Angel

Teil 6 – Keine ruhige Minute

Der nächste Tag lief wie am vorigen. Allerdings mit einem kleinen Unterschied: Clara saß am Frühstückstisch und ließ die Treue meines Hundes bröckeln. Rex stand nie am Vormittag vor zehn Uhr auf doch seitdem Clara hier war, hatte sich das offenbar verändert. Sie fütterte ihn mit Speckstückchen. Der Radio spielte eine, für den Morgen, angenehme Musik ab.

„Morgen“, sagte ich und setzte mich auf einen der Hocker um unseren Küchentisch.

„Morgen, du Sonnenschein.“, sagte sie fröhlich und wuschelte mir durch meine blonden Stachelhaare. Ich kannte genug Leute, die jedes Mal auszuckten, wenn jemand an ihren Haaren herumfummelten aber ich nicht. Meine Haare waren kurz geschnitten und einmal mit der Hand durchfahren brachten sie wieder in Ordnung.

„Warum bist du schon so früh munter?“, fragte ich und stopfte Früchte in den Mixer, um mir meinen täglichen Shake zu mischen.

„Ich fahre mit dir in die Schule.“, sagte sie gut gelaunt und strich sich Marmelade auf eine Scheibe gebutterten Toast.

„Wie bitte?“, fragte ich ungläubig. Wieso verdammt nochmal wollte Clara in die Schule? Sie hatte doch ihren Abschluss.

„Ich will mich nach einem Teilzeitjob umschauen.“, sagte sie lächelnd und biss in ihren Toast. Mit vollem Mund erklärte sie mir: „Ich hab mir gedacht, in einer High-School gibt es bestimmt etwas Kleines für mich und ich wäre auch immer in der Nähe meines Lieblingscousins.“

Kopfschüttelnd holte ich mir die Eiswürfel aus dem Kühl-Fach und leerte sie in den Mixer.

„Ich bin dein einziger Cousin.“, sagte ich, stellte den Mixer an und die Geräusche von zerhackten Früchten und Eiswürfeln und das Summen des Mixers unterbanden eine weitere Unterhaltung. Ich wusste nicht, ob ich es gut fand, dass Clara vorhatte sich einen Teilzeitjob an meiner Schule zu suchen. Einerseits waren die Schüler bei weitem nicht sehr respektvoll, wenn es um heiße, junge Lehrerinnen ging. Andererseits war Clara nicht niemand, der sich von einer Handvoll pubertierender Jugendlicher unterkriegen ließ, zumindest hoffte ich das. Clara aß in aller Ruhe zu Ende bis ich den Mixer abstellte und mir den Shake genehmigte.

„Willst du noch was, bevor wir losfahren?“, fragte sie.

„Nein, danke. Viel zu fettig.“, sagte ich und warf einen Blick in die Pfanne.

„Ohhh, natürlich. Seit wann bist du denn so sehr auf sowas fixiert?“ fragte sie und schüttete die übrigen Streifen in den Futternapf von Rex.

„Keine Ahnung. Aber zu viel fettigem Zeugs krieg ich sowieso Magenschmerzen. Außerdem fahren wir noch nicht in die Schule. Ich gehe vorher noch joggen und duschen. Dann können wir von mir aus fahren. Willst du mitkommen?“

Clara lachte: „Nein danke. Ich bleibe lieber hier und werde fett.“

„Von mir aus.“, sagte ich. „Aber wenn du schon nicht mitkommst, nehme ich ihn hier mit.“

Ich legte Rex die Leine an. Er winselte, denn einer der Gründe, dass er immer spät aufstand war, dass er mein Joggingtempo kannte. Aber ich kannte keine Gnade und zog ihn mit. Früher oder später genoss er die Bewegung. Das wusste ich aus Erfahrung.

Eine Dreiviertelstunde später saß Clara munter plappernd neben mir auf dem Beifahrersitz und verrichtete meine eigentliche Aufgabe: durch zu viel Reden zu nerven. Irgendwann drehte ich den Radio auf, aber Clara kam nicht in den Sinn mitzusingen. Daher drehte ich den Radio ab und ließ sie reden.

Jason war überaus überrascht, dass er diesmal hinten sitzen musste. Noch überraschter war er als er Clara erkannte.

„Seit wann ist denn deine Cousine wieder hier?“, fragte er.

Ich wollte schon antworten, aber Clara war schneller.

„Du kannst mich ruhig selbst fragen. Ich bin gestern angekommen und gehe mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht mehr so schnell hier weg.“, sagte sie zwinkernd. „Übrigens schön dich wiederzusehen, Jason.“

„Danke“, sagte Jason verlegen. „Und schön, dass du dich an meinen Namen erinnerst, Clara.“

„Was denkst denn du, bitte? Dass ich den Namen des besten Freundes meines Lieblingscousins vergesse?“, sagte sie lachend.

„Du hast doch nur einen Cousin.“, sagte Jason verwirrt. Ich blickte ihn vielsagend an. Jason schmunzelte. Clara war inzwischen schon wieder durch etwas anderes abgelenkt worden. Von ihrem Sitz.

„Sag mal Brandy, warum riecht der Sitz so merkwürdig?“

Ich wurde ein klein wenig rot. Zum einen, weil sie mich vor meinem besten Freund Brandy genannt hatte, zum anderen weil es mir komischerweise peinlich war, dass ich Liam heimgefahren hatte. Zögernd erzählte ich die Geschichte wie ich Liam im Müllcontainer gefunden hatte, ihn vor Alvin und seiner Clique beschützt und danach heimgefahren hatte.

Clara nickte als ich zu Ende erzählt hatte.

„Der Arme.“, sagte sie. „Ich habe schon so einiges an gay Drama miterlebt, aber das klingt nach einer ganz anderen Liga.“

„Du hattest in Europa mit Schwulen zu tun?“, fragte Jason ungläubig.

Clara nickte: „Ja. Ich war sogar mal in einen verknallt aber der hatte einen Freund und war nicht geoutet. Ich hatte null Ahnung und als es dann rauskam war ich anfangs ziemlich geschockt. Aber dann sind wir irgendwie Freunde geworden.“

Ich musste grinsen. Irgendwie hörte sich das lustig an.

Als wir dann zur Schule kamen sah ich schon von weitem Alvin. Er und seine kleine Bande von Speichelleckern warfen mir böse Blicke zu während sie wie üblich an ihren Zigaretten zogen. Aber irgendwas hielt sie davon ab herzukommen und mich wegen gestern zu belästigen. Vermutlich die Eier, die sie nicht besaßen.

Jason und ich gingen wie jeden Morgen zu unseren Spints und holten unser Zeug für die erste Stunde. Nur diesmal redete Clara auf uns ein. Sie fragte uns aus über die Schule und über irgendwelche Schüler und Lehrer, die vorbeigingen. Das zog ungewünschte Aufmerksamkeit auf uns. Genervt zeigte ich ihr dann das schwarze Brett der Schule und den Weg zum Büro unserer Direktorin, überließ es ihr allerdings den Weg selbst zu finden. Sie war schon groß, sie konnte das bestimmt.

Die Kantine war diesen Mittag zum Glück nicht überfüllt. Jason und ich erwischten eine Bank ohne Dressing in einer stillen Ecke. Aber gewisse Leute fanden mich natürlich trotzdem. Es dauerte gar nicht lange bis Connor im Anmarsch war, aber diesmal in Begleitung. Headcheerleaderin Vivien und ihr beste Freundin Dianna. Dianna hatte lange rabenschwarze Haare und eine bleiche Haut. Sie stammte aus Kanada. Sie war sehr hübsch und daher auch beliebt. Vivien war eine überaus hübsche Latina, die aber über einen Charakter verfügte der mich strahlkotzen ließ. Für sie hielt eine Freundschaft nur so lange wie der entsprechende Beliebtheitsstatus. Obendrein war sie eine Zicke. Ich mochte sie nicht wirklich, also setzte ich ein gezwungenes Lächeln auf.

„Hiii, Brandon.“, sagte sie mit breitem Lächeln, das ihre weißen Zähne zeigte. Perfekt gerade und gebleicht.

„Hi“, sagte ich kurz angebunden und zog die Mundwinkel hoch.

„Hiii, Brandon.“, sagte Dianna. Offenbar waren ihr die Grüße ausgegangen.

Die etwas hohle Art von Dianna fand ich immer wieder lustig. Genervt sah Vivien zu Dianna. Insgeheim vermutete ich, dass Vivien mit Dianna nichts am Hut hätte wenn da nicht ihre Beliebtheit wäre.

„Wir haben uns gefragt ob du zu unserer Party kommen willst?“, fragte Vivien zuckersüß.

„Das wird bestimmt klasse.“, sagte Connor eifrig und schwang sich sofort neben mich auf die Bank. „Ich selbst hab zwar nichts gekriegt aber mein Süßer hat uns Alkohol besorgt. Gutes Zeug“

Ich musste grinsen bei dem Gedanken wie Connor versuchte Alkohol zu kaufen und dabei älter als 21 zu wirken.

„Ich weiß nicht.“, sagte ich. Eigentlich hatte ich gerade keine Lust auf eine Cheerleader-Party. Aber dann bekam ich einen Tritt gegen mein Schienbein. Jason sah mich flehend an. Ich hatte ganz vergessen, dass ihm Dianna gefiel. Ich verstand sofort.

„Willst du es dir nicht noch überlegen?“, fragte Vivien. „Taylor hat schon zugesagt.“

„Eigentlich wollte ich ja was mit Jason machen.“, sagte ich.

