Italien-Sommer, Sonne und zwei Jungs

Letztes Update vor 23 Tagen. Wann geht es weiter? Die Geschichte ist schließlich ja schon lange beendet worden.

Es wird bald der nächste Teil gepostet. Wir sind bloß leider gerade viel mit anderen Dingen beschäftigt, sodass es bisschen liegen blieb.

Wie gefällt dir denn die Geschichte? Und willkommen bei queerpoint :blush:

Hey FlyingDutchman, um auf deine Frage zu antworten: Jetzt. :smiley:
Die Klausurenphase hatte mich die letzten Wochen fest im Griff.

Willkommen im Forum!

(Beitrag vom Verfasser gelöscht)

TEIL 8

„Gute Nacht. Wenn du irgendetwas brauchst, ruf einfach.“, sagte meine Mutter. Mit einem aufmunternden Lächeln ließ sie mich in meinem Zimmer allein. Stöhnend sank ich auf mein Bett, in Gedanken durchlief ich noch einmal den Abend.

Eigentlich hatte alles so gut angefangen, doch mit dem Auftauchen der beiden Mädels war schließlich alles vorbei gewesen. Die Erkenntnis mich in Eddy verliebt zu haben, bereitete mir noch mehr Sorgen, als die blutende Hand, mit welcher ich nur ein paar Minuten nach dem Wutausbruch ins Krankenhaus gebracht worden war. Selbst als ich mit meinen völlig überbesorgten Eltern im Wartezimmer der Notaufnahme saß, die notdürftig verbundene Hand in die Höhe gereckt, konnte ich nur an ihn denken. Nur ihre andauernden Fragen, wie denn das passiert sei, rissen mich immer wieder aus meinen Gedanken. Trotz meiner Beteuerungen, dass ich einfach nur in diese Kartons gefallen sei, welche, nebenbei bemerkt, nicht einmal für mich selbst glaubhaft klangen, ließen sie nicht locker und vermuteten die wildesten Schlägereien als Grund für meine Verletzung. Als ich nach ungefähr zwei Stunden endlich dran kam, gab es endlich mal eine gute Nachricht. Nachdem mir der Arzt sämtliche Scherben aus der Hand gezogen hatte, meinte er, dass ich noch einmal Glück gehabt hätte und er nicht einmal nähen müsse. Er entließ mich mit der Aussicht, dass die Wunden schon in wenigen Tagen wieder soweit zugeheilt seien, dass ich wieder ins Wasser könne. Doch ich war mir nicht einmal sicher, ob ich das noch wollte. Am liebsten wäre ich auf der Stelle nach Hause gefahren, hätte versucht diesen ganzen Urlaub zu vergessen und vor allem meine Gefühle für Eddy wieder abzuschütteln, bevor sie noch schlimmere Ausmaße an nahmen.

Natürlich ging das nicht. Meine Eltern würden niemals wegen dieser kleinen Verletzung den Urlaub abbrechen und ich wäre nicht in der Lage, ihnen den wahren Grund zu sagen.
Darum saß ich nun hier auf meinem Bett und versuchte endgültig mit diesem verkorksten Tag abzuschließen, denn wie sagt man so schön: „Morgen früh sieht die Welt schon ganz anders aus.“
Diese leere Versprechung, die man kleinen Kindern immer gab, war mein einziger Lichtblick die restlichen Tage des Urlaubs noch zu überstehen. Mit dieser schwachen Hoffnung schlief ich schließlich ein.

Allerdings sah am nächsten morgen überhaupt nichts besser aus.
Im Gegenteil.
Meine Hand schmerzte höllisch und auch mein Kopf brummte, dank des ganzen Alkohols, den ich mir am letzten Abend einverleibt hatte. Hinzu kam, das Eddy zehn Nachrichten auf meinem Handy hinterlassen hatte. Ich hatte ihn gestern einfach dort stehen gelassen. Ich hatte ihn in dem Moment einfach nicht sehen wollen und erst recht nicht erklären wollen, wie ich mir die Hand verletzt hatte.
Auch jetzt war ich nicht bereit ihm das zu erklären, allein die Vorstellung ihn zu sehen und mit ihm zu reden, bereitete mir Schmerzen.

Also würde ich mich erst einmal um meine körperlichen Schmerzen kümmern, bevor ich mich mit den seelischen befassen würde. Der Wohnwaggon war vollkommen ruhig, also vermutete ich, dass meine Eltern schon wieder unterwegs waren. In der Küche bestätigte sich mein Verdacht, als ich einen kleinen Zettel auf dem Küchentisch fand:
„Guten morgen. Dein Vater und ich sind am Strand, wenn irgendetwas ist, oder du irgendetwas brauchst, ruf auf dem Handy an. Ansonsten weißt du ja wo alles steht. Die Schmerztabletten, die der Arzt uns mitgegeben hat, liegen hier auf dem Tisch. Er meinte du solltest morgens und abends eine nehmen. Bis später, alles Liebe Mama.“

Ohne zu zögern schnappte ich mir die Tabletten und nahm zwei davon, schließlich definierte ich meine Schmerzen als sehr schlimm. Als ich gerade die Frühstücksachen heraus holte, klingelte mein Handy. Auf dem Display blinkte groß Eddys Name. Trotz meines schlechten Gewissens legte ich das Handy weg, ohne dran zu gehen. Bevor er noch weitere Male anrufen konnte, schaltete ich es aus und brachte es zurück in mein Zimmer. Ich brauchte Abstand, von ihm. Erst musste ich meine Gefühlswelt wieder in Ordnung bringen, bevor ich ihm erneut begegnen konnte.

Nachdem ich fertig war mit frühstücken und die Schmerzen dank der Tabletten endlich verblassten, zog ich mich in mein Zimmer zurück. Die Gardinen hatte ich zugezogen, in der Hoffnung, das Eddy nicht auf die Idee kam einfach rüber zu kommen. Noch immer beschäftigte mich eine fundamentale Frage: Konnte ich wirklich schwul sein?
Ich hatte doch lange Zeit eine einigermaßen glückliche Beziehung mit einem Mädchen geführt. Solange ich denken konnte, hatte ich noch nie ein besonderes Interesse an Jungs gezeigt. Hatte ihnen nicht hinterher geschaut oder ihre Körper bewundert. Allerdings musste ich mir eingestehen, dass mein Interesse an Mädchen eigentlich genauso gering gewesen war, bis ich meiner jetzigen Exfreundin begegnet war. Sie hatte etwas an sich gehabt, was mich in ihren Bann gezogen hatte, ähnlich wie es bei Eddy der Fall gewesen war. Unsere Beziehung war schön gewesen, doch irgendwie war ich nie wirklich glücklich gewesen, irgendetwas hatte immer gefehlt. Aber trotzdem, nur weil sie nicht das richtige Mädchen gewesen ist, hieß das doch noch nicht, dass ich schwul war oder?

Noch viel wichtiger war, was würden meine Eltern dazu sagen? Ich war ihr einziges Kind, von mir hingen die Nachkommen ab, da konnte ich sie unmöglich enttäuschen. Außerdem hab ich doch selber den Wunsch später mal eine Frau zu bekommen, Kinder zu zeugen und dann mit meiner Familie glücklich in einem Haus zu wohnen. Diese Vorstellung konnte ich getrost vergessen, wenn ich schwul war.
Eine ganze Zeit lang drehten sich meine Gedanken so im Kreis, immer wieder dachte ich über meine Gefühle zu Eddy nach, darüber was meine Eltern dazu sagen würden und stellte mir meine Zukunft vor. Je mehr ich über all das nachdachte, desto verwirrter wurde ich. Irgendwann stand für mich fest, dass ich mit jemandem Reden musste.

Doch mit wem? Mit meinen Eltern?
Wohl kaum, nicht das die mich noch rausschmissen. Eddy wollte ich nach wie vor nicht sehen, außerdem musste ich auch bei ihm Angst haben, dass er es nicht gutheißen würde. Von meinen Freunden konnte ich auch niemanden anrufen, wer wusste schon, was die dazu sagten. Nur eines war mir klar, ich brauchte einen Rat, von wem auch immer.

Unruhig und völlig verunsichert ging ich im Wohnwaggon auf und ab, der letzte Abend hatte mich in meinen Grundfesten erschüttert.
Mir war klar geworden, dass ich selber nicht einmal genau wusste, wer ich überhaupt war. Um mich ein wenig abzulenken schnappte ich mir eine Werbebroschüre des Campingplatzes und blätterte sie durch. Plötzlich blieben meine Augen an einer Anzeige hängen.
Natürlich!

Warum war ich da nicht eher drauf gekommen? Schnell schnappte ich mir mein Portemonnaie, meinen Schüssel und verließ fluchtartig den Waggon. Endlich glaubte ich eine Möglichkeit gefunden zu haben, Antworten auf meine Fragen zu bekommen.
Schnell bewegte ich mich durch die Gassen des Campingplatzes, vorsichtig achtete ich darauf, Eddy nicht über den Weg zu laufen. Schließlich erreichte ich mein Ziel, es lag zwischen den Geschäften der Einkaufspassage. „Internetcafé“ stand über dem Eingang. In der Broschüre des Campingplatzes hatte ich zufällig die Anzeige dieses Cafés gefunden und war auf die Idee gekommen, einfach mal im Internet nachzuschauen. Denn im großen world-wide-web würden sich hoffentlich Antworten auf meine Fragen finden. Es musste da draußen ja immerhin Jugendliche geben, die sich mit den gleichen Fragen und Problemen beschäftigten.

Eilig kaufte ich mir an der Kasse einen Chip, um einen der Computer eine Stunde lang nutzen zu können. Zu meiner Überraschung war der Rechner sogar erträglich schnell, sodass man nach einem Klick nicht erst eine halbe Stunde warten musste, bis man weiterarbeiten konnte. Allerdings erleichterte mir die verbundene Hand das Arbeiten mit dem Rechner nicht gerade.

Ich war mir sicher, dass ich mit diesem Handicap etwas länger beschäftigt war und die Tatsache, dass mich durch die Fensterfront des Gebäudes jeder Passant sehen konnte, war nicht gerade beruhigend. Ich schaute mich noch einmal sicherheitshalber um, ob noch irgendein anderer Rechner frei war, aber es waren alle belegt. Mir blieb wohl nichts anderes übrig als mit dem Risiko zu leben, dass Eddy oder sonst irgendjemand vorbeikommen könnte und mich hier sehen könnte. Die Trennwände die links und rechts von den Bildschirmen angebracht waren, verhinderten, dass man sehen konnte, was der Nachbar gerade so machte. Ein erfreulicher Umstand, zumal ich nicht sicher war, ob man wirklich wissen wollte was sich diverse Gestalten in diesem Raum so anschauten.

Mit Hilfe von Google fand ich einige Seiten, die sich mit dem Thema beschäftigten und trotzdem jugendfrei waren. Allerdings empfand ich die meisten Seiten als nicht wirklich aufschlussreich, bis ich schließlich ein Forum fand, das extra für schwule Jugendliche gemacht worden zu sein schien. Ich las mir zahlreiche Themen und Beiträge durch und stellte erleichtert fest, dass ich nicht der einzige mit diesen Problemen war. Eine noch viel größere Erleichterung war es für mich, festzustellen, dass die meisten der Jungs die dort über das Thema diskutierten völlig normal zu sein schienen. Bei fast keinem bekam man das Gefühl, dass er so eine exzentrische, bunte Klischeeschwulette war, wie sie im Fernsehen immer dargestellt wurden.

Während ich mir einen Beitrag nach dem nächsten durchlas, versank ich vollkommen in meiner eigenen Welt. Meine Gedanken folgten dem Takt des Klicken und Ratterns der anderen Computer. Alle 60 Minuten wurde ich einmal aus dieser Welt von Unsicherheit, Verwirrung und langsamer Erkenntnis gerissen, um die Gebühr für eine weitere Stunde zu zahlen. In der dritten Stunde wurde die Verwirrung dann endlich weniger und ich wurde mir langsam aber sicher bewusst, dass es völlig Ok war schwul zu sein. Auch wenn der Gedanke noch immer Unbehagen in mir auslöste, merkte ich, wie mein „inneres Coming Out“, wie es in dem Forum immer genannt wurde, langsam voran schritt. Nach einiger Zeit verließ ich meine eigene Welt abermals und begann wieder meine Umgebung wahrzunehmen. Es war inzwischen deutlich leerer geworden, draußen setzte das abendliche Treiben ein, die Familien verließen den Strand und machten sich auf den Weg zurück zu ihren Campingwaggons. Als ich mich wieder meinen Computer zuwandte, streifte mein Blick den Eingang.
Mein Herz blieb fast stehen, als ich sah wer dort hinein kam.

