Teil 13 - Ich schwör, diesen Job gibt’s wirklich
„Da vorne ist es.“, sagte Jason aufgeregt.
„Sccchhht!“, zischte ich. „Doch nicht so laut! Was ist, wenn uns jemand hört?“
„Jetzt komm schon, dich erkennt sowieso keiner. Außerdem ist das hier nicht das einzige Haus weit und breit. Du könntest genauso gut beim Italiener gewesen sein, also stell dich nicht so an.“, sagte Jason leicht genervt.
„Ja, schon gut. Ich will nur kein unnötiges Risiko eingehen. Vor allem, weil ich mir nicht mal sicher bin ob das hier jetzt nur eine Phase oder sowas ist.“, sagte ich.
„Ich hätte gedacht, du machst das, weil du dir schon fast sicher bist?“, fragte Jason.
„Ja, aber eben nur fast. Ich habe keine Ahnung was mit mir los ist. Alles, was ich weiß, ist, dass ich das hier am liebsten vergessen würde, um ein stinknormales hetero Leben zu führen.“
„Oh man, da kriegt jemand kalte Füße“, meinte Jason. „Das sagst du jetzt doch nur, weil du Schiss hast, also komm jetzt. Und akzeptier dich endlich, sonst verkauf deine Sachen und bestell für das Geld Lady Gaga her damit sie dir zeigen kann, wie Selbstliebe funktioniert“
„Das hört sich viel einfacher an, als es am Ende ist, Jason.“, sagte ich hitzig. „Wenn ich jetzt durch diese Tür gehe und es sich herausstellt, dass es die richtige ist, schließen sich für mich aber gleichzeitig ein riesiger Haufen anderer Türen! Und durch ein paar davon zu gehen hatte ich mir schon ewig gewünscht. Außerdem haben auch alle riesige Erwartungen davon, was ich mal machen werde.“
„Dafür öffnen sich vielleicht Türen oder auch Fenster, durch die du lieber gehen würdest.“
„Vielleicht“
„Wir werden sehen.“, sagte Jason.
„Ja wir… DUCK DICH!“, rief ich und drückte ihn runter.
„Was ist denn jetzt los?“, fragte er mich.
„Im Gastgarten vom Italiener sitzt Lucia. Du weißt schon, sie arbeitet bei uns im Gym. Wenn die mich hier sieht, petzt sie das mit Sicherheit meinem Dad. Die ist das größte Klatschmaul im Ort.“
„Beruhige dich mal. Uns erkennt sowieso niemand. Apropos wie würdest du das eigentlich machen, wenn du das hier annimmst? Mit Football und dem Gym“
„Wenn die besser zahlen als mein Dad, geh ich nur noch zum Trainieren ins Gym“, sagte ich nur. Das konnte ich mir später auch noch überlegen.
Ich und Jason hatten beide Kapuzenpullis an. Die Kapuze hatte ich mir tief in die Stirn gezogen. Die Sonnenbrille hatte ich weggelassen, weil Jason meinte, das sähe lächerlich aus. Ich schielte zum Italiener. Lucia starrte weiterhin nur auf ihr Handy. Sie sah nicht mal auf als der Kellner zu ihr kam. Schon etwas unhöflich, aber das war unser Glück.
„Ok, lass uns weitergehen. Aber schnell!“, sagte ich im gedämpften Tonfall. Jason nickte. Wir gingen im Laufschritt weiter und kamen schließlich zu unserem Ziel. Wir blieben erstmal in der Nähe stehen.
„Können wir nicht umdrehen?“, fragte ich. Ich wurde zunehmend nervöser.
„Ich schon, aber du, mein Freund, gehst dort rein. Jetzt sind wir schon extra hergekommen, jetzt kneif nicht.“, sagte Jason.
„Bitte lass mich mit dir schwimmen gehen!“, flehte ich.
„Kommt nicht in Frage!“, sagte Jason bestimmt. „Und jetzt sag nicht, dass ich dir meine Nüsse borgen muss, weil du deine wohl verloren hast.“
„Sehr lustig.“, sagte ich. „Weißt du was? Haha! Du bist reingefallen – ich bin nie unsicher über meine Sexualität gewesen und war schon immer hetero. Verarscht! Also los, lass uns Pasta essen gehen!“
„Alter, ernsthaft?“, fragte Jason. „Auf das hier würde nicht mal meine kleine Schwester reinfallen. Sei gefälligst ein Mann und geh da jetzt rein. Du sollst sowieso zur Hintertür gehen und klopfen.“
Ich zog meine Schultern ein und sagte: „Na gut, ich mach das jetzt.“
„Ich habe dich im Auge.“, sagte Jason und begleitete mich bis hinter das Gebäude. Mit zittrigen Fingern betätigte ich die Klingel. Nach kurzer Zeit öffnete sich die Türe. Ich blickte zu Boden. Dann hörte ich die Stimme eines jungen Mannes.
