupte mal, dass du nicht zählst. Ich glaube, du kannst das im Moment gar nicht objektiv bewerten“, meinte er mit einem frechen Grinsen.

„Pf“, versetzte ich gespielt beleidigt. „Ich vielleicht nicht, aber dem Rest hat es ebenso gut gefallen und für die gibt es keinen Grund nicht unbefangen zu sein!“, gab ich zurück.

„Also das war wirklich gaaaanz große Klasse!“, Caro torkelte heran und fiel Eddy um den Hals.

„Danke“, antwortete er und schob sie sachte von sich.

„Wie wäre es“, hörte ich nur, den Rest flüsterte sie Eddy ins Ohr. Ich sah ihn nur fragend an.

Sein Blick wurde verlegen, bei dem, was sie sagte. Ich hatte da eine Ahnung, was sie ihm gerade vorschlug. Es war sehr beruhigend zu spüren, dass ich nicht eine Sekunde an Eddy zweifelte.

„Sorry, aber ich verzichte darauf“, wehrte Eddy den Vorschlag ab und schob sie endgültig von sich.

„Wieso?“, fragte sie empört. „Findest du mich nicht scharf? Mache ich dich nicht an?“, rief sie. Es gab einige, die sie jetzt fragend ansahen. Caro war sichtlich betrunken und sich nicht mehr bewusst, dass sie sich gerade selbst lächerlich machte.

„Caro, du solltest dich hinlegen“, versuchte ich, sie zu beruhigen.

„Ich will mich nicht entspannen. Ich will mit dir in die Kiste Eddy. Nun komm schon!“, lallte sie weiter.

„Caro, ich gehe nicht mit dir ins Bett. Lass es gut sein. Es gibt schon jemanden, mit dem ich zusammen bin“, entschuldigend sah er mich an, als sie sich ihm wieder an den Hals warf.

Caro bemerkte seinen Blick. Sie blieb einen Moment stehen und schaute zwischen uns hin und her.

Oh oh. Ich bekam eine böse Vorahnung.

„Warte mal…“, sagte sie. Eddys Blick war zu offensichtlich gewesen. Es dauerte nur einen Moment, bis ihr betrunkener Verstand begriff, was einigen Umstehenden schon klar geworden sein musste.

„Ihr zwei“, sagte sie. „Ihr seid Schwuchteln!“, schrie sie und machte einen Schritt von Eddy weg. Er schüttelte enttäuscht den Kopf und kam auf mich zu.

„Lass uns gehen“, sagte er, ich nickte.

„So ist das also. Ihr seid scheiß Schwanzlutscher! He Eddy, du solltest mit mir ins Bett gehen, ich zeige dir, was richtiger Sex ist!“, rief Caro höhnisch. Wir wollten den Zeltplatz gerade verlassen, da stellten sich uns zwei muskulöse Typen in den Weg. Ihre herablassenden Blicke verhießen nichts Gutes.

„Soso, ihr seid also schwul?“, fragte der eine abwertend.

„Ja, haste ein Problem damit?“, fragte ich entnervt. Es war klar, dass unsere Anwesenheit hier nicht länger erwünscht war.

„Und ob, ich kann Schwuchteln wie euch nicht ausstehen“, er spuckte aus.

„Tja, das ist dein Problem, nicht unseres“, antwortete ich und versuchte mich an ihm vorbeizudrängen. Unsanft wurde ich zurückgestoßen. Die nächste Attacke folgte jedoch auf den Fuß.

Nur gerade so schaffte ich es, unter seiner Faust wegzutauchen. Die sind wirklich auf Ärger aus. Nichts wie weg hier.