Schnell machte ich mich daran alle Fenster zu schließen, niemand durfte wissen, was ich hier gerade nachgeschaut hatte. Doch schon nach zwei Schritten war die Person neben mir. „Hallo Ben.“, vernahm ich die vertraute Stimme, als ich gerade das letzte Fenster schloss…

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TEIL 9

Da stand er. Ausgerechnet derjenige, den ich jetzt überhaupt nicht sehen wollte:
Eddy.

Sein Gesicht zierte diesmal nicht dieses sympathische Lächeln welches er sonst so oft zeigte, stattdessen bildeten sich Sorgenfalten auf der Haut. Nach einigem Zögern antwortete ich mit einem gekrächzten „Hi!“, meine Kehle war vor Angst, dass er gesehen habe könnte auf was für einer Website ich war, ganz zugeschnürt.

„Wie ist das denn passiert? Geht es dir gut?“, er zeigte auf meine verbundene Hand. Er schien sich ernsthaft Sorgen um mich zu machen. Ich beschloss erst einmal so zu tun, als sei der gestrige Abend nicht passiert, schließlich konnte er auch eigentlich nichts dafür.
„Ja, geht schon, nur eine kleine Schnittverletzung.“, ich war bemüht um einen möglichst gleichgültigen Ton.

„Schnittverletzung? Wie hast du die denn bekommen?“
„Ach das war nichts, ich bin einfach falsch abgebogen, als ich auf Toilette wollte und bin draußen ausgerutscht und in einen Stapel Kartons gefallen, in dem Flaschen waren.“

„Autsch, das tat sicher weh.“, mitleidig sah er mich an. „Ist das der Grund, warum du gestern so schnell abgehauen bist?“, fragte er, ohne das ein Vorwurf in seiner Stimme lag.

„Ja. Ich bin danach nur noch schnell raus und hab meine Eltern angerufen. Die haben mich dann auch sofort ins Krankenhaus gebracht.“, erzählte ich. Die Tatsache, dass ich ihm mit Absicht nicht Bescheid gesagt hatte, verschwieg ich lieber. Mir war dieses Gespräch noch immer unangenehm, sodass ich am liebsten schnell weg wollte.

Verbissen überlegte ich mir, wie ich am geschicktesten aus dieser Situation raus kam. Die Ausrede, dass ich schnell zurück müsse, würde nicht fruchten, schließlich würde er mich dann ganz einfach begleiten. Also blieb mir nichts als die Flucht nach vorne. So konnte ich vielleicht noch herausfinden, was am gestrigen Abend sonst noch zwischen ihm und Maike gelaufen war. Jedoch war es nicht nötig noch länger hier zu bleiben. Ich hatte mir genügend Infos gesucht und ich hatte bessere Chancen von ihm los zu kommen, wenn wir erst einmal wieder zurück am Wohnwaggon waren.
„Hey, lass uns doch schonmal gehen, ich war hier sowieso gerade fertig.“ schlug ich vor.

„Aber gerne, ich war auch eigentlich gerade auf dem Weg zurück zum Waggon, als ich dich hier zufällig gesehen habe.“ Gemeinsam verließen wir das Internetcafé, als wir draußen in die frische Luft traten, fiel mir auf, was für ein Mief in dem kleinen Lokal geherrscht hatte. Befreit holte ich Luft und fasste neuen Mut für das, was ich jetzt eventuell noch herausfinden würde.

„Wie war es gestern eigentlich noch?“, fragte ich. Ich merkte, wie er einen Moment zögerte, bevor er antwortete, doch dann zuckte er mit den Schultern:
„Ging so, ich bin auch ziemlich schnell gefahren, nachdem du plötzlich verschwunden warst. Allerdings war ich auch ziemlich betrunken, darum fehlen mir manche Teile des Abends muss ich gestehen.“ Neue Hoffnung keimte in mir auf. War seine Rumknutscherei vielleicht nur ein Produkt des übermäßigen Alkoholkonsums gewesen?
Eventuell konnte dieses Gespräch noch ganz aufschlussreich sein.

„Was weißt du denn noch?“, fragte ich ihn und sah ihn dabei interessiert an.
Er runzelte die Stirn als er nachdachte, dabei fiel mir auf, wie süß er aussah, wenn er das tat. Im ersten Moment überraschte mich dieser Gedanke selber, doch ich wehrte mich nicht dagegen. Bei all den Berichten die ich gelesen hatte war mir klar geworden, dass ich anfangen musste zu akzeptieren, wer ich war, und dazu gehörten auch solche Gedanken.

„Mhh also ich weiß noch wie wir angekommen sind und auch noch wie wir die erste Zeit mit Tanzen und Trinken verbracht haben, aber danach verblasst alles ein wenig. Ich weiß noch wie wir auf einmal mit diesen zwei Mädchen zusammen saßen.“ Er stockte ein wenig, erst sah es so aus, als ob er noch etwas sagen wollte, doch dann winkte er ab: „Das nächste woran ich mich dann erinnere ist, wie ich hier aus dem Taxi gestiegen bin und zurück zum Wohnwaggon getorkelt bin.“

Sein Zögern hatte mich stutzig gemacht. Hatte er sich wirklich nicht an den Vorfall mit Maike erinnert oder verschwieg er ihn einfach nur? Einen Moment überlegte ich ob ich ihn drauf ansprechen sollte, aber da fiel mir ein, dass er ja gar nicht wissen konnte, dass ich sie so zusammen gesehen hatte. Erst jetzt bemerkte ich, dass er mich erwartungsvoll ansah.

„Entschuldige, hast du noch etwas gesagt?“, fragte ich.
„Bist du sicher, dass es dir gut geht? Du wirkst heute so abwesend.“ Stellte er fest.
„Ja, das muss an den Schmerztabletten liegen.“, log ich. „Also, was hattest du gefragt?“

Er sah mich noch einen Moment misstrauisch an, doch dann sagte er:
„Ich wollte nur wissen, ob ich irgendeinen wichtigen Part vergessen habe, oder ob meine Erinnerung an gestern Abend doch nicht so schlecht ist wie ich dachte.“
„Ich glaube du hast das wichtigste zusammen, ansonsten ist nichts gravierendes passiert. Allerdings kann ich dir natürlich nicht sagen was passiert ist als ich schon weg war. Ich weiß ja nicht, was du und Maike gestern noch so gemacht haben.“ erklärte ich. Einen Moment sah es so aus als fühle er sich bei irgendetwas ertappt, dann murmelte er etwas, dass ich nicht verstehen konnte.

„Bitte was?“, fragte ich nach.
„Ach ich meinte nur, dass hoffentlich nichts mehr zwischen Maike und mir passiert ist.“ Er zuckte mit den Schultern, „Vielleicht fällt es mir in den nächsten Tagen ja wieder ein. Wie sieht das mit deiner Hand aus, wann darfst du wieder ins Wasser?“, fragte er.
Diesmal zuckte ich mit den Schultern: „Ich weiß nicht, aber der Arzt meinte, dass das ziemlich schnell verheilt. Ich hoffe, dass ich so in drei oder vier Tagen wieder ins Wasser kann da mit.“

„Drei oder vier Tage?“, fragte er ungläubig. „Dann ist der Urlaub ja fast vorbei. Nein, wir finden schon eine Möglichkeit, wie du eher wieder durchstarten kannst.“, sagte er und zwinkerte mir zu.

Gefühle stiegen wieder in mir hoch. Verlangen, Verlangen nach ihm. Ich wollte ihm nahe sein und Zeit mit ihm verbringen, auch wenn ich wusste, dass ich ihm nicht so nahe sein konnte, wie ich es eigentlich wollte.

„Das wäre cool.“, erwiderte ich.
„Morgen bin ich allerdings den ganzen Tag mit meinen Eltern unterwegs, die machen einen Ausflug und wollen mich gerne dabei haben. Wenn du Lust hast kannst du ja mitkommen.“, bot er an.

„Besser nicht, ich will mich noch ein bisschen ausruhen. Außerdem sind meine Eltern auch ganz froh, wenn ich mal was mit denen mache.“ lehnte ich ab.
„Ok. Was hältst du davon, wenn wir Übermorgen wieder Surfen gehen? Die Einsteigerphase hast du ja jetzt überwunden, dann könntest du auch richtig loslegen.“

„Klingt gut, nur müssen wir erst eine Lösung dafür finden“, ich hielt die verbundene Hand in die Höhe.
„Wie gesagt, das machen wir schon. Ich hab da schon eine Idee“, sagte er. Wir hatten mittlerweile unsere Wohnwaggons erreicht.

„Ach, falls du mal auf dein Handy schaust, denk dir nichts bei den guten 100 Anrufen und Nachrichten. Ich hatte mir nur so ein paar Gedanken um dich gemacht, als du verschwunden warst.“, sagte er mit einem verlegenen Lächeln.
Beschämt dachte ich an die unbeantworteten Anrufe auf meinem Handy.

„Oh ok, das liegt glaub ich immer noch neben dem Bett und lädt, dass hab ich vorhin vollkommen vergessen, als ich aufgestanden bin.“ log ich.
„Ja macht ja nichts. So, ich muss rein, meine Eltern wollen jetzt gleich mit mir Essen gehen. Also, machs gut, wir sehen uns spätestens Übermorgen.“

Er wollte zum Abschied einschlagen, aber als er sich an meine kaputte Hand erinnerte, umarmte er mich kurzerhand, kumpelhaft klopfte er mir auf den Rücken.

„Ciao.“, sagte ich, als er in seinem Waggon verschwand. Auch wenn es nur kurz gewesen war, hatte ich die Umarmung von ihm genossen. Mit einem unterdrückten Seufzen ging ich meinerseits in den Wohnwaggon.

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Hallo liebe Community,
ich bin neu hier und finde es mega schön diese Geschichten hier zu lesen.
Diese Geschichte mit Eddy und Ben hat mich aber richtig gepackt. Freue mich schon auf eine Fortsetzung und bin ganz gespannt ob die beiden sich noch finden und noch was läuft.
Macht alle weiter so!

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Hey @FKK_Forever_2007, willkommen im Forum! :slight_smile:
Freut mich sehr, dass dir diese Geschichte gefällt. Die Fortsetzung folgt sofort und ich werde demnächst auch bei den anderen Geschichten mal wieder was posten. :wink:
Danke dir! :slight_smile:

TEIL 10

Drinnen erwartete mich meine Mutter auch schon mit einem vorwurfsvollen Blick.
„Na wo haben wir uns wieder herumgetrieben? Ich weiß ihr jungen Leute lebt im Zeitalter von Handys und Computern, aber wäre es dennoch zu viel verlangt gewesen, einen kleinen Zettel da zu lassen?“ Ich merkte, dass der Vorwurf nur halb ernst gemeint war.
„Tut mir leid, habe ich vergessen.“
„Genau so wie dein Handy!“, böse schaute sie mich an, doch dann wurde sie versöhnlicher. „Wir haben ja nichts dagegen, wenn du auf eigene Faust losziehst, aber könntest du uns wenigstens sagen wo du bist? Das wir uns nach gestern Abend noch mehr Sorgen machen ist doch wohl klar.“
Ausnahmsweise musste ich meiner Mutter mal Recht geben, es wäre wirklich besser gewesen einen Zettel da zu lassen.
„Entschuldigung, beim nächsten Mal denke ich dran.“, versicherte ich meiner Mutter. Interessiert schnupperte in Richtung Küche, wo einige Töpfe auf dem Herd standen, in denen das Abendessen köchelte.

„Was gibt es denn?“ fragte ich. Mein Vater, der mit der Beaufsichtigung des Essens beauftragt zu sein schien, antwortete:
„Wie es sich gehört wenn man in Italien ist, gibt es Spaghetti.“ Er grinste mich an, woraufhin ich losprustete.
Das Gesicht meines Vaters war rot wie die Schale eines Hummers.
Als ich mich wieder halbwegs unter Kontrolle hatte, sah ich wie er beleidigt drein schaute.
„Mach dich nur lustig. Ich will mal wissen, wie du aussiehst, wenn du die Sonnencreme vergisst.“
„Naja, ruft mich wenn das Essen so weit ist, ich leg mich in der Zwischenzeit noch etwas hin.“, erklärte ich und ging in mein Zimmer.