„Hi, ähm was wollt ihr?“, fragte die Stimme.
„Hi“, sagte Jason. „Es geht um meinen Kumpel. Er möchte bei euch mal reinschnuppern und ich begleite ihn nur weil er sich allein nicht traut.“
„Stimmt doch gar nicht.“, sagte ich und blickte zum ersten Mal auf.
Ein junger Mann, der so aussah, als wäre er in unserem Alter stand in der Türe. Und zwar oben ohne. Ich wurde rot. Der Junge grinste selbstbewusst und strahlte eine besondere Art Stolz aus. So ähnlich wie Connor. Er war sehr attraktiv. Er hatte braunes, leicht gelocktes Haar, das er kurz trug und etwas vom Kopf abstand. Er hatte goldbraune Augen und war glattrasiert. Er sah sehr gepflegt aus.
„Ach so, ihr seid das. Dann bist du Brandon, stimmt’s?“, fragte er und hielt mir seine Hand hin. Ich ergriff sie. Ein fester Händedruck. Er zog die Augenbrauen hoch.
„Ja… jaja ich bin Brandon.“, sagte ich.
„Und 18?“, fragte er.
Ich nickte.
„Großartig“ sagte der junge Mann. „Dann komm mal rein.“
Ich nickte und als ich ins Haus gezogen wurde, sah ich hilfesuchend zu Jason. Er grinste und rief mir zu: „Ich bin am Strand, bis du fertig bist.“
Ich nickte. Der junge Mann schloss die Tür und ich fand mich in einem mittelgroßen Raum wieder.
„So“ sagte der junge Mann und blickte mich prüfend an. „Du siehst schon mal nicht schlecht aus. Und du willst bei uns wirklich mal für einen Tag reinschnuppern?“
Ich nickte.
„Großartig. Dann zieh mal dein Oberteil aus.“ Ich tat, was er verlangte. Mit nacktem Oberkörper stand ich jetzt da.
„Nicht schlecht. Wenn du sonst alles gut machst, kannst du von mir aus sofort hier anfangen.“, sagte er.
Ich nickte wieder.
„Welche Größe trägst du normalerweise?“
„L“
„Na gut.“, sagte er schelmisch und holte etwas aus einem Schrank
„Also, hier sind deine Arbeitsklamotten.“, sagte der junge Mann und überreichte mir einen Packen Klamotten in Größe M.
„Zieh die an und gehe danach durch diese Tür da. Ach übrigens, hier kannst du mich Ray nennen.“, sagte er zwinkernd und verließ den Raum. Ich blickte mich unsicher um. Jetzt könnte ich abhauen. Ich könnte so tun, als wäre ich hier gewesen und könnte Jason einfach was vorlügen. Aber jetzt wollte ich das hier schon durchziehen. Also zog ich mir das Arbeitszeug an. Zum Glück war ich trainiert, denn sonst würde ich in der Hose mit Sicherheit aussehen wie eine Presswurst. Auf jeden Fall war die Hose sehr körperbetonend. Aber unterhalb der Knie war die Hose doppelt so breit geschnitten wie üblich. Zu meiner Uniform gehörten noch ein brauner Gürtel und zur Farbe passenden Stiefel. Außerdem ein Cowboyhut und das Beste für mich: ein Lederstreifen mit Löchern für die Augen. Eine Maske wie der Lone Ranger eine getragen hatte. Ich betrachtete mich im Spiegel, der an der Wand hing. Niemand würde mich so erkennen. Der Job, für den ich mich hier „beworben“ hatte war sehr speziell (Nein, ich wollte nicht Stripper werden, calm down!). Ich war Bedienung in einer Schwulenbar. Zuerst war ich skeptisch, da eine Schwulenbar ja das war, was ich zuerst als Möglichkeit ausgeschlossen hatte. Aber ich schnupperte in einer Schwulenbar und Restaurant rein, die ein Thema hatte; Nämlich der Wilder Westen. Das hieß, dass die Bediensteten sich verkleideten und oben ohne rumliefen, ein bisschen wie Hooters. Die Bar war sehr bekannt und auch sehr erfolgreich.
Ich ging durch die Tür und kam gleich in die Bar rein. Obwohl ich die Idee erst bescheuert fand, war ich doch in gewisser Weise beeindruckt. Ich selbst kam mir vielleicht komisch vor in der Aufmachung, aber was ich jetzt sah, war nicht schlecht. Ein Dutzend anderer Typen im Cowboykostüm war hier beschäftig und ich musste zugeben, dass sie gar nicht mal schlecht aussahen. Um ehrlich zu sein, sahen die richtig heiß aus. Ich erkannte Ray an der Theke. Er hatte ebenfalls ein Cowboykostüm an, nur in Weiß und auf seinem Hut hing ein goldener Stern. Die Atmosphäre war ebenfalls der absolute Hammer. Im Hintergrund hörte man lässige Country-Musik und an den ockerfarbenen Wänden hingen Felle und alte Sepia-Bilder. Die ganze Bar erinnerte ein bisschen an einen Saloon. Eine eiserne Wendeltreppe führte nach oben, denn die Bar hatte zwei Stöcke. Ich ging zu Ray an die Theke. Er zog die Augenbrauen hoch.