Ich warf mich gegen den Schläger und versuchte ihn von den Beinen zu holen. Leider hatte er Verstärkung. Ich bekam einen Schlag in die Seite, der mir Luft aus den Lungen trieb. Ich hörte Eddy hinter mir ebenfalls schmerzerfüllt aufstöhnen. Sofort drehte ich mich um. Er hatte einen Schlag in die Magengrube bekommen und revanchierte sich dafür mit einem Kinnhaken. Mir blieb keine Zeit mich weiter um ihn zu kümmern. Ich wurde von hinten gepackt, meine Armee auf dem Rücken festgehalten. Sofort kassierte ich den nächsten Faustschlag. Ich stieß ein wütendes Schnauben aus. Idioten. Spackos, fluchte ich innerlich.

Ich trat nach vorne aus und verschaffte mir so etwas Platz. Dabei prallte ich mit dem Hinterkopf gegen den Kerl, der mich festgehalten hatte. So entkam ich seiner Umklammerung mit mehr Glück als Verstand. Eddy hatte es jedoch nicht so gut getroffen. Ich bekam gerade mit, wie er einen Schlag auf die Nase bekam. Wir müssen hier weg! Ich kam nicht dazu zu schauen, wie viele eigentlich mittlerweile auf uns eindrangen, aber vom Gefühl beteiligte sich ein Großteil der Gäste an der Schlägerei. Ich taumelte einen Schritt nach vorne und schaffte es einen der Angreifer von Eddy abzubringen. Er trat einem anderen mit voller Wucht zwischen die Beine, dass dieser mit einem lauten Stöhnen zu Boden sank. Sofort ergriffen wir die Flucht. Einer der Schläger versuchte sich uns in den Weg zu stellen, aber ich stieß ihn einfach um.

„Bloß weg!“, rief ich und so schnell wir konnten, verließen wir den Zeltplatz. Ohne uns umzudrehen, liefen wir die Gänge entlang und bemühten uns unter Leute zu kommen. Dort würden diese Verrückten uns hoffentlich nichts mehr tun.

„Da vorne sind sie!“, hörte ich jemanden hinter uns rufen. Ängstlich blickten Eddy und ich uns an, dann nahmen wir die Beine noch mehr in die Hand. Was ist denn deren Problem? Und so etwas im 21. Jahrhundert.

Endlich erreichten wir die Promenade, auf der sich glücklicherweise noch ein paar wenige Spaziergänger herumtrieben. Wir bremsten ab und gingen schnellen Schrittes direkt hinter einem Mann mit seiner Frau her. Sollten diese Idioten uns noch einmal belästigen, würde er hoffentlich eingreifen. Der Mann drehte sich einmal kurz zu uns um und sah uns kritisch an. Er sagte jedoch nichts. Erst jetzt kam ich dazu mir Eddy in Ruhe anzusehen. Ihn hatte es deutlich schlimmer erwischt als mich. Seine Nase blutete und sein linkes Auge war bereits ein wenig geschwollen.

„Alles ok?“, fragte ich besorgt.

Er nickte.

„Die Kerle waren absolut irre“, sagte er und ging leicht vorneüber gebeugt, damit er sein Shirt nicht vollblutete.

„Hier.“ Ich hielt ihm ein Taschentuch hin. Dankbar nahm er es entgegen.

„Ja“, antwortete ich und schaute mich um. Ich konnte niemanden von ihnen ausmachen, trotzdem fühlte ich mich noch nicht sicher. Ich traute den Kerlen zu, dass sie nur darauf warteten, dass niemand mehr in der Nähe war.

„Und jetzt?“, fragte er.

Ich zuckte mit den Schultern. Allein durch die Gänge zurück zum Wohnwagen gehen kam nicht in Frage.

„Ich rufe meinen Vater an. Hoffentlich kann uns jemand an der Hauptstraße abholen.“

Ich musste es einige Male versuchen, bis er endlich das Telefon abnahm. Es dauerte einen Moment, bis ich meinen verschlafenen Vater deutlich gemacht hatte, dass er uns sofort abholen musste.

Wir gingen derweil im Schutz von einigen Passanten die Promenade entlang bis zur Hauptstraße. Von den Typen sahen wir nichts mehr, wahrscheinlich hatten sie die Verfolgung aufgegeben.