„Von mir aus kann der auch kommen, aber bitte komm, Brandon. Ohne dich ist es nicht so lustig.“, sagte Vivien wimpernklimpernd. Ich tat so als würde ich kurz überlegen. Dann sagte ich: „Joa, wieso nicht?“

„Klasse!“, rief Connor. „Das wird bestimmt super!“

Ich sagte nichts darauf, sondern wollte anfangen meine Mahlzeit einzunehmen, als ich sah, dass Clara hinter Vivien und Dianna aufgetaucht war. Offenbar stand sie dort schon länger, denn als Begrüßung hörte ich ein: „Hiii, Brandon.“

„Hi, Clara.“, sagte ich und besah mir die verärgerte Miene von Vivien. Dianna hatte nicht einmal gemerkt, dass Clara sie gerade nachgeäfft hatte.

„Wer ist das denn? Ist die nicht schon viel zu alt für die Highschool?“, fragte sie und deutete auf Clara. Clara, die gut fünf Jahre älter war als Vivien sah sie belustigt an. Man merkte deutlich, dass Vivien es nicht gewohnt war verarscht zu werden.

„Ich bin die Cousine von Brandon, die hochnäsigen Cheerleaderinnen gerne Arschtritte verpasst.“, sagte Clara. Vivien ließ sich nicht anmerken, ob sie die aussage getroffen hatte. Stattdessen schenkte sie Clara ein schneeweißes Lächeln.

„Wir gehen dann mal.“, sagte sie und zog Dianna mit. Connor blieb sitzen.

„Sag mal Connor, ist das da was du um die Schulter trägst eine Hello-Kitty Tasche?“, fragte ich und deutete auf die weiß-pinke Umhängetasche von Connor.

„Ja, die ist doch niedlich, oder? Und außerdem eine Seltenheit. Die wurde nur hundert Mal produziert“, sagte er stolz.

„Cool“, sagte ich, nicht wissend was ich sonst hätte sagen können.

„Die ist doch wirklich niedlich.“, sagte Clara und setzte sich neben Jason. „Wer waren denn diese Tussen? Sind das Freunde von dir, Brandy?“

„Brandy?“, sagte Connor mit leuchtenden Augen. Ich stöhnte auf. Diesen Spitznamen würde Connor nie wieder vergessen.

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Brandy … das ist eine Verschandelung des schönen Namens Brandon. Ganz ehrlich!

Und mit der Hello-Kitty Tasche um der Schulter wird Connor ernsthaft nicht gemobbt? Komische Schule ist das :smiley: Also gut für ihn natürlich, aber nicht sehr konsequent von den Mobbern.

Lg Skystar

Wenn man mächtige Freunde hat, dann legt sich auch niemand mit dir an.

Liam ist ein dankbares Opfer, da er quasi komplett allein dasteht

Teil 7 - Das Muckiekapitel (Yeay Muckies!)

Erfolgreich war ich den Fängen der High-School, sowie etlichen Nervensägen, entkommen und konnte endlich meinen Freitagnachmittag genießen. Connor nannte mich ab sofort nur noch Brandy. Er fand den Namen sehr niedlich. Genau das ließ er mich mindestens fünfmal wissen, bevor ich mit Jason und Clara in mein Auto stieg und nach Hause fuhr. Ich brachte erst meinen besten Kumpel heim und beschäftigte mich dann mit meiner scheinheilig aussehenden Cousine.

„Musste dir der Spitzname unbedingt rausrutschen?“, knurrte ich.

„Sorry, Brandy.“, sagte Clara. „Sei doch froh, der Spitzname ist cool."

„Großartig“, wegen dir hängt mir Connor jetzt noch mehr am Hals als sonst sowieso schon.“

„Ach Connor hieß der Knabe also.“, sagte Clara grinsend. „Ich glaube der steht auf dich.“

„Ich glaube auch. Ich weiß gar nicht wie sein Freund es mit ihm aushält.“

„War das der hübsche, dunkelhaarige Junge, der immer wieder zu uns rüber gesehen hat?“, fragte Clara.

„Hat er das?“, fragte ich. „Habe ich gar nicht bemerkt.“

„Oh doch. Er hat irgendwo hinter deinem Rücken gesessen. Liam heißt er, oder? Der den du gerettet hast?“

„Ja genau. Das war Liam.“, sagte ich. Ich wollte nicht mehr darüber reden.

Clara nickte mit einem verschmitzten Lächeln, das ich nicht wirklich verstand.

Etwas später war ich zuhause und säuberte mein Auto. Mit lauwarmem Wasser und ein paar Sprays machte ich mein Auto wieder geruchsneutral. Clara war währenddessen zum nächsten großen Hafen gefahren um sich zu erkundigen wann das Transportschiff mit ihren Sachen ankam. Anscheinend hatte sie tatsächlich vor, von heute auf morgen nach Amerika zu ziehen. Ich würde sehr gerne wissen, was sie denn dazu getrieben hatte. Aber ich bekam nicht mehr genug Zeit, um darüber nachzudenken, denn mein Dad kam aus dem Haus und direkt auf mich zu.

„Branden! Hilfst du mir im Gym aus? Travis kann nicht und ich kann den Laden nicht alleine schmeißen.“, fragte er.

„Von mir aus. Aber ich kann nicht ewig. Ich bin heute noch auf einer Party. Also spätestens um Acht bin ich dann weg.“, sagte ich. Ich half meinem Dad gerne. Wir verbrachten sonst nicht besonders viel Zeit miteinander und ich bekam außerdem ein bisschen Geld dafür.

„Auch nicht wild. Ab Acht schaff ich‘s allein. Sonst hilft mir eben auch mal Lucia bei der harten Arbeit.“

Lucia war eine weitere Angestellte, die für die Kasse, die Smoothies und Powerriegelbar verantwortlich war.

„Ich komme dann gleich nach Dad, ich muss hier noch was erledigen.“

„Alles klar, mein Sohn, bis später!“

„Bis später!“, rief ich ihm nach.

Während ich weiter mein Auto putzte, dachte ich an die Party am Abend. Irgendwie hatte ich in letzter Zeit keine Lust mehr auf Partys. Das war doch immer das Gleiche. Laute Musik, Alkohol und ein Mädchen mit dem ich später irgendwann verschwand. Der nächste Tag brachte dann immer Kopfweh und schlechte Laune mit sich. Auch wenn die Mädchen auf der Party immer cool drauf waren, verloren sie diese Eigenschaft am nächsten Tag früher oder später. Ganz zu schweigen vom großen Heulen, wenn ich mich nicht auf ein zweites Date treffen möchte. Darauf hatte ich keine Lust mehr. Diese Party würde anders werden, nahm ich mir vor.

Wenig später war ich mit meinem Vater im Gym und machte eben gerade was so anstand. Neuen die Geräte erklären, sauber machen, den Snackautomaten auffüllen und auch in den WCs das Klopapier nachfüllen. Es ist nicht wirklich lustig den Schweiß der Männer wegzuwischen, die hier Work out machten ohne ein Handtuch zu verwenden, aber ich war inzwischen daran gewöhnt. Heute war besonders viel los. Mein Vater und ich hatten sehr viel zu tun und die Zeit verging umso langsamer. Um fünf Uhr sagte dann mein Dad zu mir: „Brandon, geh doch mal schnell rüber in den großen Raum. Wir haben neue Stammkunden. Zwei Jungen in deinem Alter haben sich hier angemeldet und jemand muss noch die Einführung machen. Ich war zu beschäftigt, um sie richtig einzuführen. Mach du das bitte, ich muss hier was reparieren.“

„Klar Dad, mach ich gerne!“, rief ich ihm zu. Einführung war eigentlich die beste Arbeit hier. Alles, was man machen musste, war erklären wie man die Geräte richtig bedient, wie sonst alles hier funktioniert und vor allem Muskeln spielen lassen um zu zeigen, dass man hier Erfolg haben würde. Da ich meinem Dad nicht sehr ähnlich sehe wissen die meisten nicht, dass ich mit dem Gym aufgewachsen bin, sondern denken ich wäre ein ganz gewöhnlicher Teenager, der hier erst seit ungefähr zwei Jahren hier arbeitete. Ich ging in den nächsten Raum, in dem ich hoffentlich die beiden Neuen finden würde. Fröhlich klatschte ich in die Hände und rief laut: „So, wer sind denn hier die Neuen?“

Die Antwort kam prompt.

„Huhu! Brandyy! Ich und Liam haben uns heute hier angemeldet! Klasse, oder?“, rief eine begeisterte, gedehnte Stimme.

Connor war äußerst außergewöhnlich bekleidet. Statt einer kurzen Hose und Tanktop, oder anderen Sportsachen, trug er ein Outfit, das nach 80er Aerobic Kleidung aussah. Ein Hautenger, neonfarbener Bodysuit. Dazu hatte er ein Stirnband auf, das ihm eventuell sich lösende Haare aus der Stirn halten sollte. Da dieses Stirnband wegen des vielen Gels in seinen Haaren völlig nutzlos für ihn war, nahm ich an, dass es ihm einfach gefiel.

„Hi, Connor.“, sagte ich wenig begeistert. Connor lief bereits auf einem Laufband.

„Du scheinst das schon gut zu können. Hast du sowas schon mal gemacht?“, fragte ich.

„Ja, ich habe sogar eins zuhause. Jeden Tag laufe ich mindestens 8km“, sagte er stolz.

„Ah, cool.“, sagte ich. Ich fragte mich, warum er dann hier war. „Und was ist mit den anderen Geräten? Bist du mit denen vertraut?“

„Mit denen die ich benutzen werde, ja.“, sagte Connor. „Dieses ganze Muskelaufbauzeugs interessiert mich nicht. Ich versuche nur schlank zu bleiben.“

Ich schmunzelte und vergaß zu erwähnen, dass Connor das einzige männliche Weser hier war, das jemals nur schlank werden und keine zusätzlichen Muskeln wollte. Aber für jedem das Seine.