Ich legte mich auf mein Bett und holte mein Handy hervor, auf dem immer noch die ganzen unbeantworteten Anrufe und Nachrichten von Eddy angezeigt wurden.
Schlagartig änderte sich meine Stimmung.
Ich musste daran denken wie besorgt er um mich gewesen war und wie wichtig es ihm war Zeit mit mir zu verbringen. Eine neue Sehnsucht nach ihm wurde in mir entfacht, meine Gedanken drehten sich anschließend nur noch um ihn.
Erst als meine Mutter hereinkam um mich zum Essen zu rufen, wurde ich kurz aus meinen Gedanken gerissen. Doch obwohl ich Hunger hatte, konnte ich mich nicht am Essen erfreuen und stocherte nur abwesend darin herum.

Irgendwann reichte es meinem Vater:
„Das sind Nudeln, die brauchst du nicht mehr erstechen.“, versuchte er lustig zu sein. Als er merkte, dass sein ohnehin billiger Witz nicht auf Begeisterung meinerseits stieß, fragte er: „Ist alles Ok? Du wirkst ziemlich niedergeschlagen heute.“
„Ne mir geht es gut, ich bin nur noch etwas kaputt von gestern. Meint ihr ich kann übermorgen mit Eddy surfen gehen?“
Kritisch runzelte mein Vater die Stirn.
„Glaubst du denn, dass das schon wieder geht mit deiner Hand?“, fragte er.
„Joar ich denke schon, wenn die Schmerzen zu schlimm werden, nehme ich einfach noch welche von den Schmerztabletten.“
„Du kannst es ja versuchen und wenn du merkst es geht nicht mehr, lässt du es einfach. Hast du schon etwas für morgen geplant?“
„Nein, Eddy ist morgen mit seinen Eltern unterwegs und ich wollte lieber hierbleiben anstatt mit zu gehen.“, erklärte ich.
„Na gut, wir haben für morgen noch nichts weiter geplant, wir können ja sehen was wir machen, wenn dir kurzfristig noch was einfällt wo du Lust zu hast, dann sag das einfach.“
„Mache ich.“

Den Rest der Mahlzeit verbrachten wir damit, uns über die katastrophalen Zustände aufzuregen, welche in dem Krankenhaus geherrscht hatten, in dem wir letzte Nacht gewesen waren.
Froh endlich meine Ruhe zu haben sank ich auf mein Bett. Auch wenn es noch nicht sehr spät war, hatte ich keine Lust irgendetwas zu machen oder irgendwo hin zu gehen. Während meine Eltern die Bar aufsuchten, in der Eddy und ich am ersten Abend gewesen waren, blieb ich lieber hier und hing meinen Gedanken nach.
Sehnsucht machte sich in mir breit, ich vermisste Eddy. Ich vermisste sein Lächeln, diesen spitzbübischen Ausdruck in seinen Augen, wenn er wieder etwas ausheckte. Ich vermisste einfach seine ganze Art. Mir kam wieder der erste Abend in den Sinn, die Szene in der er so dicht vor mir gestanden hatte, nachdem er mir meinen Rücken abgetrocknet hatte. War das nicht schon der Moment gewesen, in dem ich mich in ihn verliebt hatte?
Ja.
Von diesem Moment an hatte ich in seinem Bann gestanden ohne es zu wissen. Bis gestern.

Doch schon da musste ich auf schmerzhafte Weise erfahren, dass er diese Gefühle wohl nicht erwiderte. Vor meinem geistigen Augen sah ich ihn mit dieser Maike rummachen. Wie es wohl war ihn zu küssen? Wie fühlte es sich überhaupt an einen anderen Jungen zu küssen? Es war komisch für mich, mich solchen Gedanken zu stellen. Ein Teil von mir versuchte immer noch mir einzureden, dass so etwas falsch war, aber in meinem Inneren spürte ich, dass es genau das war was ich wollte: Einen Jungen küssen. Aber nicht irgendeinen Jungen, sondern Eddy.

Verzweiflung machte sich in mir breit, als mir wieder bewusst wurde, dass das vermutlich nie passieren würde. Ich erinnerte mich an die Berichte in dem Forum. Gab es irgendwelche Anzeichen, nach denen er schwul sein könnte? Fieberhaft und verzweifelt überlegte ich, aber schnell wurde mir klar, dass es nicht den geringsten Hinweis darauf gab, dass er sich zu Jungen hingezogen fühlte. Sein Techtelmächtel mit Maike war hingegen ein klares Signal gewesen, dass er auf Mädchen stand. Doch was stand nochmal in den meisten Berichten? Hinweise, Anzeichen und dies alles waren eigentlich vollkommen wertlos. Einige berichteten von Jungs die über Ewigkeiten hinweg Andeutungen gemacht hatten oder deren Verhalten ein Interesse erahnen ließ, aber als sie dann darauf angesprochen wurden vollkommen abweisend oder unwissend reagierten. Die nächsten erzählten von den typischen beliebten Kerlen, die seit je her der Frauenschwarm der Schule waren, welche auf einmal ihre wahren Gefühle gestanden. Es war also noch immer alles möglich, auch wenn die Hoffnung nicht groß war. Sollte ich ihn einfach mal darauf ansprechen? Ich versuchte mir auszumalen, wie er reagieren würde, wenn ich ihm sagte das ich mich in ihn verliebt hatte. Im ersten Szenario schaute er mich nur angewidert an, bevor mich unter wüsten Beleidigungen stehen ließ.
Im zweiten Szenario lächelte er mitleidig, als er mir erklärte, dass er leider nicht so fühle, dass er aber kein Problem damit habe und es nichts an unserer Freundschaft ändern würde.
Das dritte Szenario war für mich mehr eine Art Traumvorstellung, denn eine realistische Alternative. Allerdings war es eben diese Traumvorstellung, zu der ich die lebhaftesten Bilder im Kopf hatte. In dieser Utopie schaute er mich erst einen Moment überrascht an, bevor er dann begann mich leidenschaftlich zu küssen. Ich sponn diesen Gedanken weiter, dahin wie es wohl Aussehen würde, wenn wir eine Beziehung führen würden. Ich stellte mir vor, wie wir uns heimlich küssten, während wir mit unseren Eltern unterwegs waren, oder wie wir Händchenhaltend am Strand entlang spazierten. Obwohl sich diese Vorstellungen bei weitem am besten anfühlten, blieben es trotz allem die Fantasien eines Verliebten.

Es war klar, dass, obwohl zwei der drei möglichen Ausgänge gut für mich waren, die Wahrscheinlichkeit für das erste Szenario noch am höchsten war. Ausgerechnet dieses war das Szenario, welches am schlimmsten für mich wäre. Ich wollte ihn nicht verlieren, nicht als Urlaubsbekanntschaft und vor allem nicht als Freund. Mir blieben also nur zwei Möglichkeiten, entweder ich sagte es ihm, mit dem Risiko ihn als Freund zu verlieren und der Chance ihn als Liebhaber zu gewinnen, oder ich behielt meine Gefühle für mich und sicherte damit die Freundschaft.

Ratlos was ich tun sollte, wälzte ich mich in meinem Bett hin und her. Niemals hätte ich mir vor diesem Urlaub träumen lassen, dass ich mich während dieser kurzen Zeit verlieben würde.
Immer wieder ging ich die verschiedenen Möglichkeiten durch, die mir blieben aber ich kam immer wieder zu dem selben Schluss:

Es wäre vermutlich das Beste, wenn ich meine Gefühle einfach für mich behielt und versuchte mich die restlichen Tage des Urlaubs mit seiner Freundschaft zufrieden zu geben…

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Nein, nicht deine Gefühle für dich behalten Ben :open_mouth: sag es ihm :wink:

Es macht richtig Spaß diese Geschichte zu lesen. Ich fiebere richtig mit und kann mich mit Ben gut identifizieren. Bin gespannt wie es weitergeht.

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Jetzt kommt ein kleiner Einblick in Eddys Vergangenheit :slight_smile: Es geht sofort weiter. :wink:

TEIL 11

Eddy’s Perspektive

„Danke das du mitgekommen bist.“, meine Mutter schaute mich dankbar an.
„Mache ich doch gerne, schließlich wollte ich das Kolosseum schon immer mal sehen.“, erklärte ich, obwohl ich genau wusste, dass meine Mutter etwas anderes meinte.
„Nein, dass du allgemein mitgekommen bist. Ich weiß das du lieber mit deinen Freunden unterwegs gewesen wärst.“, sagte meine Mutter. Sie schnitt damit ein Thema an, über das ich noch immer nicht gern redete, denn es fiel mir genauso schwer wie ihnen. Obwohl es jetzt schon über ein halbes Jahr her war, bereitete die Erinnerung an jenen Tag noch immer Schmerzen.
„Ich glaube es war das Beste für uns alle, dass wir das noch einmal zusammen gemacht haben.“, antwortete ich. Während am Fenster des Autos die Landschaft Italiens vorbeirauschte, kehrten die Bilder des verfluchten Nachmittags in meinen Kopf zurück. Meine Augen fielen zu, ein schwarzer Vorhang legte sich über die Welt, als eine neue in meinem Kopf auftauchte.

„Aber du hast es versprochen!“ wütend und enttäuscht schaute Robin mich an. Die Hände in die Hüften gestemmt, stand er in meiner Zimmertür. Es fiel mir schwer sein großen Hundeaugen zu widerstehen, die es so oft schafften seinen großen Bruder zu überreden.
„Ich weiß Robin, es tut mir Leid, aber es geht heute einfach nicht. Ich hatte gedacht ich werde rechtzeitig mit meinen Hausaufgaben fertig, aber unsere Lehrerin hat uns einfach zu viel aufgegeben.“
„Nicht einmal eine Stunde?“, flehte er weiter. Auch wenn er erst 13 war, wusste er genau wie er mich überzeugen konnte.
„Nein.“, blieb ich hart. „Wir machen es im Laufe der Woche, wenn ich weniger zu tun habe.“, versprach ich.
„Dann liegt doch gar kein Schnee mehr. Komm schon ein Rennen, du kannst doch danach weiter machen.“
„Nein Robin, heute nicht!“, langsam wurde ich genervt. Ich hatte noch viel zu tun und je länger er mich jetzt aufhielt, desto weniger Schlaf würde ich heute Nacht bekommen, weil ich die Aufgaben noch fertig machen musste.
„Dann gehe ich halt alleine.“, sagte er beleidigt.
„Du weißt genau so gut wie ich, dass ich dich nicht alleine am Fluss lassen darf. Mama und Papa haben es extra noch einmal gesagt, als sie gefahren sind.“
„Warum soll ich denn hier bleiben, nur weil du nicht mitkommen willst, das ist nicht fair!“.
„Ich weiß, dass das nicht fair ist, aber es ist sonst einfach zu gefährlich.“
„Ich bin doch vorsichtig, außerdem ist Nils auch dabei. Ich verrate es Mama und Papa ja nicht. Die wollten eh erst gegen Zehn Uhr wieder da sein und ich bin spätestens um Sechs Uhr zurück.“, versuchte er weiter mich zu überreden.
Die Tatsache, dass Nils, sein bester Freund, mitkam, beruhigte mich ein wenig. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich ihm versprochen hatte heute noch einmal mit ihm ein Rennen am Viperberg zu fahren, aber das Versprechen jetzt brechen musste. Wenn er wenigstens mit Nils dahin konnte, wäre er nicht ganz so traurig und ich könnte in Ruhe meine Aufgaben fertig machen.
Ich wägte einen Moment das Risiko, dass unsere Eltern herausfinden könnte, dass ich ihn alleine gehen ließ gegen die Aussicht auf einige ruhige Arbeitszeit ab.
„Also gut.“, gab ich widerwillig nach. „Du bist um Sechs Uhr spätestens wieder da und der Fluss ist absolute Tabuzone! Versprochen?“, mahnte ich.
„Versprochen!“, sagte er und strahlte mich an, bevor er fluchtartig den Raum verließ. Ich hörte wie er nach unten stapfte, sich in aller Eile seine dicken Sachen anzog und dann schnell nach draußen in den Schnee verschwand. Zufrieden und glücklich endlich etwas Ruhe zu haben lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück. Kurz darauf widmete ich mich schon wieder meinen Englischaufgaben.