Mein Vater legte an diesem Abend ein perfektes Timing vor: In dem Moment, als wir die Hauptstraße erreichten, fuhr er vor. Sofort stiegen wir zu ihm ins Auto.

„Was ist denn mit euch passiert?“, fragte er entsetzt, als er Eddy sah.

„Die Party war voll mit Idioten.“ Ich schilderte ihm schnell die Geschehnisse des Abends.

„Die haben doch den Schuss nicht gehört. Hast du irgendwelche Namen? Dann könnten wir Anzeige erstatten.“, antwortete er wütend.

Ich winkte ab. „Lass gut sein, das hat keinen Zweck. Die waren auch alle betrunken. Ich bin mir nicht sicher, ob die nüchternen Kopfes auch so einen Mist veranstaltet hätten.“ Ich hatte schlicht keine Lust mich noch mehr mit diesen Idioten auseinandersetzen zu müssen.

Zuhause angekommen holte mein Vater sofort ein Kühlpack hervor und drückte es Eddy aufs Auge. Sein Nasenbluten hatte inzwischen aufgehört.

„Brauchst du auch eins?“, fragte er und schaute mich an.

„Nein, geht schon.“ Mein Schädel brummte zwar von dem unfreiwilligen Kopfstoß, aber das war halb so wild.

Meine Mutter hörte uns und kam im Bademantel in die Wohnküche.

„Meine Güte, was habt ihr denn gemacht?“, erkundigte sie sich. Erneut gab ich die Geschehnisse des Abends wieder.

„Soll ich deinen Eltern Bescheid sagen?“, fragte sie Eddy.

Er überlegte einen Moment. „Nein. Wir müssen sie nicht extra wecken, so schlimm ist es nicht. Es reicht, wenn ich ihnen morgen davon erzähle“, antwortete er.

„Bist du sicher?“, hakte sie nach, „Ich denke, sie würden das gerne direkt erfahren.“

„Ja. Morgen reicht. Es ist ja nichts weiter passiert. War nur eine kleine Schlägerei.“

„Ok, wie du das möchtest. Aber später werde ich es ihnen auf jeden Fall sagen.“

„In Ordnung“, stimmte Eddy zu. Er hatte keine Lust weiter mit meiner Mutter zu diskutieren. Außerdem war klar, dass er nicht umhinkam es seinen Eltern zu erzählen, schließlich würde er das Veilchen nicht verbergen können.

„Danke fürs Abholen Papa, ihr könnt euch jetzt wieder hinlegen. Wir werden auch gleich schlafen gehen, wenn Eddy sein Auge noch ein wenig gekühlt hat.“, erklärte ich. Mit sorgenvollen Blicken sagten meine Eltern gute Nacht und verzogen sich ins Schlafzimmer.

„Zeig mal her“, forderte ich ihn auf und entfernte sachte das Kühlpack. Die Schwellung war dank der Kühlung nicht vorangeschritten, aber die erste Verfärbung setzte bereits ein.

„Wie sieht es aus?“, fragte Eddy.

Ich überlegte einen Moment, dann grinste ich:

„Männlich. Wie bei einem Kerl nach einer Kneipenschlägerei.“ Jetzt, wo wir wieder im Wohnwagen waren und uns von den Idioten keine Gefahr mehr drohte, sah ich den ganzen Vorfall nicht mehr so eng. Wichtig war nur, dass wir heile davongekommen waren und nichts Schlimmes passiert war.

„Lass uns schlafen gehen“, sagte ich. Eddy nickte zustimmend.

TEIL 30 - Letzter Teil

Am nächsten Morgen stach Eddys Auge durch einen dunklen Lilaton hervor. Nicht einmal Make-up wäre in der Lage gewesen das Veilchen zu verbergen. Die Schwellung hielt sich glücklicherweise in Grenzen, dafür hatte Eddy noch immer leichte Schmerzen.