„Nun, dann brauchst du die Einführung ja offenbar nicht.“, sagte ich. „Wenn du nicht weißt, wo hier die WCs oder die Duschen sind, die sind da hinten und die Saft Bar ist am Eingang.“

„Es gab eine Einführung?“ fragte er mit Kulleraugen. „Ich meinte natürlich ich habe absolut keine Ahnung wie alles hier funktioniert!“

Ich musste lachen, erklärte ihm dann aber, dass ich Liam einführen würde und dann zurückkommen würde falls – Betonung auf Falls – er noch Fragen hatte. Ich führte Liam herum und erklärte ihm die Geräte, kontrollierte seine Haltung und gab ihm Tipps für einen Trainingsplan. Zuletzt warnte ich ihn sich nicht zu übernehmen und verließ ihn, um eine Pause einzulegen. Die Pause hielt sich kurz, da Connor angelaufen kam und sich alle Knöpfe am E-Bike erklären ließ. Mein Dad rettete mich und schickte mich zurück in Richtung Krafttraining. Ich vermutete, dass mein Dad nicht wollte, dass ich nicht zu viel Kontakt mit einem so bunten Vogel wie Connor hatte.

Ich betrat den kleinsten Raum des Gyms, wo die Hanteln und Gewichte waren. Gerade als ich hereinkam sah ich mit wie Liams Arme unter der Last eines Gewichts auf der Langhantelbank zusammenbrachen. Liam stieß einen Schrei aus als ihm das schwere Gewicht auf den Brustkorb knallte. Sofort lief ich zu ihm hin und hob vorsichtig das, eindeutig zu schwere Gewicht, von Liam herunter.

„Liam was machst du denn?“, fragte ich als die Stange zurück auf die Halterung hievte.

Liam versuchte stark vor mir auszusehen aber so ein Gewicht konnte sehr wehtun. Ich sah mich für eine Sekunde um. Wie konnte es sein, dass im Gym mehr los war als sonst aber niemand dabei war, um ihm zu helfen? Liams Gesicht war schweißüberströmt. Seine Headsets waren ihm aus den Ohren gerutscht und auf seinen Trainingsklamotten waren Schweißflecken zu sehen. Er verzog schmerzhaft das Gesicht.

„Alles ok bei dir?“, fragte ich besorgt und besah mir sein Gesicht.

„Weiß nicht.“, sagte er. In seiner Stimme lag Schmerz.

„Lass mich mal sehen.“, sagte ich und setzte mich neben ihn. Vorsichtig zog ich sein Shirt hoch. Beeindruckt stellte ich fest, dass Liam bereits einigermaßen gut trainiert war. In der Schule bekam man nichts davon mit, da er sich nicht wirklich hauteng anzog. Vorsichtig strich ich mit meinen Fingern über seinen Oberkörper und übte an bestimmten Stellen leichten Druck aus. Die Untersuchungen auf mögliche Verletzungen war Standard. Mein Vater hatte mir genau gezeigt was man bei Verletzungen jeder Art, die hier im Gym passieren kann, tun muss. Behutsam prüfte ich, ob er sich etwas gebrochen hatte. Seltsamerweise gefiel mir das hier. Das Tasten auf Liams Oberkörper fühlte sich gut an. Ich sah zu Liam. Sein Gesicht war immer noch etwas verzogen doch etwas anderes erregte meine Aufmerksamkeit. Seine Augen waren für gewöhnlich grimmig und entschlossen. Doch in diesem Moment waren sie weich aber auch unendlich traurig. Und immer noch erinnerten sie an das Meer. Ich stellte auf einen Schlag fest wie hübsch Liam war. Doch im nächsten Moment fiel mir ein, worüber ich gerade nachdachte, und fuhr mir mit meiner Hand peinlich gerührt an den Hals und sagte: „Äh- Ähm also gebrochen hast du dir nichts, aber ich nehme an, dass du dir die Rippen geprellt hast oder sowas, also pass auf, dass du in nächster Zeit nichts an die Brust geknallt kriegst, sonst könnte das schmerzhaft sein. Wenn du sicher gehen möchtest, geh am besten zum Arzt, aber ich kenn diese Art von Prellung vom Football… also…“

Liam nickte. Vorsichtig zog er sein Shirt komplett aus und betrachtete seine Brust im Spiegel. Ein paar blaue Flecken wurden langsam sichtbar.

„Du hast dich ein bisschen überschätzt.“, sagte ich und deutete auf das Gewicht. „Das ist für Anfänger wie dich noch zu schwer. Außerdem kannst du dir dabei schwer verletzen. Besser du fängst kleiner an.“

Liam nickte und plötzlich schossen ihm Tränen in die Augen. Das wunderte mich sehr. Normalerweise blieb Liam immer stark. Ich hatte ihn mal gesehen als er zusammengeschlagen wurde. Keine einzige Träne war über seine Augen gekommen. Aber nun flossen sie zu beiden Seiten herunter. Ich hatte sie bemerkt, obwohl Liam sich sofort umdrehte und sie wegwischte.

„Alles gut? Die Flecken gehen bald wieder weg“, sagte ich. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Ich war nicht gut in sowas. schließlich fasste ich ihm an die Schulter so wie ich es immer bei Jason tat, wenn es ihm schlecht ging. Er zuckte und schüttelte meine Hand ab. Liam wischte sich die Nase.

„Tschuldigung“, sagte er. „Du bist der erste Junge, der kein Arsch zu mir ist. Die anderen sind nur nett, wenn irgendein Erwachsener in der Nähe ist“

Er drehte sich wieder zu mir um. „Weißt du, dass mich niemand mehr, seitdem ich geoutet bin, angefasst hat? Niemand der von meiner Homosexualität weiß gibt mir gern die Hand außer meine Familie und reifere Erwachsene. Weißt du wie das ist, wenn du behandelt wirst, als hättest du die Pest?“

Ich schüttelte den Kopf. Ich konnte mir das nicht wirklich vorstellen.

„Es ist einfach scheiße und tut weh“, sagte Liam „Mehr als die Schläge, die ich abkriege. Aber auch die tun weh.“

Ich fand keine Antwort. Ich war vollkommen überfordert, dass ein anderer Mann so offen über Gefühle sprach. Es war fast schon unangenehm, aber gleichzeitig fesselte es mich.

„Machst du deswegen das hier?“, fragte ich schließlich und deutete auf die Hantelbank. „Wegen fehlenden Muskeln machst du es ja offensichtlich nicht.“

Liam versuchte zu lächeln und sagte: „Es ist schrecklich hilflos zu sein. Egal, wie viele Liegestützen ich mache, ich komme mir so schwach vor.“

Ich nickte.

„Ich glaube was dich wirklich stärker machen würde, ist ein guter Freund und unter anderem auch eine Footballjacke. Jemanden der allein ist kann man viel schneller Mal eine reinhauen.“

„Tja, nur ist es nicht so einfach als geouteter Schwuler an einer High-School wie dieser einen Freund zu finden.“

„Ich könnte dein Freund sein“, sagte ich und war selbst davon überrascht.

Liam sah mich ungläubig an.

„Du willst mit mir befreundet sein? Versteh ich das richtig? Also so richtig und nicht nur wenn gerade keiner dabei ist?“

„Sicher. Ich würde gerne dein Freund sein. I-i-ich meine natürlich ich wäre gerne mit dir befreundet.“, sagte ich und ich wurde etwas rötlich und ärgerte mich.

„Schon klar. Ich weiß schon, wie du das hier meinst.“, sagte Liam und lachte. Er sah so anders aus, wenn er lachte. Viel weniger traurig. Seine Augen funkeln wieder. „Aber bist du sicher? Ich finde das echt nett von dir, aber wenn du das gerade nur aus Mitleid sagst oder deine Meinung bei erster Gelegenheit wieder änderst, wäre es mir lieber, wenn wir einfach weiter machen wie bisher.“

Ich überlegte kurz, sagte dann aber: „Ich mein das ernst. Wirklich“

Liam sah etwas misstrauisch aus, nickte aber und lächelte dann.

„Cool“ sagte ich etwas peinlich berührt und reichte ihm die Hand. Er schlug ein und grinste. Ich war stolz auf das, was ich getan hatte. Kurz standen wir uns gegenüber und wussten nicht, wie es jetzt weiter ging.

„Also jetzt da wir Freunde sind: willst du einen Smoothie? Als Sohn vom Ladenbesitzer krieg ich die umsonst.“, sagte ich.

„Sehr gerne.“, sagte Liam und strahlte.

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Bei dem Kapitel-Titel dachte ich zuerst yes geilo und dann, als ich das Kapitel las: Oh nein, armer Liam. Der kann einem wirklich schrecklich leid tun. wobei ich mir nicht sicher bin, ob es ihm nicht gefallen hat, dass Brandon ihn abgetastet hat. Brandon hat es auf jeden Fall gefallen … auch wenn er es noch nicht ganz zugeben will. :smiley:

Ich finde es auf jeden Fall schön, dass die beiden jetzt offiziell Freunde sind. Wie wohl Connor und Jason darauf reagieren werden? Und Alvin und die Chipmunks?

Übrigens hab ich bei Connor immer eine ganz bestimmte Stimme eines Synchronsprechers im Kopf. Die würde so gut zu ihm passen, wäre das eine reale Serie :rofl:

Mir sind auch wieder ein paar Fehler aufgefallen, u.a. hast du einmal Brandon falsch geschrieben:

Und irgendwo hab ich noch einen Fehler entdeckt, bin jetzt aber zu faul ihn rauszusuchen xD

Lg Skystar

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Teil 8 – It’s time for big fun

Gemütlich saß ich mit Liam an der Bar. Ich hatte meinen üblichen Erdbeer-Banane-Smoothie und Liam Mango. Wir hatten uns schon etwas unterhalten. Gerade sagte ich: „Ach übrigens, das nächste Mal, wenn du an der Hantelbank bist und ein schwereres Gewicht hast, frag jemanden im Raum. Das ist hier vollkommen normal. Wir helfen einander“

Liam sah zu Boden und sagte: „Ich habe mich nicht getraut. Ich bin es gewohnt, dass man unfreundlich zu mir ist und mir niemand hilft“

„Du hättest mich fragen können“, sagte ich „ich hätte dich sofort geholfen“

„wobei geholfen? Hi, ihr Süßen!“, rief uns eine enthusiastische Stimme zu. Connor kam zu uns. Er hatte sein Handtuch um den Hals hängen, aber von Schweiß war keine Spur zu sehen. Er setzte sich neben Liam auf den Hocker und küsste Liam auf die Wange. Ich sah dabei zur Seite und nippte stattdessen an meinem Smoothie.