Eine halbe Stunde später riss das Klingeln meines Handys mich aus meiner Konzentration. Einen Moment regten sich in mir Befürchtungen, was wenn es meine Eltern waren und sie Robin sprechen wollten?
„Jaa?“, fragte ich zögernd ins Handy.
„Hey Eddy!“, erleichtert vernahm ich die Stimme meiner besten Freundin.
„Hallo Kathi. Was gibt es?“
„Was machst du gerade?“, kam die Gegenfrage. Sie liebte es auf gestellte Fragen nicht einzugehen.
„Diesen elendigen Riesenhaufen an Englischaufgaben, warum?“, fragte ich.
„Dachte ich es mir doch. Dann wird es dich bestimmt freuen zu hören, dass eben eine Email von Frau Steinhauer kam, dass sie wahrscheinlich die ganze Woche krank ist und wir die Aufgaben somit erst nächste Woche wieder brauchen.“, erklärte sie.
„Wirklich?“, fragte ich ungläubig.
„Ja, ne. Glaubst du ich rufe dich an, nur um dich zu verarschen?“, fragte sie mit einem Lachen.
„Das ist mal cool. Dann kann ich mein Versprechen ja doch noch halten.“, stellte ich erfreut fest.
„Was für ein Versprechen?“, fragte sie.
„Ach ich habe Robin versprochen heute mit ihm noch ein Rennen vom Viperberg zu machen, da wusste ich aber noch nicht wie viel das in Englisch ist, also ist er eben alleine losgezogen.“
„Boah, du und Robin, ihr seid echt unzertrennlich. Ich versteh nicht, wie du dich so gut mit deinem kleinen Bruder verstehen kannst. Meine kleine Schwester geht mir eigentlich immer nur auf die Nerven, andauernd zoffen wir uns. Ich kann mich aber nicht daran erinnern, dass du dich jemals mit Robin gestritten hast.“, sagte sie, auch wenn wir dieses Thema schon tausende Male gehabt hatten. Jeder aus unserem Freundeskreis wunderte sich darüber, dass ich so gut mit Robin zurecht kam. Die meisten wollten nichts mit ihren kleineren Geschwistern zu tun haben, aber bei mir und Robin war das schon immer anders gewesen. Vom Tag seiner Geburt, hatte ich den Jungen mit den großen braunen Kulleraugen in mein Herz geschlossen und mich immer gut um ihn gekümmert. Ich konnte es mir gar nicht vorstellen, ein anderes Verhältnis zu ihm zu haben. Das diese Verbindung auch nach 13 Jahren noch so gut hielt, war zwar auch für mich manchmal etwas verwunderlich, aber ich war froh darüber, vor allem da wir immer gegen unsere Eltern zusammen hielten.
„Ja, unser Verhältnis ist schon sehr speziell, das gebe ich wohl zu. Auf jeden Fall danke für deinen Anruf, ich werde jetzt mal sehen, dass ich hinter Robin hinterher komme, schließlich sollte ich ihn ja eigentlich sowieso nicht alleine raus lassen.“
„Na dann wünsche ich euch viel Spaß und grüß den Kleinen von mir. Ciao.“, sagte sie.
„Mache ich, wir sehen uns Morgen.“, verabschiedete ich mich und legte auf. Erfreut von der Last befreit zu sein, klappte ich mein Englischbuch zu und begann meine Wintersachen zusammen zu suchen. Kurze Zeit später verließ ich das Haus und machte mich auf den Weg zum Viperberg, um meinem kleinen Bruder eine schöne Überraschung zu bereiten…

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Heyyyy, tut mir leid, dass ich erst sooo spät wieder einen Kommentar da lasse :confused:

Das was auf der Party war auch echt gemein. Der Arme Ben ist verliebt und dann sitzt da Eddy mit einem Mädchen auf dem Schoß und dann küssen sie sich auch noch. Das tut natürlich richtig weh. Da kann ich durchaus verstehen, weshalb Ben in die Kartons geschlagen hat. Ob der Schmerz mit den Glasscherben mehr wehtat, als der Anblick von Eddy und dem Mädchen?
Wäre ich Ben, hätte ich meinen Eltern auch nicht erzählt, weshalb ich mich verletzt habe.

Ob Eddy wohl gesehen hat, auf welchen Seiten Ben unterwegs war?

Im letzen Kapitel, finde ich es sehr schön, wie Eddy mit seinem kleinem Bruder umgeht :slight_smile:
Ich kann seinen Bruder verstehen, denn versprechen sollte man halten :slight_smile:

Ich finde die Geschichte echt toll. Bin gespannt wie es weiter geht :slight_smile:

LG Hamsterchen

2 „Gefällt mir“

Hey Hamsterchen,
danke für deinen Kommentar! Lieber spät, als nie, oder? In dem Sinne geht’s jetzt auch weiter. ^^

TEIL 12

Eddy’s Perspektive

„Eddy!“, energisch rüttelte mein Vater an meiner Schulter.
Verwirrt öffnete ich die Augen:
„Was ist los?“, fragte ich, in die besorgten Gesichter meiner Eltern schauend.
„Ist alles Ok? Du hast mal wieder geträumt.“
„Jaa, geht schon.“, antwortete ich, Schmerzen durchzogen meinen Körper, als die letzten Bilder in meinem Kopf verblassten.
„Ich weiß, dass es dir nach wie vor schwer fällt und das du dir die Schuld an dem Geschehenen gibst, aber es wird Zeit, dass du begreifst, dass du nichts dafür konntest.“, erklärte meine Mutter verständnisvoll.

Dankbar schaute ich sie an, auch wenn die Worte nichts an meinen Gefühlen ändern würden. Wenn ich damals anders gehandelt hätte, wäre es vielleicht nicht so gelaufen, wie es das letztendlich ist. Ich schaute aus dem Fenster nach draußen, wir befanden uns inzwischen auf einer vielbefahrenen Straße, vor uns lag die Skyline Roms. Ich sah die zahllosen antiken Gebäude, die weit über die anderen Dächer heraus ragten. Aus der Ferne bewunderte ich die Steinsäulen oder die geschwungenen Kuppeln, jene Relikte, welche an die glorreichsten Zeiten der Stadt erinnerten. Ich freute mich darauf endlich mal die Stadt zu besichtigen, die ich schon seit einigen Jahren hatte sehen wollen.

Wir fuhren zu einem Parkplatz etwas außerhalb der Stadt und stellten das Auto dort ab. Von hier aus sollten es, laut Stadtplan, nur einige Minuten Fußweg zu den belebten Teilen der Stadt sein.

Neugierig schaute ich mich um, während wir durch die Straßen Roms wanderten und sog alle kulturellen Eindrücke in mich auf. Doch so interessiert ich auch an dieser Stadt war, sie konnte nicht verhindern, dass meine Gedanken wieder begannen abzuschweifen. Nur dieses Mal zog es sie nicht zu den schmerzhaften Erinnerungen an den Beginn des Jahres zurück. Vielmehr beschäftigten mich die letzten Tage. Die Art und Weise wie dieser Urlaub sich entwickelt hatte, war für mich vollkommen überraschend gewesen.

Ursprünglich war dieser Urlaub nur dazu gedacht gewesen ein altes Kapitel unserer Familiengeschichte endlich zu beenden und nach dem Urlaub ein neues zu beginnen.
Ich durch mein Studium und meine Eltern durch die Frührente meines Vaters.
Dass dieser Urlaub besonders spaßig und überhaupt nicht langweilig werden konnte, daran hatte ich keine Sekunde gedacht. Diese Vorstellung war mir immer viel zu abwegig erschienen.

Doch mit Ben hatte sich das alles geändert. Schon als ich ihn das erste Mal gesehen habe, wusste ich, dass er diesen Urlaub zu etwas Besonderen machen würde. Ich freute mich darüber Zeit mit ihm zu verbringen und Späße zu treiben.
Durch ihn wurde dieser Urlaub wie die vielen davor und er schaffte es mich wieder in einen Zustand des Glückes zu versetzen, von dem ich geglaubt hatte ihn nie wieder zu erreichen.

Es war schön mal wieder eine unbeschwerte Zeit fast ohne Sorgen zu erleben. Dieser Urlaub war mehr als nur eine Flucht vor dem Alltag, er war für mich eine Flucht vor Selbstzweifeln, Schuldgefühlen und Unsicherheit. Auch wenn ich bisher immer gut mit meiner Familie ausgekommen war, so freute ich mich, dass ich nächstes Jahr endlich ausziehen würde und mein eigenes Leben beginnen konnte. Das ich in Hamburg studieren würde, war mir schon länger klar, meinen Studienplatz hatte ich so gut wie sicher. Dass ich dann über 200 Kilometer von zu Hause weg sein würde, war zwar nicht schön, aber es gab für mich weit aus schlimmeres. Ich erhoffte mir von diesem Umgebungswechsel den Start in ein neues Leben: Endlich wieder richtig glücklich werden, endlich ganz neu anfangen. Außerdem war in einer Großstadt die Chance jemanden zu finden weit aus größer, als in der Kleinstadt in der wir lebten. Sicherlich, die Beziehungen zu Sarah und Kim waren keine totalen Reinfälle gewesen, aber wirklich schön waren sie auch nicht. Mal einmal in jemanden verliebt zu sein, der diese Liebe auch erwiderte, das wünschte ich mir. Ich war bisher immer davon ausgegangen, dass es seine Zeit dauerte, bis man sich in jemanden verliebt. Dieser Hollywood-Kitsch von wegen: „Liebe auf den ersten Blick“, war für mich immer nur Nonsense gewesen.

Seit zwei Tagen wusste ich es besser.

Das manchmal nur ein Abend oder sogar nur ein Moment von Nöten war, um einer Person zu verfallen. Nur leider konnte man auch genauso schnell alles kaputt machen, eine unüberlegte Aktion und man verspielte sich alles. Ich kramte mein Handy hervor und blätterte durch die Kontaktdaten. Ich langte bei dem Kontakt an, den ich gesucht hatte und öffnete ihn. Einen Moment starrte ich versonnen auf den Display. Dann drückte ich zwei Tasten und das Handy verlangte eine Bestätigung: „Kontakt Maike wirklich löschen?“. Ich wusste genau wann mich jemand ignorierte und es war mir ein deutliches Zeichen gewesen. Mein Fehler wurde sofort bestraft, so wie immer. Das Thema hatte sich innerhalb kürzester Zeit wieder erledigt, also zog ich die Konsequenzen daraus. Ich drückte die Taste „Löschen“ und ließ mein Handy wieder in meine Hosentasche gleiten.

So etwas passierte mir viel zu häufig. Naja, in Selbstmitleid zu baden würde mir wohl auch nicht weiterhelfen, also konnte ein wenig Ablenkung nicht schaden, überlegte ich mir und konzentrierte mich wieder auf meine Eltern. Wir wanderten noch immer von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten und so würde es vermutlich noch den ganzen Tag laufen. Nach einiger Zeit wagte ich es dann meine Eltern aus ihrem Begeisterungsschwall für die reichhaltige Geschichte Roms zu unterbrechen und bat um eine Mittagspause. Also suchten wir uns ein kleines Restaurant, in dem wir uns niederließen.

Nur eine Sache ließ mich die ganze Zeit nicht los. Ich versuchte mich angestrengt daran zu erinnern, wo ich die Seite schon einmal gesehen hatte, die Ben weggeklickt hatte, als ich ihn in dem Internetcafé überraschend begegnet war. Ich hatte sie schon einmal gesehen, nur wo und wann? Diese Frage ließ mich nicht los, denn ich hatte nicht erkennen können, worum es auf der Seite ging. Allerdings war mir diese Farbgebung noch genau in Erinnerung, ich war vor Jahren schon einmal auf dieser Seite gewesen. Es war lange her, doch ich war mir sicher, dass es die selbe Seite gewesen war. Worum ging es auf der Seite nochmal? Die Ankunft meines Essens ließ mich diese Frage jedoch für einige Zeit vergessen. Es würde mir schon wieder einfallen, doch jetzt wurde erst einmal gegessen.