„Und? Gefällt es dir hier?“, fragte er.
„Ich weiß noch nicht so recht. Es ist auf jeden Fall sehr speziell.“
„Warte ab, nach schon einer halben Stunde willst du hier nie mehr weg. Du bist nicht der Erste, der am Anfang Zweifel hatte. Warte kurz.“, sagte er und rief einen anderen Mitarbeiter.
„Übernimm hier mal kurz, ok? Ich will den Neuen hier einarbeiten.“
„Alles klar, Sherriff.“, sagte der Typ und ging hinter die Bar und zwinkerte mir zu.
Ray führte mich zu einem Schränkchen und holte einen Block und eine Geldbörse und einen Stift heraus. Er erklärte mir schnell die Preise. Danach führte er mich herum.
„Die Preise für die Getränke sind ja einfach zu merken aber das hier solltest du wissen. Du würdest hier dreimal die Woche arbeiten. Immer vier bis fünf Stunden mit jeweils einer kurzen Pause dazwischen. Wenn Gäste hereinkommen und du gerade keine Zeit hast, weil du anderswo beschäftigt bis, nick ihnen zu damit sie wissen, dass sie bemerkt worden sind. Das Trinkgeld, das du hier kriegst, darfst du behalten. Verdienen würdest du fünfzehn Dollar in der Stunde, plus Trinkgeld. Versuch so deutlich wie möglich zu schreiben. Wenn du dich verließt und was Falsches bringst, müssen die Gäste nicht bezahlen, dürfen es aber behalten. Außerdem gewöhne dich besser daran, dass du angemacht wirst. Das kann man hier in diesen Outfits schlecht verhindern. Sieh es als Kompliment und lächle einfach. Ein Vorteil hier ist, dass du hier anonym arbeiten kannst. Wir verwenden alle Spitznamen. Meiner ist Sherriff.“
Ich versuchte das alles im Kopf zu behalten. Ray redete sehr schnell und hüpfte immer von einem Punkt zum anderen.
„Ist klar.“, sagte ich und nickte.
„Hast du eine Idee für einen Spitznamen für dich?“, fragte er schelmisch.
Ich überlegte kurz. „Hat schon irgendwer Angel?“
Ray grinste und sagte: „Nein, da hast du dir einen guten Namen ausgedacht. Passt zu dir“
„Danke“, sagte ich und griff mir nervös in den Nacken.
„Hast du noch Fragen?“, fragte Ray.
„Ja, eine schon noch. Ich bin mir mit meiner Sexualität noch nicht wirklich im Klaren und habe gehofft hier mal mit Schwulen Leuten zu reden, ohne mich dabei offenbaren zu müssen.“
Ray lachte.
„Während deiner Schicht wirst du nicht viel zum Reden kommen, aber wenn du willst, kannst du deine Pause dafür verwenden. Ich würde mich da direkt für bereit erklären mit dir ein bisschen zu quatschen.“
Seine Augen funkelten.
„Ja, klar. Das wäre nett von dir, Ray.“, sagte ich.
„Hier drinnen bin ich Sherriff.“, ermahnte er mich. „Du bist nicht der Einzige hier, der seine Identität geheim halten will.“
Er zwinkerte. Ich wurde leicht rot.
„Tschuldigung“, sagte ich.
„Schon gut. Kommt mir das nur so vor oder bist du schüchtern?“, fragte er.
Schüchtern? Noch nie hatte mich jemand als schüchtern bezeichnet.
„Nein, eher nicht, aber das ist alles sehr neu für mich und auch ungewohnt. Außerdem kenne ich hier niemanden.“
„Naja, jetzt schon.“, sagte Ray und klopfte mir auf die Schulter. „Denk immer daran. Hier kennt dich kein Mensch. Du kannst also so ruhig ein bisschen mehr Selbstvertrauen haben. Du siehst gut aus und hast auch einen gewissen Charme. Nutz den aus und besorg dir einen Haufen Trinkgeld.“
„Ok, danke Sherriff.“, sagte ich ermutigt. Was er sagte, machte Sinn. Hier konnte ich mich völlig normal aufführen. So wie ich in der Schule war und dort war ich beliebt. Da konnte ich doch auch sicher hier die Leute für mich gewinnen.
„Bereit für deine erste Schicht für den geilsten Job der Welt?“, fragte Ray.
„Ich denke schon.“, sagte ich selbstsicher.
Ray grinste und sagte: „Sehr gut. Und Angel?“
„Ja, Sherriff?“
Ray grinste schelmisch und sagte: „Denk dir nichts dabei, wenn du hin und wieder was auf deinen Knackpo kriegst. Ich fürchte, ich kann da leider nur schwer widerstehen.“