„Sonnenbrille auf und niemand bekommt etwas davon mit“, schlug ich ihm vor, während er die Marmeladen auf dem Tisch verteilte. Es war noch recht früh, als wir beide wach geworden waren und da wir keine Lust hatten die Hälfte unseres letzten Tages im Bett zu verbringen, standen wir gleich auf. So kam es, dass wir schon den Tisch deckten, als meine Eltern loszogen, um für alle Frühstück holten.

Wir wurden gerade fertig, als ich meine Eltern draußen hörte. Ich öffnete ihnen die Haustür, allerdings wartete dort nur mein Vater. Meine Mutter entdeckte ich drüben an Eddys Wohnwagen. Sie sprach mit seiner Mutter. Das Gespräch dauerte nicht lange, noch bevor ich die Tür wieder schließen konnte, kamen die beiden auf unseren Wohnwagen zu."

Ich gab Eddy eine kurze Vorwarnung:

„Deine Mutter kommt“, ich sah sein Schlucken.

Mein Vater war eingetreten und machte sich daran die Brötchen zu schneiden, als Eddys Mutter hereinkam.

„Hi Mum“, grüßte er unsicher. Sie blieb kurz stehen, dann machte sie einen Schritt nach vorne und schloss ihren Sohn in die Arme.

„Was machst du denn für Sachen?“, fragte sie ihn. Ich konnte sehen, dass Eddy ebenso überrascht war wie ich. Hatte sie sich entschlossen so zu tun, als sein nichts gewesen? Nach einem Moment der Unsicherheit erwiderte Eddy die Umarmung dankbar. Während sie so umschlossen da standen, kam Eddys Vater herein.

Sie lösten sich voneinander, auch sein Vater schloss ihn in die Arme.

„Was ist passiert?“, fragte seine Mutter. Diesmal erzählte Eddy:

„Wir waren auf einer Party, Ben hatte vor kurzem ein Mädchen getroffen und die hatte uns eingeladen. War eigentlich ein ganz netter Abend, aber irgendwann war die Gastgeberin so betrunken …“, er holte einmal tief Luft. „Sie haben gemerkt, dass wir ein Paar sind und dann sind ein paar Typen auf uns losgegangen. Keine Ahnung warum, vielleicht waren sie zu betrunken. Jedenfalls hatten Ben und ich so unsere Mühe da weg zu kommen.“

Seine Mutter war, es die antwortete:

„Wir haben in den letzten Tagen viel über deine Offenbarung nachgedacht und gesprochen. Vor allem nach dem Gespräch mit euch allen“, sie zeigte auf meine Eltern und mich.

„Eure Worte haben uns zum Glück die Augen geöffnet. Ich weiß, dass wir uns falsch verhalten haben, aber ich möchte auch erklären warum. Nach dem, was mit Robin passiert ist, sind wir einfach in ständiger Sorge um dich. Es wäre unerträglich für uns, dich auch noch zu verlieren. Als du uns dann gesagt hast, dass du schwul, oder bisexuell bist, da hatten wir Angst, dass sich wieder alles ändert. Wir fürchteten, dich deswegen zu verlieren und wollten es nicht wahrhaben. Dein Konflikt von gestern Abend bestätigt zwar die Ängste und Sorgen, die wir haben, aber wir haben eingesehen, dass es der falsche Weg wäre dich zu verstoßen. Es tut uns leid Eddy. Ich hoffe du kannst unsere Reaktion jetzt halbwegs nachvollziehen. Gib uns nur etwas Zeit, damit wir lernen können mit der neuen Situation umzugehen.“

Ich sah, wie die Erleichterung Eddy beflügelte und seine Sorgen schwanden. Er antwortete nicht, sondern schloss seine Eltern einfach nur in die Arme. Ich freute mich für ihn mit. Endlich hatte sich alles zum Guten gewendet.

„Dann ist ja jetzt alles wieder gut“, sagte mein Vater. „Habt ihr schon gefrühstückt? Oder wollt ihr mit uns frühstücken?“, fragte er.