„Spendierst du mir einen Smoothie, Schatz?“, fragte Connor Liam wimpernklimpernd. Wenn ein anderer Typ das so gesagt hätte, hätte ich das lächerlich gefunden, aber ich kannte Connor jetzt schon länger und inzwischen wunderte mich sowas schon gar nicht mehr. Connor fing an wie ein Wasserfall zu reden. In der Hinsicht war er Clara sehr ähnlich. Ich und Liam kamen nicht mehr dazu nur noch ein Wort zu wechseln, denn Connor beanspruchte alle Aufmerksamkeit für sich alleine. Ich kam nicht einmal dazu zu erwähnen, dass Liam vor einer Viertelstunde ein Gewicht auf dem Brustkorb fiel und ihm sicherlich etliche Rippen geprellt hatte. Irgendwann wurde es mir zu blöd. Ich kam mir langsam überflüssig vor und da Connor nicht zulassen würde, dass ich einen Satz zu Ende brachte konnte ich genauso gut gehen.

„Bis später.“, sagte ich und ließ die zwei an der Bar sitzen.

„Tschüüüs, Brandy!“, sagte Connor.

„Bis später.“, sagte Liam zum Glück völlig normal. „Wir sehen uns dann wahrscheinlich auf der Party, oder?“

„Ja, sicher.“, sagte ich und winkte noch kurz zum Abschied. Ich freute mich, dass er da sein würde.

Der Betrieb im Gym hatte inzwischen nachgelassen und mein Dad ließ mich gnädigerweise gehen und steckte mir obendrein noch einen Zwanziger für die Party zu. Ich bedankte mich bei meinem alten Herrn und ging nach Hause. Dort zog ich mich erstmal um. Ich tauschte meine Trainingssachen gegen Jeans und ein cooles Hemd und brachte meine Haare mit etwas Wachs in eine Coole Form. Bevor ich wegging, traf ich noch auf Clara. Sie ließ sich erschöpft auf das Sofa im Wohnzimmer fallen und prompt hüpfte Rex zu ihr und legte sich neben sie. Mein wuscheliger Freund hatte Clara schon sehr ins Herz geschlossen.

„Und wie war‘s am Hafen?“, fragte ich.

„Ziemlich langweilig.“, gähnte sie. „Zwei volle Stunden herumstehen und warten nur um dann zu erfahren, dass es noch mindestens zwei Wochen dauern wird.“

„Du Arme!“, sagte ich mit gespieltem Mitleid und zog mir eine dünne graue Jacke an.

„Das nächste Mal nehme ich einfach Rex mit. War der schon mal am Hafen oder der Stadt?“

„Nein und ich weiß auch nicht, ob das eine so gute Idee ist. Er hat Angst vor größeren Menschenmengen. In der Hinsicht ist er immer noch der niedliche kleine Welpe, den ich zum Geburtstag gekriegt habe.“

Rex gähnte und stieß dabei einen Quietscher aus.

„Ich würde ihn schon beschützen.“, meinte Clara und kitzelte Rex am Kinn. Mein Hund war der einzige kitzlige Hund, den ich kannte.

„Du bist ziemlich fertig, oder?“, fragte ich Clara.

„Das fragst du, weil du hoffst, dass ich nicht zur Party mitkomme, oder Brandy?“, fragte sie zwinkernd. Ich grinste.

„Wie gut du mich kennst.“, sagte ich lachend.

„Keine Panik, ihr Kinder seid mir zu langweilig und ich habe nicht vor heute auf diese Titten-Monster zu treffen. Ich mach mir lieber einen feinen Abend hier zu Hause. Immerhin ist euer Fernseher riesig.“, sagte Clara grinsend.

Ich zog erstaunt die Augenbrauen hoch. War aber positiv überrascht. Ich warf ihr eine Chipstüte aus dem Vorratsschrank hin.

„Die wirst du brauchen.“, meinte ich zwinkernd.

„Danke“, sagte Clara und ließ Rex an der Packung schnüffeln.

„Ok, dann bis später!“, rief ich ihr zu.

„Bis später! Und ach, Brandon?“

Ich drehte mich nochmal um. Clara grinste: „Wenn du irgendwann mit einer dieser hohlen Tussen ankommst, rasiere ich in der Nacht dir deine Haare ab.“

Ich lachte und sagte: „Hab dich auch lieb, Clara.“

In etwa einer Viertelstunde kam ich gemeinsam mit Jason bei der Party an. Soweit ich es erkennen konnte, war es Diannas Haus. Ich war schon mal hier wegen einer anderen Party. Damals hatte sie an der Tür gestanden und den Partygästen anstatt Bier, oder Ähnlichem, Süßes verteilt. Inzwischen war sie etwas klüger geworden. Sie war nur hin und wieder etwas begriffsstutzig. Aber seitdem Vivien sie unter ihre Fittiche genommen hatte, wusste sie immerhin genau wie man Jungen rumkriegt.

„Danke, dass du mich mitgenommen hast.“, sagte Jason zu mir. Er starrte zu Dianna, die sich gerade durch ihre langen, dunklen Haare fuhr und sich gerade mit Taylor unterhielt.

„Kein Problem Man, versuchst du sie dir aufzureißen? Dann musst du dich beeilen. Wenn du dich nicht beeilst, landet sie heute noch bestimmt mit Taylor im Bett.“, sagte ich.

Jason nickte.

„Ähm und wie verhindere ich das?“, fragte er.

„Keine Ahnung. Beeindrucke sie mit irgendwas oder bring sie zum Lachen. Und sei ein bisschen Bad Boy mäßig drauf“

Jason nickte.

„Soll ich dir helfen?“, fragte ich ihn.

„Ne, schon in Ordnung. Wenn überhaupt, schaff ich das allein.“, sagte Jason und nickte heftig, um seiner Aussage mehr Ausdruck zu verleihen.

„Wie du willst.“, sagte ich. „Ich hole mir bis dahin was zu trinken.“

Ich ging in die Küche und holte mir ein Bier. Danach setzte ich mich in der Nähe von der Tanzfläche auf einen Hocker. Ganz in der Nähe sah ich Liam und Connor tanzen. Sie sahen sehr verliebt aus und ausnahmsweise wurden sie von allen in Ruhe gelassen. Connor war sehr vorsichtig wegen Liams geprellten Rippen. Ich kannte die beiden inzwischen sehr gut. Irgendwie war Connor ein ganz lieber Kerl, der eben seine Eigenheiten hat. Auch wenn man annehmen könnte, dass er mit jedem Jungen flirten würde, wusste man, wenn man ihn so sah, dass Connor seinen Freund mit Sicherheit liebte. Von Liam bekam ich einen sehr ähnlichen Eindruck. Ich sah zu wie sie sich küssten und diesmal sah ich nicht weg. Etwas regte sich in mir, während ich ihnen beim rummachen zusah. Es war winzig, stach aber trotzdem wie eine Nadel zu. Ich war sehr verunsichert wegen diesem Gefühl. Ich war mir sehr sicher, dass ich nicht schwul war, denn seitdem ich denken konnte, interessierte ich mich schon für Mädchen. Und dieses Abtasten von Liams Brust änderte das? Das war doch eher unwahrscheinlich. Ich versuchte meine Gefühle zu ergründen. Was ging in mir vor? Ich wollte doch nicht was mit einem Kerl anfangen, das hatte ich noch niemals gewollt. Ich besah mir die beiden nochmal. Ganz deutlich spürte ich den Stich nochmal; heiß und kalt zugleich. Aber war ich wirklich eifersüchtig auf einen der beiden oder generell auf glückliche Paare? Eher auf glückliche Paare, denn das würde mehr Sinn machen.

Ich befreite mich aus meiner kleinen Trance und kippte mir den Rest des Bieres den Rachen hinunter. Ich stand auf und ging in den Garten und blickte mich um. Ein sehr hübsches Mädchen mit blonden, gelockten Haaren fiel mir ins Auge. Mit meinem üblichen coolen Lächeln ging ich zu ihr und fragte sie: „Hi, willst du tanzen?“

Ich sah sie öfters in der Schule, doch eigentlich wusste ich nur das; Sie war Mitglied der Theatergruppe und die beste Freundin von Liam. Sie könnte ein Cheerleader sein, aber es war allgemein bekannt, dass sie Cheerleader affig fand und sich gerne über sie lustig machte. Sie blickte auf. Sie hatte ein perfektes Gesicht und leuchtend blaue Augen.

„Das kannst du vergessen, King.“, sagte sie schnippisch und nippte an ihrem Bier.

„Wieso nicht? Ich bin allein und sehe gut aus, du bist alleine und siehst einfach unglaublich heiß aus und ich weiß, dass du tanzt wie ein Traum. Außerdem hast du weit und breit keine männliche Begleitung.“

Sie sah mich genervt an und sagte: „Hör zu, King. Du bist objektiv betrachtet gutaussehend und sicher auch unterhaltsam aber genauso arrogant. Such dir eine Andere. Gibt sicher noch ein paar, die nicht auf deine Maschen reingefallen sind.“

Ich war es gewohnt solche Antworten zu hören.

„Ich könnte diese Masche bei niemanden außer dir verwenden“, sagte ich zwinkernd. „Niemand sonst hier kann tanzen wie ein Traum“

„Charmant“ sagte sie gelangweilt, allerdings schmunzelte sie kurz. „Ich gehe mit dir tanzen, wenn du mir eine Sache verrätst: Du gehst jetzt seit mehr als acht Jahren mit mir in Schule. Wie heiße ich?“

„Ich weiß nicht.“, sagte ich perplex.