TEIL 13

Ben’s Perspektive

Genüsslich verschlang ich die Reste meines Spaghetti-Eises, welches ich mir zum Nachtisch gegönnt hatte. Im Nachhinein war es eine gute Entscheidung gewesen nicht alleine im Wohnwaggon zu essen, sondern eines der Restaurants der Einkaufspassage aufzusuchen. Nachdem ich mir als Hauptspeise eine Pizza mit Thunfisch gegönnt hatte, gab es zum Nachtisch ein kleines Spaghettieis. Da meine Eltern einkaufen gefahren waren, damit wir genügend Verpflegung für die kommenden Tage hatten, hatte ich mich entschieden hierher zu kommen.

Es tat gut auf der Dachterrasse des Restaurants zu sitzen, von wo ich in Ruhe das Treiben auf der Straße beobachten konnte. Allerdings war ich nicht der einzige, der diesen Platz für sich entdeckt hatte. Das Restaurant war voll mit Urlaubern, jeder Tisch war besetzt. Es war schön unter Menschen zu sein. Nachdem ich den gesamten gestrigen Tag damit zugebracht hatte meinen eigenen Gedanken nach zu hängen, wollte ich den heutigen Tag nicht wieder so zubringen. Hier hatte ich genug Ablenkung, obwohl auch diese natürlich nicht ausreichte um zu verhindern, dass meine Gedanken immer wieder zu Eddy zurück wanderten. Ich hielt auch heute an meiner Entscheidung fest, meine Gefühle zu Gunsten einer Freundschaft zurück zu halten. Allerdings hatte sich im Verlauf des Morgens irgendwie eine verrückte Idee in meinem Kopf gesetzt. Nach wie vor wollte ich mit jemanden über meine Gefühle und meine Unsicherheit reden, doch meine Freunde waren dafür viel zu weit weg.

Seit ich heute Morgen aufgewacht war, spielte ich mit dem Gedanken mit meinem Vater darüber zu reden. Ich wusste zwar, dass es für die meisten Väter weitaus schwieriger war damit umzugehen, aber ich hatte zu ihm ein viel besseres Verhältnis als zu meiner Mutter. Da ich nicht damit rechnete, dass meine Gefühle nach diesem Urlaub endeten, würde ich sowieso früher oder später mit meinen Eltern darüber reden müssen. Denn wenn es wahrscheinlich auch nicht Eddy sein würde mit dem ich eine Beziehung eingehen würde, so würde es irgendwann bestimmt einen Jungen geben, mit dem ich bereit war diesen Schritt einzugehen. Ich glaubte an das alte Motto: Auf jeden Topf passt ein Deckel. Ich bildete da wahrscheinlich keine Ausnahme, auch wenn es natürlich schwieriger war jemanden zu finden. Was sollte mein Vater auch schon groß machen? Mich hier sitzen lassen? Nein, ich wusste, dass meine Eltern mich liebten und auch wenn es im ersten Moment ein Schock für sie sein würde, so könnten sie mich niemals dafür verstoßen, da war ich mir sicher.

Also war jetzt nur noch die Frage, wie ich es am geschicktesten anstellen sollte. Es einfach frei heraus sagen oder mich langsam herantasten und erst einmal seine Reaktionen abwarten? Manchmal hatte ich das Gefühl, dass sobald ich eine Frage für mich selber beantwortet hatte, zehn weitere auftauchten. Das Leben wäre ja auch langweilig, wenn es leicht wäre. Bei diesem Gedanken musste ich schmunzeln. Ein Kumpel von mir, der es, seit ich denken kann nicht leicht gehabt hatte, hatte diesen Satz immer gesagt. Ich bewunderte es, wie er es schaffte nach jedem Rückschlag wieder aufzustehen und mit einem Lächeln weiter zu machen. Vielleicht sollte ich mir von ihm eine Scheibe abschneiden, verkehrt wäre das sicher nicht. Satt und zufrieden schob ich den leeren Eisbecher von mir weg.
Sehr gut.

So lecker hatte ich schon lange nicht mehr gegessen. Es dauerte nicht lang, da stand eine Bedienung neben mir und fragte, ob ich noch etwas haben wollte. Ich schaute mich einmal kurz um und stellte fest, dass es noch immer sehr voll war. Immer wieder tauchten am Eingang Menschen auf, die enttäuscht abzogen, als sie bemerkten, dass alle Tische besetzt waren. Bevor die Kellnerin noch auf die Idee kam mich freundlich darum zu bitten den Tisch für neue Gäste zu räumen, bestellte ich mir noch eine Cola. So lange ich noch etwas vor mir hatte, würde niemand auf die Idee kommen mich weg zu schicken. Kurz nachdem die Kellnerin gegangen war, tauchte ein Mädchen an meinem Tisch auf.

Für eine Sekunde hielt ich sie für eines der Mädchen die wir der Disco kennengelernt hatten und welche mir indirekt die verbundene Hand eingebracht hatten. Allerdings hatte sie kaum Ähnlichkeit mit Maike oder Lea.
Sie hatte feuerrotes Haar, ihr hübsches Gesicht zierte ein verlegenes Lächeln. „Entschuldigung,“, sprach sie mich an, „Darf ich mich zu dir setzen? Alle anderen Tische sind voll und ich dachte mir, dass du bestimmt nichts gegen ein bisschen Gesellschaft hast.“, erklärte sie mit schüchterner Stimme.

„Aber klar, setz dich ruhig. Ich brauche sowieso nicht so viel Platz.“, erwiderte ich.
„Danke. Ich heiße übrigens Caroline, aber Caro reicht völlig.“, stellte sie sich vor.
„Schön deine Bekanntschaft zu machen, ich heiße Ben.“, sagte ich. Ihre Art hatte etwas verführerisches und es kam mir für einen Augenblick so, als stecke hinter dem schüchternen Lächeln weitaus mehr, als sie offenbaren wollte. Auch die Tatsache, dass sie nur mit einem knappen Bikini und einem engen T-Shirt bekleidet umherlief, weckte in mir den Verdacht, dass sie nicht ganz so unschuldig war wie sie tat.

„Und wie lange bist du schon hier?“, fragte ich, während ich darauf wartete, dass die Bedienung mit meiner Cola zurück kam und Caro darauf wartete bestellen zu können.
„Zwei Wochen schon. Zwei weitere kommen noch. Ich bin mit einigen Freunden hier, wir machen erst einmal Urlaub, jetzt wo wir mit der Schule fertig sind. Und du?“

„Ich bin erst ein paar Tage hier. Ich bin leider noch nicht fertig, ein Jahr habe ich noch.“, erklärte ich, als ich von einem Kellner unterbrochen wurde, der mir meine Cola brachte. Nachdem Caro bestellt hatte, plauderten wir eine ganze Zeit weiter und unterhielten uns über dies und jenes. Als ich ihr erzählte, dass ich mit meinen Eltern hier war, erntete ich ein mitleidiges Lächeln und das Angebot, doch Abends mal bei ihr und ihren Freunden vorbei zu schauen, wenn mir langweilig werden würde. Innerhalb der kurzen Zeit schaffte sie es mich in ihren Bann zu ziehen. Schon bald war ihre schüchterne Zurückhaltung wie weggewischt und ihre natürliche und durchaus anziehende Art kam zum Vorschein. Trotz allem hatte sie etwas geheimnisvolles an sich, dass sie für mich irgendwie interessanter werden ließ. Eine ganze Zeit brachten wir so zu und unterhielten uns gut, ich bestellte mir noch zwei Colas und sie war zwischenzeitlich in ihre Linguini mit Scampis vertieft gewesen. Jetzt wo sie fertig war, kam die Sprache wieder auf mich.

„Und gibt es in Deutschland jemanden, der auf dich wartet?“, fragte sie.
Überrascht musterte ich sie, mit so einer direkten Frage hatte ich von ihr gar nicht gerechnet. In ihrem Gesicht spiegelte sich unverhohlene Neugier. Doch noch etwas anderes lag in ihrem Blick, was ich nicht zu deuten vermochte. Nach einigem Zögern antwortete ich:

„Nein, es gibt niemanden der auf mich wartet. Wie sieht es bei dir aus? Wartet auf dich jemand? Oder ist einer deiner Freunde von hier doch mehr als nur ein Freund?“, fragte ich, doch schon im nächsten Moment war ich von mir selber überrascht. Warum fragte ich sie so etwas? Ich hatte doch kein wirkliches Interesse an ihr, oder etwa doch? Nein, ich war nur höflich sagte ich mir, auch auf die Gefahr hin, dass diese Frage einen falschen Eindruck vermitteln konnte.

Sie lächelte: „Nein, es gibt niemanden der auf mich wartet. Und die mit denen ich hier bin sind auch alle nur Freunde. Meine letzten Beziehungen waren irgendwie alle sehr enttäuschend, darum warte ich im Moment eher ab.“, erklärte sie, während sie mich aufmerksam ansah.

„Das kenne ich.“, hörte ich mich sagen „Mir ging es ähnlich. Meine letzte Beziehung war auch nicht das was ich mir vorgestellt hatte und seit dem hatte ich auch noch nicht wirklich wieder Lust auf eine neue. Aber ich will mal sehen, was dieser Urlaub so mit sich bringt.“, sagte ich und warf und warf ihr dabei einen Blick zu, der eindeutiger nicht hätte sein können.

Was tue ich da? Es kam mir so vor, als hätte ich nicht länger die Macht über meinen Körper, als folge er den Befehlen von jemand anderes und ich hätte nur noch eine Beobachterposition. Meine eigenen Worte schockierten mich. Gerade gestern war es doch gewesen, dass ich geglaubt hatte schwul zu sein und heute fing ich an mit einem Mädchen zu flirten? Das passte doch hinten und vorne nicht. Vielleicht war meine „Entscheidung“ vorschnell gewesen? Was wenn ich nicht bloß auf Jungs sondern auch teilweise auf Mädchen stand?

„Ben?!“, Caros Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
„Äh was?“ Entschuldige, mir ist da gerade etwas wieder eingefallen. Was hast du gesagt?“, fragte ich etwas verdattert. Ich war so in meine eigenen Gedanken vertieft gewesen, dass ich ihre Anwesenheit für einen Augenblick völlig vergessen hatte.
„Ich habe gefragt, ob du Lust hast mal etwas zu unternehmen? Mit meinen Freunden und mir?“, sie betonte das letzte Wort besonders.

„Ähm klar, wieso nicht? Ich weiß ja jetzt wo du wohnst, ich komme dann einfach irgendwann mal vorbei.“, stotterte ich. „Ich muss jetzt aber leider los, ich hab völlig vergessen, dass meine Eltern jetzt gleich mit mir weg wollten.“, log ich.

„Oh schade, ich hätte mich gerne noch ein bisschen mehr mit dir unterhalten. Aber gut, die Eltern sollte man nicht warten lassen.“, erwiderte sie mit einem enttäuschten Gesichtsausdruck. „Du kommst doch mal vorbei oder?“, fragte sie. Ich hatte mich schon erhoben und zum Gehen gewandt. „Sicher, gerne.“, erklärte ich, ohne mich noch einmal umzudrehen. Ich ging schnell zu der Kasse im Eingangsbereich und zahlte, ehe ich das Restaurant verließ.

Als ich unten durch die Einkaufspassage ging glaubte ich ihre Blicke von der Terrasse aus in meinem Rücken spüren zu können.

Die Sicherheit die ich noch am Vormittag verspürt hatte war jetzt wie weggefegt. Die Begegnung mit Caro hatte mich wieder zurück in mein Tal aus Verunsicherung gestoßen. Ich irrte zurück zu unserem Wohnwaggon, allerdings nahm ich ab und an eine falsche Abzweigung, so als hätte sich die Unsicherheit über meine Sexualität auf meinen Orientierungssinn übertragen. Zu Hause angekommen stellte ich fest, dass meine Eltern schon wieder da waren, zumindest stand die Eingangstür offen. Unser Auto war jedoch noch nicht wieder zurück.

„Hallo?!“ rief ich, als ich eintrat.
„Hallo.“, kam es von meinem Vater aus der Küche zurück. Er war gerade dabei die zwei riesigen Klappkörbe auszuräumen, die auf dem Küchentisch standen.
„Wo sind Mama und das Auto denn?“, fragte ich verwundert.
„Die wollte noch ein wenig durch die Stadt schlüren. Ich hatte keine Lust mehr, darum haben wir uns darauf geeinigt, dass ich sie mich hier mitsamt der eingekauften Sachen ablädt und ich die schon ausräume, während sie noch einmal fährt.“

„Achso.“ Ich ging zu ihm herüber und half ihm die Sachen auszupacken. Während wir Nudeln, Konserven und Getränke in die Schränke einsortierten, kam mir die Idee meine Vorsatz vom Morgen gleich jetzt in die Tat um zu setzen. Meine Mutter wäre noch einige Zeit weg, also hätten wir genug Zeit in Ruhe zu sprechen.