Eddys Eltern nahmen das Angebot dankbar an. Schnell wurden alle Utensilien nach draußen geschafft und gemeinsam im Sonnenschein gefrühstückt.

Da es für beide Familien am nächsten Tag früh morgens zurück nach Deutschland ging, entschieden wir, noch einen gemeinsamen Ausflug zu machen. Etwas außerhalb gab es eine alte Küstenfestung, die wir besichtigen wollten. Eddy und ich waren ebenfalls zufrieden mit dem Ziel, eine Burgruine war deutlich interessanter als lahmes Pflastertreten in irgendeiner Stadt.

Nach dem Frühstück wurden schnell die Sachen weggeräumt und Lunchpakete gepackt.

Dann ging es los.

Die Autofahrt verbrachten Eddy und ich großenteils schweigend. Uns beide beschäftigte die Frage nach der Zukunft, doch keiner von uns wagte sie zu stellen. Wie soll es mit uns weitergehen? Würde es überhaupt weitergehen? War das Ganze nur eine Urlaubsromanze? Letzteres kam für mich definitiv nicht in Frage. Ich wollte weiter in Kontakt zu Eddy bleiben und ich wünschte mir eigentlich eine richtige Beziehung mit ihm. Aber war das möglich? Wir hatten noch nicht besprochen, wie weit wir genau auseinander wohnten. Selbst wenn er so nah war, wie ich es vermutete, bekamen wir auch oft genug die Möglichkeit einander zu besuchen?

Ich erinnerte mich nur ungern an ein Feriencamp zurück, in dem ich mal gewesen war. Ich hatte so viele neue Freunde gefunden und wir hatten uns gegenseitig hoch und heilig geschworen, dass wir in Kontakt blieben. Ich hatte nie wieder etwas von einem von ihnen gehört.

Zum Glück war die Situation von damals nicht vergleichbar mit der von heute. Wir besaßen beide ein Handy, Facebook und einen Computer. Vollkommen aus den Augen verlieren sollten wir uns also nicht. Dennoch blieb in mir die Angst, dass wir es nicht schaffen würden. Eddy bedeutete mir einfach zu viel, als das ich jetzt wieder auf ihn verzichten konnte.

Während der Fahrt sah ich öfters zu ihm herüber, die meiste Zeit starrte er nur gedankenverloren aus dem Fenster, hin und wieder warf er mir ein aufmunterndes Lächeln zu. Ich wusste, dass er sich die gleichen Gedanken machte wie ich.

An der alten Festung angekommen, nahmen wir zuerst an der Führung teil. Wir wurden über die alte Wehrmauer, durch die Soldatenquartiere und die Geheimgänge der Festung geführt. Zu allem erzählte der Touristenführer etwas, alte Geschichten und Legenden, aber auch viele Fakten und belegte Daten über Kämpfe oder Seeschlachten, die vor den Mauern der Festung geschehen waren. Die ganze Zeit blieb die angespannte Stille zwischen Eddy und mir bestehen.

Gegen Mittag war die Führung vorbei und die restliche Zeit konnte man sich frei auf dem Gelände bewegen. Es gab noch einiges zu sehen, der Rundgang hatte längst nicht alle Teile der alten Burg beleuchten können. Wir vereinbarten mit unseren Eltern uns in wenigen Stunden wieder zu treffen.

Eddy und ich suchten uns ein ruhiges Plätzchen zwischen zwei Zinnen der Festungsmauer. Wir aßen eine Weile schweigend und blickten auf das Meer, welches unter uns seicht gegen den Stein wog.

Irgendwann fasste ich den Mut ihn zu fragen:

„Was wird aus uns?“, eindringlich und besorgt sah ich ihn an. Ich hatte Angst vor der Antwort.

Er zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß es nicht. Wuppertal und Düsseldorf liegen nicht so weit auseinander. Wir sollten zumindest in der Lage sein, uns an den Wochenenden zu sehen“, schlug er vor.