„Ich verabschiede mich hiermit von dir.“, sagte sie und ging davon.

Eine solche Abfuhr hatte ich schon lange nicht mehr bekommen. Aber ich machte mir nichts draus. Ich wollte ohnehin niemanden abschleppen, fiel mir ein. Stattdessen tanzte ich einfach für mich allein. Ich bewegte mich zur Musik und achtete nicht mehr auf alles um mich herum. Ich schloss meine Augen und machte einfach das, wozu mich die Musik trieb.

Durch eine Anlage wurde Musik abgespielt, zu der man perfekt tanzen kann. Schon bald kamen sich andere dazu. Eine kleine Gruppe Cheerleaderinnen gesellte sich zu mir. Die meisten waren nett oder hübsch oder beides, aber bei keiner konnte ich mir vorstellen, dass ich mit ihr zusammen sein könnte. Jetzt wo ich darüber nachdachte, hatte es noch nie eine geschafft mich lange Zeit in ihren Bann zu ziehen und eigentlich war das auch der Grund, warum ich noch nie eine Beziehung zugelassen habe. Ich hörte auf zu tanzen. Alle grinsten mich an, nur ich hatte gerade nichts zu lachen. Was war nur mit mir los? Das hier war eine Party, und nicht mal eine schlechte. Ich hatte auf einen Schlag keine Lust mehr.

Ich spielte eine Runde Bier Pong mit den Jungs, die wir haushoch verloren. Meine Unkonzentriertheit hatte zur Folge, dass ich und mein Teampartner zwei Drittel aller Becher austrinken mussten. Ich setzte mich schließlich mit dem letzten Becher auf eine Bank und führte ihn zum Mund. Der herbe Geruch stieg mir in die Nase und ich stellte es weg. Auf meine Hände zu starren war genauso wenig hilfreich. Ich fühlte mich scheiße und wusste nicht recht warum. Aber so langsam kam ich drauf warum: mein Leben war für auf den ersten Blick toll. Aber auf den zweiten schon gar nicht mehr so schön. Jeder andere Junge, den ich kannte war zumindest schon mal verliebt gewesen. Jason hatte mir schon mindestens fünfmal von seinem neuen Schwarm erzählt. Der Junge war einerseits total cool und andererseits so, wie soll ich es sagen, so romantisch. Während ich in meinem Zimmer getanzt habe, hat er mir genau erzählt warum die Mädchen so klasse waren. Er beschrieb ihre Augen, erzählte von ihren Hobbys, welche Musik sie hören, nach welchen Duft sie rochen und so weiter. Man merkte, dass er sich ernsthaft verknallt hatte. Mir waren Düfte, Augenfarben und Hobbys immer egal gewesen. Mir wurde gerade klar, dass ich höchstwahrscheinlich ein zu großes Arschloch war, um es verdient zu haben mich ernsthaft zu verlieben. Geschweige denn eine der schönen Love-Stories die man hin und wieder im Fernsehen sah. Betrübt sah ich zu Boden.

Dann stand ich ruckartig auf. Seit wann kümmerte mich sowas überhaupt? Verliebt sein ist öde und Romantik auch und die Mühe und die Umstände nicht wert. Da war ich lieber ein glücklicher Single und konzentrierte mich lieber auf meine Freunde und Zukunft. Nach noch ein paar Getränken war ich in halbwegs guter Stimmung, doch irgendwann beschloss ich dennoch zu gehen, doch jemand war von hinten an mich herangetreten und hatte mir die Hände auf die Augen gelegt.

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Liam? Connor? Clara? Vivien? Wessen Hände das wohl sind?

Geht es eigentlich nur mir so, oder ist alleine mit sich zu tanzen das traurigste überhaupt?

Und noch ein Wort zu Jason: Irgendwie ist mir der Charakter zu blass.

Lg Skystar

So viele Möglichkeiten :see_no_evil::thinking:

Ich finde, es kommt auf die Situation und die eigene Stimmung an. Manchmal braucht man niemand anderen, um Spaß dabei zu haben und macht es nur für sich.

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Teil 9 – Ich bin kein gutes Vorbild, Kinder

Ich trabte nach Hause. Es war vier Uhr in der Nacht und ich schämte mich abgrundtief. Nicht nur weil ich mich volllaufen hatte lassen, sondern auch wegen den Folgen: Ich war mal wieder mit einer Cheerleaderin im Bett gelandet. Und diese Cheerleaderin war zu meinem Unglück auch noch Vivien. Sie war es die mir die Augen zugehalten und mir anschließen in den Nacken gebissen hatte. Es war nicht fest und sie hatte sie es geschafft mich zu verführen. Aber schon als wir dabei waren spürte ich, dass es ein Fehler war. Ich hatte mich einsam gefühlt und war betrunken. Dann war sie einfach da und hatte mich abgelenkt mit den verführerischen und dreckigen Sachen, die sie mir ins Ohr flüsterte, den Küssen und ihren festen Brüsten. Nachdem sie mich in irgendein Zimmer gelotst hatte und wir unseren Spaß hatten, lag ich auf dem Rücken und fühlte mich um kein Stückchen besser. Vivien schien schon eher glücklich zu sein. Sie wuschelte mir durch die Haare und sagte: „Das sollten wir nochmal machen“

Ich brummte nur etwas und Vivien fing an zu reden: „Der Abend war einfach super. Es gab Alkohol, es lief gute Musik, ich hab mit mindestens fünf Jungen getanzt…“

Ich dachte mir meinen Teil dabei. Aber ich sollte leise sein, denn immerhin war es, der mit ihr in der Kiste gelandet ist.

„Ich hab neue Leute kennen gelernt, wir hatten Sex…“

„Was aber nicht heißt, dass wir zusammen sind.“, erinnerte ich sie. Das wollte ich nämlich so gar nicht. Und das Wissen, dass Clara das mit dem Rasierer ernst gemeint hatte, spielt da nicht mal eine so große Rolle.

„Ich weiß.“, sagte Vivien. „Ich kenn deine lockere Art. Immerhin ist das nicht das erste Mal, dass wir in dieser Position sind, oder?“

Ich brummte. Da hatte sie leider Recht. Sie hatte mich auch schon auf einer anderen Party verführt.

„Apropos Position, halt mal still bitte“, sagte sie, während sie in ihrer Handtasche kramte. Schließlich zog sie ein klarsichtiges Säckchen heraus.

„Was machst du da?“, fragte ich milde interessiert.

„Spaß haben“, sagte sie und entleerte einen Teil des Inhalts auf meine nackte Brust.

„Hast du nen Schein?“, frage sie.

„Dein Ernst?“, fragte ich sie.

„Absolut“ sagte sie und brachte das Pulver mit ihrer gefälschten ID-Karte in Form.

„Hintere Hosentasche“ sagte ich nur.

Nachdem sie ihre Line gezogen hatte, hielt sie mir den gerollten Schein hin. Ich seufzte und zog mit das Koks in die Nase. Ich stöhnte auf nach dem Brennen, das dies verursachte und ließ meinen Kopf wieder aufs Kissen sinken. Ich war nicht stolz darauf, doch half es die Gewissensbisse aus meinem Kopf zu vertreiben, sowie etliche störende Gedanken.

„Weißt du was mich heute Abend als einziges gestört hat? Dieses widerliche Rumgemache von Connor und dem anderen Schwulen.“, ließ Vivien mich wissen.

„Lass sie doch.“, sagte ich und schloss die Augen. Auf dieses Gespräch hatte ich überhaupt keine Lust.

„Uuääähhh, also ich kann da nicht hinsehen. Du etwa?“, fragte sie angewidert.

„Mir doch egal.“, sagte ich nur. Dass ich Eifersuchtsgefühle gekriegt habe als ich die beiden gesehen habe, verschwieg ich ihr lieber.

„Also ich finde die sollen dafür nach Hause gehen. Dort können die dann, von mir aus, alle möglichen schwulen Sachen machen, die sie wollen.“, sagte Vivien. Ich rutschte ein Stück von ihr weg.

„Wir sind auch nicht nach Hause gegangen“, meinte ich dazu.

„Das ist doch was anderes. Wir sind hot und die sind… naja gay“, sagte sie und kicherte.

„Du würdest gut mit Alvin zusammenpassen.“, sagte ich dumpf.

„Ich hoffe du meinst damit irgendeinen anderen Alvin den ich nicht kenne. Einen hübschen vom College“, sagte sie und rümpfte lachend die Nase.

„Ich dachte eigentlich du magst Connor.“, sagte ich.

„Oh, komm schon Brandon. Ich tu doch nur so. Meinst du mich interessiert was aus dem wird wenn er mit der Schule fertig ist? Wahrscheinlich Friseur oder Modedesigner oder was ähnlich Schwules.“

Mir reichte es endgültig. Diese dumme Schlampe hatte ein sogar für ihre Verhältnisse bodenloses Niveau erreicht.

„Was machst du denn?“, fragte Vivien und setzte sich auf. Sie strich sich ihre hellbraunen, schulterlangen Haare aus dem Gesicht. „Komm wieder zu mir! Komm, wir ziehen noch was“

„Ich kann auf diesem Sofa nicht schlafen.“, sagte ich. In Gedanken fügte ich „Bei dir“ hinzu.

Ich zog mir meine Hose und mein Hemd wieder an und ging aus dem Zimmer.

„Das Sofa kann man doch ausziehen!“, rief sie mir hinterher, doch ich hatte schon die Tür hinter mir geschlossen. Ich wankte durch das Haus, an den noch feiernden Menschen vorbei und vermied alle Blicke. Ich schlüpfte in meine Schuhe und stöhnte auf. Irgendein Witzbold hatte Bier reingekippt. Ich zog mir meine Schuhe und die Socken aus, nahm sie in die Hand und ging barfuß nach Hause. Zurzeit war es noch warm und damit bestand kein Problem. Der Gehsteig war angenehm kühl und hell vom Mond beschienen. Die Nacht war wolkenlos und sehr hell. Ich konnte überdeutlich sehen. Ich schämte mich dermaßen, dass ich mich auf Vivien eingelassen hatte. Hiermit schwor ich mir mit diesen kleinen Nummern aufzuhören. Keine davon hatte sich jemals gelohnt.