Plötzlich wurde ich nervös. Mein Herzschlag beschleunigte sich, meine Hände wurden schwitzig. Sollte ich es wirklich tun? Na los, mach schon. Wies mich eine innere Stimme an. In mir tobte ein wilder Kampf der Gefühle. Ich schob alle Zweifel und alle Hoffnungen bei Seite und holte tief Luft.

„Papa, ich muss dir etwas sagen.“, krächzte ich. Meine Stimme war kurz davor zu versagen. Mein Vater schaute mich erwartungsvoll an, das Marmeladenglas noch in der Hand. Ich schloss die Augen und holte erneut tief Luft. „Ich glaube ich bin…schwul!“, stieß ich mit letzter Kraft hervor. Das Gesicht meines Vater verzerrte sich, das Marmeladenglas fiel scheppernd zu Boden. Mit einem hellen Klirren zerbrach es in tausend Teile…

TEIL 14

Entgeistert sah mich mein Vater an. Oh mein Gott, das war ein riesiger Fehler! Wie hatte ich nur so dumm sein können zu glauben, dass er das gut aufnimmt? Geschockt von seiner Reaktion starrte ich meinen Vater nur an. Ich war nicht in der Lage mich zu rühren oder irgendetwas zu sagen. Ich wartete darauf, dass mein Vater irgendwie reagierte, aber auch er stand einfach nur da.

Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis sich seine Züge veränderten. Der entgeisterte Ausdruck verschwand und ein Lächeln trat an dessen Stellen. Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Jetzt schaute ich ihn voller Verwunderung an.

„Ach ehrlich?“, sagte er. „Schön das du es auch endlich gemerkt hast.“
Jetzt klappte mir die Kinnlade herunter.
„Du…du…wusstest es?“, stammelte ich.
„Glaubst du denn ich sei doof?“, fragte er. „Meine Güte, das ist doch nichts schlimmes.“
Jetzt verstand ich die Welt nicht mehr. Wie hatte er es wissen können? Und warum hat er mich so böse angeschaut als ich es ihm gesagt habe? Erst langsam begriff ich seine letzten Worte.
„Du hast kein Problem damit?“, fragte ich erstaunt.
„Warum sollte ich? Du stehst auf Jungs, na und? Sorgen würde ich mir machen, wenn du mir gesagt hättest, dass du krank bist.“
„Aber warum hast du dann das Marmeladenglas fallen lassen und mich so böse angeschaut?“, fragte ich noch etwas verunsichert.
„Nun…“, er druckste etwas verlegen herum, „Weil ich mir deinen geschockten Gesichtsausdruck nicht entgehen lassen wollte.“
„Was?“, ungläubig starrte ich ihn an. „Du hast dir einen Spaß daraus gemacht? Ich mache mir hier unglaubliche Gedanken und du hast nichts besseres zu tun als mich reinzulegen?“ Ich konnte es nicht fassen. Natürlich war ich froh, dass mein Vater es so gut aufgenommen hatte, aber die Tatsache, dass er mich so hinters Licht geführt hatte nagte an mir.
„Entschuldige, ich wusste nicht, dass das so schwer für dich war.“, sagte er mir deutlicher Reue in der Stimme.
„Schon ok“, winkte ich ab. „Aber woher wusstest du es?“, fragte ich, während ich ihm half die Sauerei des zerstörten Marmeladenglases zu beseitigen.
„Ich weiß nicht.“, er zuckte mit den Schultern, „Ich hatte schon immer das Gefühl, dass du ein wenig anders bist. Es war einfach immer so eine Ahnung, woher die kam kann ich dir auch nicht sagen. Vielleicht spürt man das einfach bei seinen eigenen Kindern. Aber sicher bin ich mir erst hier geworden. Es war leicht zu erkennen, die Art und Weise wie du mit ihm umgegangen bist. Vor allem aber auch wie du ihn angesehen hast. Das war mehr als deutlich.“
„Wirklich?“, fragte ich überrascht. Wenn es für meinen Vater so offensichtlich war, war es für Eddy dann genauso deutlich gewesen?
„Ich fürchte ja. Und diese Aktion vorgestern: Niemand zieht sich solche Wunden zu, wenn er in einen Karton mit Gläsern fällt. So wie die Scherben in deiner Hand steckten, war klar, dass du hinein geschlagen hast. Die Frage ist nur warum? Es hat irgendetwas mit Eddy zu tun, liege ich da richtig?“, erwartungsvoll sah er mich an.
Gott, ich war ja quasi ein offenes Buch für meinen Vater. Immerhin kann ich mit ihm darüber reden. Diese Unterredung mit ihm verläuft viel besser, als ich es mir jemals hätte erträumen können.
„Ja, es hat etwas mit ihm zu tun.“ Ich entschied mich kurzerhand, ihm die ganze Wahrheit zu sagen. Vielleicht konnte er mir ja einen Rat geben was zu tun war. Ich erzählte ihm die ganze Geschichte, den Aufenthalt in der Disco. Das Zusammentreffen mit Maike und Lea, wie ich Eddy und sie beim Küssen beobachtet hatte und wie ich in dem Moment bemerkt hatte was mit mir los war. Er hörte mir aufmerksam zu, jetzt, wo ich fertig war, saß er nur da und schaute mich an. Ich wartete darauf, dass er etwas sagte, doch er blieb stumm.

„Und, willst du gar nichts dazu sagen?“, fragte ich ihn.
„Mhh das ist jetzt natürlich eine schwierige Situation.“, erklärte er.
„Ich weiß.“, sagte ich etwas konsterniert.
„Ich versuche mich gerade zu erinnern, wie ich es damals gemacht habe.“
„Wie du was damals gemacht hast?“, fragte ich. Gab es da etwas, was mein Vater mir nie erzählt hatte?
Er lächelte mich an. „Auch ich war mal in einen Jungen verliebt.“
„Ernsthaft?“, jetzt war ich wirklich überrascht.
„Ja, das war noch während der Schulzeit, im vorletzten Jahr. Er ging mit mir in dieselbe Klasse und irgendwann während der Proben für unser Theaterprojekt, hatte es dann wohl gefunkt. Jedenfalls war ich wirklich Hin- und Weg von ihm. Nur hatte ich nie wirklich was mit ihm zu tun, also hatte ich keine Ahnung, ob er eine Freundin hatte oder sonst was. Für mich war jedoch klar, dass ich das nicht so auf mir sitzen lassen konnte. Ich wollte mehr über ihn erfahren, also nutzte ich jede sich mir bietende Gelegenheit um ihm nahe zu sein und ihn näher kennenzulernen.“
„Aber war das damals nicht komisch für dich? Ich meine für mich war das im ersten Moment total verwirrend.“, unterbrach ich ihn.
„Natürlich war es das.“, fuhr er fort. „Es war auch noch eine andere Zeit. Ich meine die Hippiebewegung kam gerade durch und die verschonte auch uns nicht. Das hatte allerdings auch Vorteile. Man begann gerade sich von dieser prüden Art zu lösen, zumindest die jüngere, also damals meine, Generation. Alle wollten neues ausprobieren und die Homophobie die zuvor geherrscht hatte, ging langsam zurück, auch wenn sie damals noch weit aus mehr ausgeprägt war, wie sie es heute ist. Ich war also anfangs noch hin- und hergerissen von meinen Gefühlen, zum einen hatte ich immer die Stimmen meiner Eltern im Kopf, wenn sie darüber redeten, wie schändlich und schlecht doch die Homosexuellen sein, zum anderen war da aber auch dieses Verlangen zu ihm. Irgendwann siegte dann das Verlangen und ich entschloss mich mich nicht länger von der herrschenden Homophobie beeinflussen zu lassen. Ich schaffte es tatsächlich ihm näher zu kommen und mir eine Freundschaft zu ihm aufzubauen. Irgendwann unternahmen wir dann auch relativ viel zusammen, gingen schwimmen, fuhren Fahrrad, rauchten Gras, was man damals halt so machte.“
„Wie Bitte?!“, ich hatte mich wohl verhört. Hatte mein Vater, der mir sonst immer einbläute ich solle ja die Finger von jeglicher Art von Drogen lassen, mir gerade beiläufig erzählt, dass er damals selber andauern welche genommen hatte?
„Jaja, ich weiß, ich mache dir deswegen immer Vorhaltungen. Aber damals war das etwas anderes, wir wussten wo das Zeug herkam und dass es rein war. Außerdem haben es damals eigentlich alle gemacht und man konnte gar nicht anders als mit zu machen.“, erklärte er.

Ich schaute ihn noch immer tadelnd an. Bevor ich jedoch etwas sagen konnte, fuhr er fort: „So, weiter in der Geschichte. Nach einiger Zeit waren wir dann so eng befreundet, dass wir auch oft Sachen alleine gemacht haben, also ohne immer unsere Freunde im Schlepptau zu haben. Einen Nachmittag waren wir dann bei ihm, hatten ein wenig gekifft,“, er schaute verlegen zur Decke, „und Musik gehört. Radio war damals ja für einen Teenager schon das höchste der Gefühle, einen eigenen Fernseher zu haben, konnte man sich damals nicht leisten. In der Zeit vor diesem Nachmittag sind meine Gefühle auch immer stärker geworden, je näher ich ihn kennen gelernt hatte, desto mehr hatte ich mich auch verliebt. Zu dem Zeitpunkt hatte ich zumindest schon herausgefunden, dass er keine Freundin hatte und zu der Zeit auch in kein Mädchen verliebt war. Naja, wir verbrachten also den Nachmittag mit Musik einen Joint, der sich gewaschen hatte. Mein Vorteil, dann so sank meine Hemmschwelle immer weiter. Ich hatte mich in der ganzen Zeit davor nicht getraut ihn zu fragen oder ihm etwas über meinen Gefühle zu sagen, doch an dem Nachmittag ließen mich das Verlangen nach ihm und der zugedröhnte Zustand in dem ich mich befand, alle Ängste über Bord werfen…

TEIL 15

Ich lehnte mich also zu ihm herüber und er wich mir nicht aus.
Im Gegenteil.
Er schien ganz begierig darauf zu sein.
Wir küssten uns ziemlich lange. Mein erster Kurs mit einem Jungen, dass war schon ein komisches Gefühl. Nun ja, wir verbrachten dann noch einen sehr leidenschaftlichen Nachmittag.“

„Ok, danke, ich habe genug gehört.“, unterbrach ich ihn. Das Sexleben meines Vaters interessierte mich wahrlich nicht, auch nicht, wenn es schon viele Jahre her war.
„Was ist danach passiert?“, fragte ich. „Ich meine wart ihr dann zusammen, oder wie ist das damals gelaufen? Es wird ja trotz der aufkommenden Toleranz nicht einfach gewesen sein eine Beziehung zu führen, oder?“

„Nun mal langsam,“, bremste mein Vater mich. „Wir waren danach nicht zusammen. Genau genommen blieb es bei dem Ereignis am Nachmittag.“, er zögerte etwas.

„Warum? Was ist passiert? Hatte er sich gar nicht in dich verliebt?“, setzte ich die Befragung fort. Die Geschichte meines Vaters hatte endgültig mein Interesse geweckt. Er hatte es in einer mehr als problematischen Zeit gewagt den ersten Schritt zu machen, da gehörte einiges an Mut zu, so viel stand fest. Und wenn mein Vater das damals schon gewagt hatte, dann konnte ich das heute doch erst recht.