„Ja, das müsste allemal drin sein“, stimmte ich ihm zu. Befriedigen tat mich das nicht.

„Weißt du schon, was du nach deinem Abi vorhast?“, fragte ich ihn weiter.

„Ich will auf jeden Fall etwas mit Musik machen. Ich hatte mir mal überlegt, Musik in Hamburg zu studieren. Mein Traum wäre es natürlich Musiker zu werden. Meine eigenen Songs schreiben und aufnehmen zu können und vielleicht irgendwann mal ein Album rauszubringen. Das wäre schon was. Und du?“, wandte er sich an mich.

„Hmm gute Frage. Ich weiß es noch nicht genau. Ich überlege häufiger, was ich später mal machen will. Eventuell Jura studieren. Anwalt zu werden fände ich nicht schlecht“, erklärte ich.

„Naja, ich bin mir nicht sicher, aber man kann in Hamburg bestimmt auch Jura studieren“, meinte er mit einem Augenzwinkern. Wir beide schwiegen erst einmal. Ich wusste, es war eine kindische Idee, trotzdem fragte ich ihn:

„Glaubst du wir könnten gemeinsam nach Hamburg gehen? Also, in einem Jahr meine ich, wenn wir mit dem Abi fertig sind?“

„Warum sollten wir nicht?“, antwortete er und wirkte deutlich zuversichtlicher als ich.

„Wenn wir es schaffen, uns in diesem Jahr nicht aus den Augen zu verlieren, und wir es dann immer noch wollen, wäre das doch eine super Möglichkeit. Wir könnten uns zusammen eine Wohnung suchen.“

Ich sagte erst einmal nichts. Das klang alles sehr schön, fast zu schön. Ich hatte Angst davor, mir jetzt zu große Hoffnungen zu machen und am Ende verloren wir uns einfach vollkommen aus den Augen.

„Hey“, sagte Eddy aufmunternd. „Mach dir keine Sorgen. Wir bekommen das schon hin. Glaubst du wirklich, dass ich zulassen würde, dass wir uns nicht mehr sehen?“ Für einen Moment glaubte ich, er könne Gedanken lesen.

„Ich weiß nicht. Ich mache mir einfach Gedanken. Wir kennen uns jetzt gerade zwei Wochen, ich habe Angst, dass wir einander vergessen, wenn wir uns erst einmal nicht mehr sehen“, teilte ich meine Sorgen mit ihm.

„Ich weiß, ich habe die gleichen Befürchtungen. Pass auf: Wir versprechen uns einfach, dass wir uns mindestens zweimal im Monat sehen und mehrfach die Woche im Kontakt bleiben.“

Er streckte mir seine Hand entgegen.

Ich zögerte nicht lange und schlug ein. Im selben Moment durchströmte mich Zuversicht. Ja, wir bekommen das schon hin. Nach allem, was in diesem Urlaub passiert war, mussten wir das einfach schaffen.

„Das war ein ziemlich verrückter Urlaub“, sagte ich.

„Das war er.“, Eddy lachte.

„Ich kann mich nicht erinnern, jemals in meinem Leben so eine Gefühlsachterbahn mitgemacht zu haben. Du hast mich ganz schön auf Trab gehalten.“

„Ach komm, du kannst froh sein, dass ich dafür gesorgt habe, dass der Urlaub nicht so langweilig geworden ist.“

„Ohja, das bin ich“, sagte ich. Sämtliche Sorgen bezüglich der Zukunft verschwanden, als mir eins klar wurde: Ich liebte ihn.

Darum würde uns auch die räumliche Trennung nichts ausmachen.

Und in einem Jahr würden wir gemeinsam eine Wohnung beziehen. Irgendwo. Vielleicht in Hamburg, vielleicht auch woanders.

Es war mir egal, Hauptsache mit ihm.

Wir sahen uns einen Moment tief in die Augen, dann küssten wir uns.

Wir würden das schaffen. Ganz sicher.

Ende.