Als ich zuhause ankam stellte ich fest, dass ich meinen Haustürschlüssel nicht finden konnte. Ich wollte niemanden aufwecken und ging stattdessen zum Meer. Ich setzte mich in den Sand und lehnte mich an die Böschung. Ich starrte aufs Meer hinaus. Das Wasser war ruhig und das Mondlicht wurde darin gespiegelt. Ein heller Streifen Mondlicht auf dem dunkelblauen Wasser. Vielleicht lag es daran, dass ich betrunken und auch noch high war, aber alles sah einfach wunderbar aus. Noch war es dunkel aber am nächsten Morgen würde es wieder eine blaugrüne Farbe haben. Die Farbe von Liams Augen. Da war er schon wieder. Ständig tauchte er in meinen Gedanken auf. Seine Augen, sein Lächeln, sein nackter Oberkörper…

Der Sex mit Vivien hatte mich nicht abgelenkt, sondern die Eifersucht nur noch verstärkt und das Kokain hatte alles nur noch schlimmer gemacht. Ich hatte viel zu viel Negatives empfunden, um mich davon abzulenken, dass ich gefühlstechnisch einsam war. Zurecht, denn ich hatte ja immer alle sofort von mir weggestoßen. Ich wollte mich nicht verletzlich machen. Davor hatte ich Angst. Ich fürchtete mich davor jemanden in mein tiefstes Inneres blicken zu lassen. Denn ganz tief drinnen wo keiner außer mir es sehen kann, bin ich nicht der, der ich vorgebe zu sein.

Ich wollte das Meer nicht mehr ansehen. Die Farbe des Meeres erinnerte mich zu sehr an diese Augen. Aber daran wollte ich nicht denken, doch irgendwie musste ich. Immer und immer wieder. Ich begann die Farbe zu hassen und gleichzeitig zu lieben. Die Farbe war ein Traum aber ich hasste sie für die Gedanken, die sie in mir hervorruft. Ich hasste mich für diese Gedanken. Mein Gehirn drehte sich im Kreis. Ich liebte den Gedanken. Ich versuchte sie zu verdrängen, aber sie waren da und blieben da. Ich wandte meinen Blick ab vom Meer und sah auf meine nackten Füße. Ich bewegte meine Zehen auf und ab und irgendwann hielt ich es nicht mehr aus, zu sitzen.

Ich lief runter zum Strand und durchs Wasser. Ich holte wütend mit dem Fuß aus und trat das Wasser. Doch es kam zurück genauso wie die Gedanken. Ich trat und trat und irgendwann kamen mir die Tränen. Ich kniete mich ins Wasser und weinte leise vor mich hin. Das Wasser war kalt. Ich schüttete mir eine Handvoll Wasser ins Gesicht. Meine Augen brannten fürchterlich, doch es war mir egal. Ich sehnte mich nach Hause. Nach meinem Hund, meinen Eltern und nach Clara, doch ich konnte nicht nach Hause.

Meine Sachen waren nass. Mein Handy war zum Glück wasserfest aber meine Jeans hatte Flecken bekommen. Ein paar Hundekekse, die ich für Rex immer in der Tasche hatte, hatten sich im Wasser aufgelöst. Meine Kleidung triefte vor Nässe und ich schleppte mich zum Leuchtturm. Er war abgeschlossen, also legte ich mich draußen auf die Terrasse. Mit dem Blick auf das verfluchte Blau des Meeres und mit Tränen in den Augenwinkeln. Ich fühlte mich schwach, wie ein kleiner Junge. Trotzig wischte ich die Tränen weg. Dieses Blau…

Ich saß auf einer Wiese unter einem Baum. Einer Weide mit langen Ästen. Ich lehnte mit dem Rücken an den Baumstamm, der gleichzeitig ein Turm war. Zu meinen Füßen befand sich ein Weiher, doch konnte es auch ein Meer sein, das konnte ich nicht genau sagen. Der Himmel war blau und violett und orange und… blau. Ich kannte diesen Ort irgendwoher. Mit ihm verband ich etwas aus meiner Kindheit, aber mir fiel nicht mehr ein, was es war. Jemand kniete neben mir. Zuerst nahm ich die blauen Striemen auf seiner Brust wahr, und dann war die haut wieder makellos. Ja, mit Sicherheit war es ein Junge.

„Tut es weh?“, fragte ich wie von selbst.

„Kaum noch.“, sagte der Junge.

Ich streckte meine Hand nochmal nach ihm aus. Diesmal aber nach seinem Gesicht. Ich konnte winzige Bartstoppeln fühlen. Der Junge griff nach meiner Hand. Seine Finger umschlossen meine. Dieses Gefühl war wunderschön. Schöner als alles was ich bisher gefühlt habe. Ich fühlte mich sicher. Geborgen. Geliebt. Der Junge lächelte mich an. Seine blau-grünen Augen fanden meine. Liam. Mein Mundwinkel zuckte schüchtern. Liams Kopf rückte ein kleines Stück näher. Ich kannte diese Situationen. Ich wusste was ich machen musste, doch es war sehr viel schwieriger als jemals zuvor. Ständig musste ich daran denken was passieren würde wenn ich was falsch machen würde. Ich sah in das Gesicht des jungen. Schönes Gesicht. Ich legte meine Hand aus seinen Hinterkopf. Seine dunklen Haare bewegten sich etwas im Wind. Unsere Nasenspitzen berührten sich. Jetzt gab es kein zurück mehr. Ich schloss meine Augen und genoss die Berührung unserer Nasen. Ich konnte seinen Atem auf meinen Lippen spüren.

„Was zum Teufel machst du hier, Junge?!!!“

Ich schreckte hoch. Der Weiher und die Weide waren weg und stattdessen war da der harte Boden der Terrasse und der Tatsachen. Die Stimme die mich geweckt hatte gehörte zu einem unrasierten Mann mit langen Mantel und wasserfesten Stiefeln, die aussahen als ob sie schon von Piraten getragen wurden.

„Wieso bist du hier?“, fragte er mich aufgebracht.

„Moin, Captain.“, sagte ich müde. „Ich bin‘s, Brandon.“

Seine Miene wurde weniger wütend. „Ach, du bist’s. Du weißt doch, dass man hier nicht schlafen darf.“, sagte der Captain. Er war eigentlich kein Captain mehr. Seitdem er im Ruhestand war, war seine einzige Aufgabe der Leuchtturm.

„Kannst du mir mal erklären warum du nicht zuhause bist?“, fragte er.

„Kein Schlüssel.“, sagte ich nur.

„Dann geh mal besser heim, Junge.“, sagte er. „Es ist schon Morgen.“

„Alles klar, Captain.“, sagte ich und stand auf.

„Hast du getrunken, Junge?“, fragte er streng.

„Und mehr“, dachte ich, zuckte aber als Antwort nur mit den Schultern.

„Und wenn du das nächste Mal so spät draußen bist, klingelst du gefälligst bei dir zuhause. Du kannst nicht einfach so draußen schlafen. Da wirst du schneller krank als dir lieb ist, verstanden?“

„Aye aye, Captain.“, sagte ich und machte mich von Dannen. Aber nach Hause ging ich noch nicht. Zuerst holte ich mir mein Auto. Ich fand Jason schlafend auf der Rückbank. Der Gauner hatte meinen Schlüssel stibitzt. Ich weckte ihn und fuhr ihn nach Hause. Er hatte kein Glück bei Dianna gehabt. Sie war irgendwann mit einem anderen Jungen verschwunden und hatte sowohl Jason als auch Taylor stehen lassen. Schweigend brachte ich Jason nach Hause. Ich hörte ihm geduldig zu, sagte aber nichts. Mir war überhaupt nicht nach reden. Dafür hatte ich viel zu viele störende Gedanken. Gedanken vor denen ich etwas Angst hatte. Der Traum hatte es überdeutlich gezeigt. Möglicherweise war ich genauso wie Liam und Connor. Eine gruselige Vorstellung. Aber ich wollte das nicht. Ich konnte nicht so sein. Ich hatte verdammt nochmal nur ein Leben und das wollte ich anders verbringen. Ich wollte eine Familie. Ich wollte eine Frau und Kinder mit denen ich in einem Haus leben kann. Ich wollte irgendwann eine Tochter haben, die ich vor Jungen wie mir warnen wollte. Ich wollte einen Sohn mit dem ich Football spielen konnte. Solange ich denken konnte, hatte ich mir meine Zukunft so vorgestellt. Und jetzt musste ich draufkommen, dass das wohl nie möglich sein wird. Ich wollte nicht schwul sein. Ich wollte mich nicht ändern. Ich wollte hetero bleiben und mich in Mädchen verlieben. Schwul zu sein passte mir nicht. Aber andererseits fand ich den Traum auch schön. Aber es war ein Traum und in Realität würde sowas sicher nicht passieren. Ich machte eine Phase durch, ja das musste es sein. Außerdem war ich high und betrunken, als mich diese Gedanken erschlichen. Scheiß Drogen. Die konnten einem ganz schön das Gehirn verwirren. Das kam alles daher, dass ich so oft was mit Schwulen zu tun hatte. Immerhin wurde ich schon beinahe vier Jahre von Connor belagert und Liam kannte ich noch länger. Da musste irgendwas durcheinandergebracht worden sein. Erleichtert über diese Erklärung ging ich nach Hause. Doch dann wurde ich doch wieder unsicher. Irgendwie musste ich mir Sicherheit verschaffen. Aber wie? Dann fiel mir etwas ein. Was ganz Simples, aber es würde mir zu hundert Prozent Sicherheit verschaffen, dass mir beweisen würde, dass ich noch normal war.