„Doch, er war schon in mich verliebt.“, fuhr er fort. „Aber ich merkte, dass ich nie wirklich in ihn verliebt gewesen war. Es war für mich mehr ein Abenteuer gewesen. Ich hatte seine Art bewundert, dieses unglaubliche Selbstbewusstsein, diese Kühnheit sich mit allen und jedem anzulegen. Diese Eigenschaften hatten in mir eine tiefe Bewunderung zu ihm geschaffen, welche ich fälschlicherweise für Liebe gehalten hatte. Außerdem wurde mir klar, dass Jungs nicht wirklich mein Ding sind. Mädchen waren mir doch lieber, aber es ist eine Erfahrung, die ich bis heute nicht bereut habe.“

„Und was war danach mit ihm?“, fragte ich. Es überraschte mich, dass mein Vater seine zuvor erwähnten Gefühle jetzt einfach als bloße Bewunderung abtat.
„Mh, für ihn war das Ganze etwas schwieriger, denn er hatte sich wirklich in mich verliebt. Er war eine ganze Zeit lang sauer auf mich, aber nach ein paar Wochen hatte er sich wieder gefangen. Er war mir dann sogar dankbar, weil ich ihn dazu gebracht hatte, sich diese Gefühle überhaupt erst einzugestehen. Wir stehen sogar heute noch in Kontakt und bemühen uns mindestens einmal im Jahr zu telefonieren. Er befindet sich inzwischen in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.“, erklärte mein Vater.

„Aber wie kann es sein, dass du für so lange Zeit geglaubt hast, dass du verliebt in ihn bist und plötzlich, als es so weit war, kam dieser Gefühlswechsel?“, fragte ich. Es kam mir sehr suspekt vor, dass man seine eigenen Gefühle so lange missinterpretieren kann.

„Ich weiß es nicht. Es hat mich damals genauso verwundert, wie dich heute. Ich habe mir oft die Frage gestellt, ob ich nicht einfach kalte Füße bekommen habe, aber ich bin mir mittlerweile sicher, dass es daran nicht lag. Es war einfach wie es war, ich merkte, dass es nicht das Richtige für mich ist. Ich fand es damals besser gleich einen Schlussstrich unter die Sache zu ziehen, auch wenn es mir seinen Ärger eingebracht hat. Schon in der ersten Zeit wurde mir klar, dass diese Entscheidung richtig war. Wenn ich ihn fortan ansah, fühlte ich zwar noch Bewunderung, aber kein Verlangen mehr. Auch sonst blieben andere Männer für mich vollkommen uninteressant. Nun ja, als ich dann ein halbes Jahr später deine Mutter kennenlernte, war der Fall ohnehin klar.“

„Hast du ihr eigentlich jemals davon erzählt?“

„Nein.“, er zuckte mit den Schultern. „Irgendwie habe ich nie eine Notwendigkeit darin gesehen es ihr zu erzählen und sie hat mich nie nach so etwas gefragt.“

„Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ausgerechnet du mal eine solche Phase hattest.“, sprach ich meine Verwunderung offen heraus.

„Warum, was ist daran so besonders?“, fragte er.

„Naja, du bist immer so korrekt. Du versuchst immer so Gesellschaftskonform wie möglich zu sein und bloß nicht aufzufallen, da verwundert es schon, dass du jetzt von so einer Vergangenheit berichtest.

„Nun mach aber mal halblang.“, mein Vater wollte mich gerade zurechtweisen, als er von meiner Mutter unterbrochen wurde. Sie war in eben jenem Moment in der Tür aufgetaucht, beladen mit zwei Einkaufstüten, welche offensichtlich aus Kleidungsgeschäften stammten.

„Worüber streitet ihr denn schon wieder?“, fragte sie und schaute uns erwartungsvoll an.

„Über gar nichts.“, antworteten wir im Chor, was den misstrauischen Blicken meiner Mutter nicht gerade abträglich war. „Wir haben uns nur unterhalten.“, erklärte mein Vater. Da er diese Antwort gab, ließ meine Mutter es dabei beruhen. Sie ging in Richtung Schlafzimmer und begann zu schwärmen, was für wundervolle Kleider sie doch gefunden hatte. Ich warf meinem Vater einen fragenden Blick zu, doch dieser schüttelte nur den Kopf und murmelte „später“. Dies hatte meine stumme Frage an ihn, ob ich auch noch mit meiner Mutter reden sollte beantwortet, also ging ich auf mein Zimmer. Mein Vater war also der gleichen Meinung wie ich, es wohl besser noch zu warten.

In meinem Zimmer ließ ich mich erst einmal auf mein Bett fallen.
Was für ein Tag. Er hatte einige Überraschungen für mich bereit gehalten. Erst die Begegnung mit Cora und anschließend dieses sensationelle Gespräch mit meinem Vater. Ich hatte in meinen kühnsten Träumen nicht damit gerechnet, dass er so gut darauf reagiert. Wenn mir irgendjemand erzählt hätte, dass er mir auch noch so eine Story erzählt, den hätte ich wohl für verrückt erklärt.

Damit hatte ich mein erstes Coming-Out hinter mich gebracht und durch das Gespräch mit meinem Vater ein weiteres Stück Sicherheit gewonnen, dass diese Gefühle die ich hatte vollkommen in Ordnung waren. Das Gespräch mit meiner Mutter hatte noch Zeit, vielleicht würde ich es auch erst dann suchen, wenn ich irgendwann einen Freund hatte. Jetzt konnte ich mich auf einen schönen morgigen Tag mit Eddy freuen. Das Wetter sollte gut werden, also stand einem Tag am Strand und am Wasser nichts mehr im Wege.
Zumindest fast.

Ich warf einen besorgten Blick auf den Verband. Hoffentlich waren die Wunden schon so gut verheilt, dass ich damit ins Wasser konnte. Schicht um Schicht löste ich den schützenden Stoff von meiner Haut. Immerhin war der Verband kaum noch blutig.
Ich zögerte einen Moment bevor ich die letzte Lage entfernte. Der Anblick der mich erwartete, entschied darüber, ob ich bald wieder ins Wasser konnte oder nicht.
Als ich die letzte Bahn entfernte, atmete ich auf.

Die Wunden waren schon gut verheilt. Überall bildete sich neue, rosafarbene Haut. Keine schien mehr zu bluten. Auch wenn die neue Haut noch sehr empfindlich aussah, wagte ich es meine Hand ein bisschen zu bewegen. Sie wurde arg strapaziert, aber keine der Wunden riss wieder auf.

Dennoch, für größere Aktivitäten würde das wohl noch nicht reichen. Enttäuscht schaute ich auf die Verletzungen, so würde ich noch nicht ins Wasser gehen können. Ich musste mich also damit begnügen Eddy vom Strand aus zuzusehen, wie er sich im Wasser austobte. Ich nahm die kleine Tasche mit neuem Verbandszeug von meinem Nachtschrank und versuchte mir einen neuen Verband zu machen. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, rief ich meine Mutter herbei, damit sie mir behilflich war. Als der neue Verband angelegt war, fragte sie ob wir nicht eine Runde Boule spielen wollten.

Da Eddy noch immer nicht wieder da war und mir auch sonst keine gute Beschäftigung für den restlichen Tag einfiel, stimmte ich zu, unter der Voraussetzung, dass meine Eltern auch jeweils ihre schwache Hand benutzen mussten.
Erstaunlicherweise hatten wir sogar viel Spaß dabei und auch der anschließende Gang zur Eisdiele verlief angenehm. So fiel ich abends mit einem sehr guten Gefühl in mein Bett und es dauerte auch nicht lange, bis ich eingeschlafen war. Es war einfach ein durch und durch guter Tag gewesen.

TEIL 16

„Aufstehen Schlafmütze!“, weckte mich eine allzu bekannte Stimme.
Verschlafen sah ich mich um, bis ich schließlich einen strahlenden Eddy neben meinem Bett entdeckte.
„Guten Morgen.“, gab ich noch etwas desorientiert zurück.
„Morgen?“, entrüstete Eddy sich. „Es ist schon nach 11. Sieh zu, dass du aufstehst, damit wir endlich los kommen.“
„Losfahren? Wohin?“, ich war immer noch nicht auf der Höhe.
„Zum Strand natürlich. Das Wetter ist einfach perfekt. Die Sonne scheint ohne Ende und es ist richtig warm. Also mach hinne, in spätestens einer halben Stunde fahre ich.“, drohte er.
„Ich kann doch eh nicht ins Wasser. Du weißt doch, meine Hand.“, bremste ich ihn und schob die verbundene Hand unter der Bettdecke hervor. Allerdings wurde Eddys Grinsen nur noch breiter.
„Keine Angst. Ich habe vorgesorgt.“, triumphierend reckte er seine linke Hand in die Höhe.
„Was hast du da?“, fragte ich. Ich war noch zu verschlafen um Details zu erkennen.
„Einen Gummihandschuh und Panzertape.“, erklärte er.
Ich setzte mich in meinem Bett auf, um die Utensilien genauer betrachten zu können.
„Und du meinst das funktioniert?“, fragte ich ihn.
„Ich hoffe es zumindest. Aber du kannst es jetzt unter der Dusche direkt ausprobieren. Ich packe in der Zeit das Auto.“
Überrascht schaute ich ihn an. „Was gibt es denn zu packen?“
„Das Zelt und so. Ich dachte mir wir könnten uns doch die Fahrerei sparen, indem wir einfach am Strand zelten. Dann können wir morgen früh direkt wieder ins Wasser, ohne dass wir erst fahren müssen. Verpflegung haben wir auch genug, es ist also für alles gesorgt. Es sei denn du hast keine Lust?“, fragend schaute er mich an.
„Machst du Witze? Klar habe ich Lust. Dafür breche ich sogar meine Nachtruhe ab.“, erklärte ich.
„Perfekt. Ich kümmere mich dann mal um das Auto.“, sagte er und ging hinaus. Vorfreude stieg in mir auf. Mir standen vermutlich zwei sehr lustige Tage bevor.
Gut gelaunt ging ich ins Bad und machte mich mit Hilfe des neuen Wasserschutzes fertig.

Etwa dreißig Minuten später saßen wir schon in Eddys Auto und waren auf dem Weg zum Strand. Eddys Handschuh-Tape-Konstruktion hatte tatsächlich gehalten, ein längerer Aufenthalt im Wasser war also kein Problem. Als ich beim Frühstück meinen Eltern von unseren Plänen berichtete, hatten diese sich darüber gefreut, dass ich die nächsten zwei Tage mit Eddy verbrachte. Mein Vater hatte mir sogar ein aufmunterndes Zwinkern zu geworfen, was auch immer das zu bedeuten hatte.
Wollte er mich etwa ermutigen den entscheidenden Schritt bei Eddy zu wagen?
Gedankenverloren beobachtete ich Eddy während der Autofahrt. Dieser glückliche Ausdruck der in seinem Gesicht lag, war das mehr als nur freundschaftliche Freude Zeit mit mir verbringen zu können?
Vielleicht.
Aber die Tatsache, dass er schon zwei Freundinnen hatte, spricht wohl dagegen. Es waren immer wieder die gleichen Gedanken und Fragen die in meinem Kopf kreisten. Auch wenn ich mich entschlossen hatte ihm nichts von meinen Gefühlen zu sagen, verschwanden diese Fragen nicht einfach. Allerdings konnte ich nur Antworten finden, wenn ich bereit war Risiken einzugehen. Warum konnte so etwas nicht einfacher sein? Warum gab es nicht ein Programm, welches einem genau die Sexualität des anderen verriet?

„Mist.“, fluchte ich ungewollt laut.
„Was?“, fragte Eddy.
„Hä? Ich hab nichts gesagt.“, behauptete ich.
„Na klar. Du hast gerade geflucht, also warum?“ Er schaute mich fragend an.
„Hab ich?“, innerlich ärgerte ich mich, ich hatte das gar nicht laut aussprechen wollen.
„Ja, hast du.“, erwiderte er energisch. „Also, was ist es worüber du dich aufregst?“
„Ach nichts. Ich war nur in Gedanken. Wie war es eigentlich gestern mit deinen Eltern?“, versuchte ich das Thema zu wechseln.
„Ganz ok.“, erklärte er. Anscheinend hatte der plumpe Versuch funktioniert. „Wir sind durch ganz Rom gelaufen und haben uns alle Sehenswürdigkeiten angeschaut, eine sehr interessante Stadt muss ich sagen.“
„Das klingt jetzt aber nicht sehr begeistert.“
„Doch, eigentlich fand ich die Stadt schon sehr interessant und ich hatte mich schon lange darauf gefreut sie zu sehen, aber gestern war irgendwie… komisch. Kann ich auch nicht richtig erklären.“, sagte er.
„Hm okay. Naja, ist zwar schade, dass es letztendlich nicht so war, wie du es dir vorgestellt hast, aber vielleicht wird der nächste Besuch interessanter.“, versuchte ich ihn aufzumuntern.
„Schauen wir mal. So wir sind da!“
Erstaunt schaute ich mich um. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass wir schon so weit waren.
„Wollen wir die Sachen jetzt schon alle mit raus nehmen, oder erst später?“, fragte er.
„Später. Jetzt will ich erst einmal ins Wasser.“, erklärte ich und schon machten wir uns daran die Surfbretter und zwei Handtücher auszuladen. Meine Hand wurde wieder wasserfest gemacht und schon konnte es losgehen.