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Funfact für alle: Normal zu sein ist langweilig

So und jetzt zu dem Kapitel: Armer Brandon, aber so ein kleiner Fuckboy (:stuck_out_tongue:) ist er schon auch irgendwie. Diese Vivien muss ja echt gut im Bett sein, denn sonst hat sie nichts zu bieten. Ihr Charakter ist genauso abscheulich wie der von Alvin.
Aber war Brandon so betrunken, dass er ohne zu zögern Koks zu sich nimmt? Oder hat er das vorher schonmal gemacht? Weil Alkohol und Koks sind zwei verschiedene Stufen von Drogen …
Die Szene am Meer reißt einem beim lesen förmlich das Herz heraus. Irgendwie war jeder schon mal in diesem oder einem ähnlichen Dilemma. Jedenfalls sehr gut und emotional beschrieben alles.

Lg Skystar

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Hat nicht zum ersten mal Schnee gesehen unser Protagonist, nein

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Teil 10 - Filmchen und Filme

Am Abend saß ich allein mit meinem Hund in meinem Zimmer. Ich hatte überhaupt keine Sicherheit bekommen. Im Gegenteil. Ich war nur noch verwirrter, unsicherer und sogar etwas angeekelt von mir selbst. Ich lag mit dem Gesicht auf dem Bett. Mein Hund leistete mir Gesellschaft. Er durfte neben mir liegen. Rex war sogar etwas einfühlsam, zumindest kam es mir so vor. Er schnupperte an meinem Ohr und an meinen Haaren. Sein Hundekopf ruhte auf meinem Arm und wenn ich Rex ansah, sah er mich so an als würde er fragen wollen: „Was ist mit dir los? Wieso zwingst du mich nicht zum Joggen?“ oder „Kann ich dir vielleicht mit einem Schlabber-Knutscher auf dein Ohr helfen?“ Ich lächelte.

„Sorry Großer, aber du kannst mir leider nicht helfen.“

Rex gähnte. Ich drehte meinen Kopf auf die andere Seite. Mein Blick fiel unweigerlich aus dem Fenster. In Taylors Zimmer brannte das Licht. Er war zuhause und machte Work-out. An seiner Zimmerdecke war eine Stange angebracht, auf der er Klimmzüge machte. So ein Angeber. Mein Blick blieb an ihm hängen. Ich fand seine Muskeln schon sehr schön anzusehen. Irgendwann sah er auch zu mir rüber. Um nicht so auszusehen, als ob ich die ganze Zeit gespannt hätte, was ich ja auch nicht getan habe – ich fand nur seine Muskeln beeindruckend -, nickte ich ihm zu. Er bleckte die Zähne und nickte zurück. Ich stand auf und ließ die Jalousien runter. Den Anblick auf durchtrainierte Jungen konnte ich mir sparen. Vor allem jetzt da ich so verwirrt war. Es war zum Heulen. Ich ließ mich zurück auf mein Bett fallen und benutzte Rex als Kopfkissen. Rex winselte kurz, war dann aber wieder still. Ich schloss meine Augen und murmelte: „Was ist nur mit mir los?“

„Möchte ich auch gerne wissen.“, sagte eine Stimme und ich erschreckte mich so, dass ich mich so ruckartig aufrichtete, dass ich Rex dazu brachte von meinem Bett zu hopsen und sich hinter den Beinen der Person, die gesprochen hatte, versteckte.

„Was ist denn nur mit dir los, Brandy?“, fragte Clara mich.

„Seit gestern bist du die ganze Zeit so komisch drauf. Ist was passiert auf der Party?“, fragte Clara zu mir und setzte sich neben mich.

Ich starrte wieder zu meinen Füßen.

„Mit mir ist nichts.“, sagte ich.

„Du weißt schon, dass du mir vertrauen kannst, oder?“, fragte sie.

„Du hast einen Tag gebraucht um meinen dämlichen Spitznamen in der ganzen Schule verbreitet.“, sagte ich darauf.

„Och Brandy, geht dir das so zu Herzen? Und dämlich ist der nicht. Der gibt so einem harten Kerl wie dir etwas Niedliches, was meiner Meinung nach sehr gut zu dir passt.“, sagte Clara und knuffte meinen Oberarm.

„Das ist es nicht. Du hast es einfach so erzählt.“, sagte ich.

„Eigentlich hab ich‘s absichtlich gemacht um dich zu ärgern.“, gab sie zu.

Ich nickte.

„Aber hör zu: Das war ja nicht wirklich wild, sonst hätte ich‘s natürlich nicht getan. Ich weiß, was ich sagen darf und was nicht.“, sagte sie noch.

„Weiß ich doch.“, sagte ich und sah auf und blickte sie an. Sie hatte große kupferfarbene Augen. Ich kannte sie gut. Ich kannte sie schon lange. Ich wusste, dass ich ihr vertrauen konnte.

„Ich bin in letzter Zeit, also erst seit gestern Nachmittag am Nachdenken. Ich bin mir auf einen Schlag total unsicher.“, sagte ich. Jedes Wort, das ich über die Lippen brachte, war Schwerstarbeit.

„Unsicher? Wegen was denn?“, fragte sie.

„Über… über meine…“, setzte ich an. Mir war noch nie ein Satz so schwergefallen.

„Über deine was?“, fragte Clara geduldig.

„Über meine Sexualität.“, drückte ich heraus und sah sofort wieder zu meinen Füßen. Ich erwartete alles Mögliche. Aber alles, was sie machte, war sich auf meinen Rücken zu stützen.

„Ach Brandy, sowas kommt vor. Öfter als du annimmst.“

„Ach wirklich? Falls ich wirklich schwul bin, bin ich einer von drei Schwulen in einer High School, an die an die tausend Schüler gehen.“

Clara lachte: „Das stimmt mit Sicherheit nicht. Geschätzt sind zehn Prozent der Weltbevölkerung homosexuell. Das wären an deiner Schule dann um die hundert Leute. Und dann gibt es noch sehr viel mehr Bisexuelle, so wie du wahrscheinlich auch einer bist. Und das ist auch total in Ordnung so.“

Ich sah auf.

„Das wusste ich nicht.“, sagte ich nicht. „Ich dachte das wären viel weniger.“

Clara lachte. „Nein, ganz sicher gibt es so einige versteckte Schwule an deiner Schule“.

Ich nickte und sagte: „Aber ich will das doch gar nicht. Ich will das nicht sein.“

Clara lächelte. „Ich schätze mal, dass du da nicht viel machen kannst, falls es so ist. Falls es überhaupt so ist. Bist du dir denn sicher?“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Keinen Schimmer. Ich habe wirklich keine Ahnung.“

Clara sah mich fragend an.

„Hast du schon versucht es herauszufinden?“

„Ja, hab ich.“, sagte ich verdrießlich.

„Und wie das?“

„Ich… ich hab mir… einen Schwulenporno angeguckt.“

Clara lachte laut los.

„Oh mein Gott! Brandy, so doch nicht!“, sagte sie.

„Wieso nicht?“, fragte ich sie verwirrt. „Das ist doch nur logisch.“

„Was hast du dir gedacht als du dieses Filmchen gesehen hast?“, fragte sie verschmitzt.

„Um ehrlich zu sein, hat sich gar nichts geregt!“, sagte ich.

„Und das wundert dich mit dem Druck, den du dir gerade machst?“

„Ich wollte einfach nur Sicherheit haben. Aber es hat mich nur umso mehr verunsichert“, sagte ich wahrheitsgemäß.

„Ich muss dir hoffentlich nicht erklären, dass Pornos nicht viel mit der Realität zu tun haben, oder? Ich hab ne bessere Idee. Warte mal. Ich komm gleich zurück und sag dir, was du am besten machen musst, ja?“, sagte sie.

Ich nickte. Sie ging nach draußen in den Flur. Ich hörte, dass sie telefonierte. Geduldig wartete ich ab, bis sie wieder reinkam. Sie nahm meinen Laptop vom Schreibtisch und gab darauf etwas ein. Dann drückte sie mir den Laptop in die Hand.

„Hier, sieh dir mal das hier an. Ich habe einen guten Freund gefragt und der hat gemeint, das könnte dir vielleicht helfen. Wenn du es schön findest, ist es sehr wahrscheinlich, dass du zumindest bisexuell bist.“

Ich sah sie an.

„Und was, wenn ich es gar nicht wissen will?“, fragte ich.

„Nun, dann wirst du bestimmt nicht schlauer. Wenn du zu feige bist dir selbst zu gestehen, was du wirklich fühlst, wirst du nicht glücklich. Ich kenne jemanden, der sich wegen seiner Unsicherheit ziemlich viel Scheiße eingehandelt hat. Er hat dann einen Fehler gemacht, den er seitdem bereut hat. Mach was du willst, aber ich würde dir raten es dir anzusehen. Und lüg dich nicht selbst an. Es ist immer besser sich nicht zu verstellen. Nur wer den Menschen mag, der du in wirklich bist, mag dich wirklich.“

Ich sah Clara an. Sie hatte sich in vieler Hinsicht sehr verändert.

„Wann bist du nur so cool geworden?“, fragte ich sie.

„Im wunderschönen Österreich, nehme ich mal an.“, sagte sie. „Ich entführe dir mal Rex, ja? Den hast du vorher ja fast erdrückt.“

„Schon gut. Nimm ihn mit.“, sagte ich.

Clara verschwand mit Rex aus dem Zimmer. Ich starrte auf meinen Laptop. Ich befand mich auf einer Streaming Seite und ein Film namens „Call me by your name“ war ausgewählt. Ich zögerte. Doch irgendwann klickte ich schließlich auf Play.