Das Wasser war eine willkommene Abwechslung von der Hitze, die schon so früh herrschte.
„Bist du bereit wieder aufs Brett zu steigen?“, fragte er, nachdem wir uns ein paar Minuten so abgekühlt hatten.
„Na klar.“ erwiderte ich und machte mich auf den Weg mein Surfbrett zu holen.
„Wie kommt es eigentlich, dass die Wellen hier so gut brechen? Denn eigentlich ist Italien, beziehungsweise die Adria, ja nicht so die Surfregion, um es mal milde auszudrücken.“, fragte ich ihn.
„Du hast Recht, das ist ungewöhnlich, darum habe ich mir die Frage auch schon oft gestellt. Ich glaube es liegt an der Klippe, die ein Stück vom Strand unter Wasser ist. Irgendwann als ich hier mal tauchen war, habe ich die entdeckt. Der größte Teil dieser Bucht hier liegt auf einem Plateau und da ist ein Unterschied von ein paar Metern bis zum eigentlichen Grund. Ich kann dir allerdings nicht sagen, ob das wirklich die Ursache ist, ich kenne mich mit so etwas nämlich überhaupt nicht aus. Vielleicht ist es auch nur eine Laune der Natur oder ein Wunder Gottes.“, scherzte er.
„Wir werden es wohl nicht erfahren.“, erwiderte ich mit einem Achselzucken. „Wir sollten einfach froh sein, dass es ist wie es ist.“, fügte ich an, dann stürzte ich mich mit dem Surfbrett in die Fluten.
Auch wenn mir das Paddeln noch einige Schwierigkeiten bereitete, stellte die kaputte Hand alles in allem kein großes Hindernis dar.

Wir surften einige Zeit vor uns hin, bis Eddy es sich anscheinend zur Aufgabe gemacht hatte mich während des Wellenreitens von meinem Brett zu schubsen.
„Na warte!“, drohte ich ihm, nachdem er mich das dritte Mal erfolgreich vom Brett geholt hatte. Ich bemühte mich, während des Surfens neben ihn zu kommen aber da er um einiges geschickter und geübter war als ich, endeten meine Versuche alle im kühlen Nass.
„Wirklich sehr elegant.“, spottete er, nachdem ich wieder einmal an ihm vorbei gesegelt war.
„Keine Angst, du kriegst dein Fett schon noch weg.“, sagte ich, als ich mich mit meinem Brett auf dem Weg fort vom Strand machte.
Diesmal erwischte ich eine gute Welle. Ich schaffte es gut mein Gleichgewicht zu halten, während Eddy direkt neben mir war.
Jetzt oder nie, dachte ich als ich mich von meinem Brett abstieß.
Endlich klappte es.
Ich traf ihn und zusammen landeten wir im Wasser, wo sofort eine Welle über uns zusammenbrach. Für einen Moment verlor ich vollkommen die Orientierung. Ich wurde unkontrolliert durch das Wasser gewirbelt, um mich herum war alles voller Luftblasen.
Ich konnte nicht erkennen wo der Grund war, oder wo sich die Oberfläche befand. Wie wild schlug ich um mich, bei dem Versuch die Oberfläche zu erreichen.
Endlich trafen meine Füße irgendetwas festes, so gut ich konnte stieß ich mich ab. Mein Kopf durchstieß die Oberfläche, gierig sog ich die Luft in meine Lungen.
Jedoch war mir der Segen des freien Atmens nicht lange vergönnt. Aus dem Augenwinkel sah ich etwas buntes auf mich zufliegen.
Geistesgegenwärtig hob ich meine Hände vors Gesicht.
Keine gute Idee, wie sich herausstellte. Siedender Schmerz durchzog meine rechte Hand, als der Gegenstand darauf traf. Ich wurde wieder unter Wasser gedrückt und ich war mir sicher, dass mein Blickfeld nicht nur wegen des Wassers verschwommen war. Panisch versuchte ich wieder an die Oberfläche zu gelangen, die schmerzende Hand dicht an meinen Körper gepresst.
Plötzlich spürte ich wie jemand mich unter den Armen fasste und begann mich durchs Wasser zu ziehen. Mein Kopf kam wieder an die Oberfläche, das zweite Mal innerhalb kürzester Zeit war ich froh, wieder Luft in meinen brennenden Lungen zu saugen. Die Schmerzen, die von meiner Hand ausgingen lähmten mich noch immer, darum ließ ich mich so lange ziehen, bis ich wieder Boden unter den Füßen spürte.

„Okay, es reicht danke.“, schnaufte ich und schon ließen die Arme mich los. Ich richtete mich auf und betrachtete erst einmal meine schmerzende Hand. Durch den Handschuh war nicht viel zu erkennen, aber ich glaubte ein paar rote Flecken in dem Verband erkennen zu können.
„Geht es dir gut? Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“, sagte Eddy. Besorgt schaute er mich an. Er musste sich ziemlich angestrengt haben, da er sehr schwer atmete.
„Ja, mir geht es so weit gut.“, antwortete ich, als ich wieder zu Atem gekommen war. „Nur meine Hand tut höllisch weh, irgendwas hat mich getroffen. Ich glaube es war eines der Surfbretter.“, erklärte ich.
„Die Bretter!“ Eddy zuckte zusammen. Einen Moment suchte er das Meer ab, dann stürzte er ins Wasser. Glücklicherweise waren die beiden Bretter nicht allzu weit von uns entfernt, sodass Eddy sie schnell wieder eingesammelt hatte. Mit fiel auf, dass er das kürzere Brett zuerst holte, obwohl das andere viel näher gewesen wäre. Während er die Surfbretter vor dem Abtreiben bewahrt hatte, war ich schon weiter zum Strand gegangen, die verletzte Hand noch immer an mich gepresst. Der Schmerz ließ langsam nach, dafür ging jedoch ein unangenehmes puckern durch die Hand.

„Entschuldige, aber ich wollte die Bretter nicht einfach so abtreiben lassen.“, erklärte Eddy, nachdem er zum Strand zurückgekehrt war.
„Schon ok.“, winkte ich ab.
„Dann sollten wir uns jetzt erst einmal deine Hand anschauen. Am besten wir gehen zum Auto zurück, da haben wir auch neues Verbandsmaterial.“, schlug er vor.
„So machen wir es.“, stimmte ich ihm zu. Wir trockneten uns noch ein wenig ab, bevor wir uns mit einem Surfbrett auf den Weg zurück machten.

„Dann zeig mal her.“, forderte Eddy mich auf, als wir wieder im Auto saßen. Bereitwillig hielt ich ihm meine Hand hin. Vorsichtig begann er das Tape zu lösen und den Handschuh abzuziehen. Als der Gummihandschuh ab war, war deutlich zu erkennen, dass die Wunden wieder angefangen hatten zu bluten. Überall hatten sich rote Flecken gebildet.
„Autsch. Das sieht nicht so gut aus.“, kommentierte Eddy das Bild, welches sich uns bot.
„Nicht wirklich.“, pflichtete ich ihm bei. Als wir den Verband entfernt hatten, bestätigte sich unser Verdacht. Zahlreiche Wunden waren wieder aufgebrochen und hatten erneut begonnen zu bluten.
„Dumm gelaufen.“, sagte ich. Die Schmerzen hatten schon gut nachgelassen, darum konnte ich diesen Rückschlag etwas nüchterner betrachten
„Immerhin war es ein richtiger Volltreffer. Ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, dass du schon wieder so nah an mir dran warst. Der Punkt geht eindeutig an dich.“, witzelte er, ein aufmunterndes Lächeln zierte sein Gesicht.
„Zu viel der Ehre, so oft wie ich an dir vorbeigesegelt bin, zählt dieser eine Treffer wohl nichts.“, wandte ich ein, während wir die Hand neu verbanden. Als der neue Verband saß, streiften wir auch gleich wieder einen Handschuh darüber und befestigten ihn.
„Ich denke es ist besser, wenn du die Hand jetzt erst ein wenig schonst.“, riet Eddy. „Wir können ja schon mal das Zelt aufbauen und die Sachen für heute Abend herrichten.“, schlug er vor und so taten wir es dann auch.

Zuerst bauten wir das Zelt auf, wobei Eddy die meiste Arbeit machen musste, da ich mit meiner linken Hand keine große Hilfe war. Danach brachten wir die Schlafsäcke und Taschen ins Zelt, bevor wir zu guter Letzt eine Feuerstelle herrichteten, an der wir am Abend die mitgebrachten Bratwürste grillen wollten.

„Fertig.“, erschöpft setzte ich mich in den Sand neben unsere aus Steinen gebastelte Feuerstelle. Das Brennholz hatten wir uns am Campingplatz gekauft.
„Endlich.“, fügte Eddy an und setzte sich neben mich.
„Haben wir das schon einmal hinter uns gebracht. Wie geht es deiner Hand?“, fragte er.
„Schon besser, Schmerzen habe ich fast keine mehr und ich glaube die Blutung hat auch nachgelassen.“, erklärte ich.
„Na das klingt doch gut.“, sagte er.
„Habe ich mich eigentlich schon bei dir bedankt?“, fragte ich, in etwas ernsteren Ton.
„Wofür?“, verwirrt schaute er mich an.
„Dafür, dass du mich aus dem Wasser gezogen hast. Ich weiß nicht, ob ich ohne dich da so gut wieder raus gekommen wäre.“
„Ach, das war doch nichts.“, verlegen lächelte er. Einmal mehr wurde mir klar, wie unglaublich schön er war. Meine Gefühle begannen überzukochen.
Mein Herz schlug plötzlich wie verrückt. Das Verlangen in mir ihn zu küssen war unbeschreiblich. Nervosität machte sich in mir breit. Sollte ich es tun?
„Doch, nicht jeder hätte so gut reagiert wie du.“, krächzte ich mehr, als das ich es sagte.

Oh Gott, irgendwas muss jetzt passieren, ansonsten merkt er noch was los ist. Abrupt stand ich auf und ging zum Meer.
„Alles klar mit dir?“, fragte er.
Schon wieder sorgte er sich um mich.
„Ja, ich will mich nur mal kurz abkühlen, mir ist gerade so warm.“, erklärte ich.
Vielleicht konnte das kalte Wasser ja meine Gefühle abkühlen.
„Da komme ich doch glatt mit.“, sagte er und folgte mir.

Ich tauchte in das kühle Wasser und hoffte, wieder klare Gedanken fassen zu können.
Doch es half nichts. Das Verlangen ihn zu küssen beherrschte nach wie vor jeden meiner Gedanken.
Wenn ich nur nicht so feige wäre, würde ich es einfach tun, verfluchte ich mich selber. Noch immer zerrissen von meinem Verlangen ihn zu küssen und meinem Verstand, der mir davon abriet es zu tun, tauchte ich wieder auf. Es wäre ja auch zu einfach gewesen, wenn das kalte Wasser etwas verändert hätte.
Plötzlich tauchte Eddy genau vor mir auf. Wieder überkam es mich.
Alles war so verdammt wundervoll, das Rauschen der Wellen, die angenehme Wärme und dann noch dieser perfekte Junge. Zu allem Überfluss hatte er wieder dieses verschmitzte Lächeln im Gesicht.
Das brachte das Fass in mir zum Überlaufen. Die Dämme, welche das Verlangen zurückhielten, brachen, eine Welle von Gefühlen brach über meinen Verstand herein und schaltete ihn ab.
„Was soll schon passieren?“, mit diesem Gedanken schob ich alle Zweifel beiseite.
Dann küsste ich ihn.

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Wenn man nicht schon ein Kribbeln im Bauch hat dann spätestens jetzt :blush:
Ein richtig guter Moment um das Kapital enden zu lassen. Ich bin so so so gespannt wie es weitergeht und hoffe nicht zu lange warten zu müssen.
Mach weiter so, die Geschichte ist einfach nur schön und ich liebe es sie zu lesen :heart_eyes:

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