Das Video rührte mich sehr. Es gab ein trauriges Ende, doch der Film war sehr schön. Die beiden Hauptcharaktere waren keine bunten Klischees, sondern einfach Menschen, die sich ins selbe Geschlecht verliebten. Nicht viel anders als alle anderen, nur ein bisschen. Beim Ende wurde mir warm ums Herz. Irgendwie wollte ich sowas auch und dann doch wieder doch nicht. Aber dann kam doch wieder die Angst über mich. Fürchterliche Angst vor Reaktionen und anderem. Einerseits könnte ich das haben, wenn ich wollte, doch andererseits war mein Leben ziemlich cool, so wie es war. Ich klappte den Laptop zu. Ich wusste immer noch nicht, was ich wirklich wollte.

In einer Stunde kam Clara zu Tür herein.

„Na, bist du klüger geworden?“, fragte sie und setzte sich neben mich.

„Ich weiß nicht.“, sagte ich.

„Was ist denn so schlimm daran schwul zu sein?“, fragte sie mich.

„Schau dir mal an was mit Liam passiert.“, sagte ich. „Die halbe Welt ist ohne Grund gegen ihn.“

„Die Menschheit denkt auch teilweise immer noch, dass Schwarze minderwertig wären und Frauen dürften nicht wählen sollten.“, sagte sie schulterzuckend. „Was Menschen sagen, ist oft einfach schlichtweg falsch.“

„Aber auch, wenn es nicht wahr ist, sind dennoch die meisten fest davon überzeugt.“, argumentierte ich.

„Die Menschen waren auch mal fest davon überzeugt, dass die Erde eine Scheibe ist und dass auf einem Berg lauter Götter wohnen, die mit Blitzen werfen.“, sagte Clara. „Und die meisten in deinem Umfeld vielleicht. Du würdest staunen, wie cool Menschen an anderen Plätzen sind“

„Ja schon, aber…“, setzte ich an, aber ich wurde sofort unterbrochen.

„Nichts aber. Und jetzt komm, du Jammerlappen.“, sagte sie und stand auf. Clara zog mich hoch.

„Was willst du machen?“, fragte ich.

„Komm mal mit.“, sagte sie. Sie führte mich in das Zimmer, das sie bezogen hatte. Es waren schon einige persönliche Gegenstände im Zimmer verteilt.

„Weißt du noch, was wir damals immer gemacht haben, als ich noch hier gewohnt habe?“, fragte sie.

„Sicher“ sagte ich und Freude stieg in mir auf als Clara ihre Gitarre auspackte.

„Ich habe es immer geliebt, wenn wir zusammen gesungen haben.“, sagte sie.

„Ich habe inzwischen nachgelassen.“, sagte ich.

„Ist nicht wild. Bei diesem Song brauchst du nicht viel singen. Außerdem hast du genug Zeit zwischen den Strophen und dem Refrain, um zu tanzen. Das hast du als Kind immer geliebt.“, sagte sie. Clara zupfte eine Melodie auf der Gitarre.

„Ja“, sagte ich augenrollend „Als Kind“

„Kennst du das hier noch, cool boy?“, fragte sie.

„Natürlich. ‚Never going back again‘ von Fleetwood mac. Das haben wir doch meinem Dad zum Geburtstag vorgesungen, weil das seine Lieblingsband war.“

„Genau. Dann zeig mir mal, was du kannst.“, sagte sie, knuffte mich in die Seite und fing an zu spielen.

Es brauchte noch ein bisschen Überzeugung, bis ich mitmachte. Beim Gesang unterstützte sie mich, aber schon durch das Tanzen tankte ich neue Kraft. Clara sang immer noch so glockenhell wie vor zehn Jahren. Die musikalische Ader hatte Clara von ihrem Vater, dem Bruder meiner Mom.

„Du tanzt immer noch wunderbar. Bist du bei irgendeiner Gruppe?“, fragte Clara neugierig. Ich setzte mich auf die Bettkante neben sie.

„Nein, das will ich nicht. Ich tanze nur für mich allein und eine Handvoll anderer Leute.“

„Wirklich schade.“, sagte Clara „Daraus könntest du durchaus was machen.“

„Ich weiß nicht.“, sagte ich. Ich stellte meine geheime Passion schon immer etwas in Frage. Woher sollte ich denn wissen, ob ich es wirklich kann oder ob mir das nur die paar Leute sagen, die mich schon mal dabei gesehen haben?

„Danke Clara. Das hat Spaß gemacht. Aber ich muss erstmal eine Nacht darüber in einem Bett schlafen. Ich bin gerade sehr verwirrt und muss das alles erstmal verarbeiten.“

„Nimm dir Zeit.“, sagte Clara. „Aber stell in der Zeit nichts Blödes an!“

Ich schmunzelte. Dann verließ ich mein Zimmer und schloss hinter mir ab. Ich wollte alleine mit meinen Gedanken sein und mir eventuell nochmal den Film ansehen.

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Dieser Satz ergibt so gar keinen Sinn :smiley:

Sag mir wenn ich mich irre, aber „Call Me by Your Name“ erschien doch erst einige Jahre später, nachdem du „Angel“ damals veröffentlicht hast. Hast du dieses Detail geändert und wenn ja, warum?

Ich mag es, wenn Brandy tanzt :slight_smile:

Lg Skystar

Ich hab dieses Detail geändert. Das war in der ursprünglich ein Kurzfilm von YouTube, der mir damals gut gefallen hat aber aus heutiger Sicht doch ein bisschen schräg ist

Call me by your name war da doch passender

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Teil 11 - Clar(a)heit

Die ganze nächste Woche blieb ich zuhause. Allgemein bekannt war, dass ich krank war und deswegen das Bett hüten musste. Ich bekam von einem ganzen Haufen Leute auf dem Handy lieb gemeinte Gute-Besserungs-Nachrichten in meinen Instagram DMs. Auf Whatsapp bekam ich weniger Nachrichten, da ich meine Nummer nicht gerne teilte. Ich bekam eine lustige Nachricht von Jason und eine von Elliot. Am Dienstag-Abend bekam ich noch eine Nachricht auf Instagram, die mir die Stimmung besserte.

Hey, schade, dass du nicht in der Schule warst. Bis jetzt hat Alvin mich tatsächlich in Ruhe gelassen. Mal sehen wie lang das anhält :sweat_smile:
Dafür wollte ich mich bedanken

Gute Besserung übrigens! :kissing_closed_eyes:

Ich starrte die Nachricht für eine Weile an. Sie kam von einem privaten Profil, doch ich konnte durch das Profilbild und dem Namen erkennen, dass es Liam war. Ich antwortete schon kurz nach Eingang der Nachricht:

Hi Liam, ich bin’s, Brandon
Schreib mir auf Whatsapp!

Und fügte meine Handynummer hinzu. Es dauerte nicht lange bis ich dort eine Nachricht von einer unbekannten Nummer bekam.

Hey :wave:

Ich speicherte die Nummer ein und schrieb zurück:

Hier seh ich Nachrichten schneller :wink:
Ich geb meine Nummer nicht so gern her… Du gehörst sozusagen zu den Leuten mit denen ich wirklich reden will und von denen ich auch tatsächlich den Namen kenne :smiley:
Übrigens danke für die Nachricht

Ich starrte auf mein Handy ob ich vielleicht noch eine Antwort kriegen würde. Ich wartete nur eine kurze Weile.

Oh, cool :slight_smile:
Ich fühle mich geehrt zur Elite zu gehören
Schon cool wenn man sowas braucht um sich die Leute vom Leib zu halten.
Was hast du eigentlich? Ist es was Schlimmes? :thinking:

Ich fand es sehr lieb wie er sich um mich sorgte. Auf den nächsten Moment fand ich mich selbst dämlich, dass ich sowas dachte. Warum verhielt ich mich auf einmal so? Das war doch nicht ich. Trotzdem flogen meine Finger über den Touchscreen um eine Antwort geschrieben.

Nein, nicht wirklich. Mir geht es nur nicht so besonders. :no_mouth:
Bin etwas fertig. Ich weiß noch nicht wann ich wieder in die Schule kommen werde

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.

Und deine Eltern machen das mit? :joy:
Hört sich ja wild an :wink:
Man sieht sich

Ich schmunzelte.

Ja, denen ist das egal. Haben nicht mal wirklich nachgefragt was los ist
Man sieht sich :slight_smile:

Ich legte mein Handy weg. Da ja erst Dienstag war, sah ich ihn natürlich nicht so bald wieder. Ich brauchte Zeit für mich – viel Zeit. Immerhin wurde mein gesamtes Leben gerade von heute auf morgen umgestülpt. Und ich hatte nicht mal Gewissheit. Mein Kopf war viel zu voll um mir über mich selbst klar zu werden. Es war zum Heulen – natürlich hab ich das nicht gemacht, das ist immer noch nicht wirklich mein Ding.

Am Freitag wollte ich immer noch nicht in die Schule. An diesem Tag war meine Mom in New York auf einer Gala oder sowas und mein Vater war im Gym. Da meine Eltern nicht zuhause waren, musste ich nicht so tun als würde ich meine mysteriöse Krankheit auskurieren. Ich schwamm in der Abenddämmerung im Pool herum. Das Wasser war angenehm warm. Die Beleuchtung war schon an, also hatte es etwas Magisches durch das grell hellblaue Nass zu schwimmen. Rex saß am Beckenrand und sah sehnsüchtig auf das Wasser. Aber herein durfte er nicht. Baden war für ihn nicht drin. Ich ließ mich treiben bis eine Stimme mich zum Nachbarhaus rüber blicken ließ.

„Du siehst ja überaus kränklich aus, King!“, rief Taylor herüber.

„Kümmere dich um deinen Kram, Tay! Und stör mich nicht beim Kurieren!“, rief ich zurück.

„Hmm, schon klar!“, sagte er spöttisch und ging ins Haus. Bevor er die Tür zuschlug hörte ich noch wie er „Schwänzer!“, rief.

„Penner“, sagte ich nur für mich und schwamm weiter meine Bahnen. Nach einer Weile hörte ich das Klacken von hohen Schuhen auf steinernen Fließen und blickte, während ich noch auf dem Rücken vor mich hin dümpelte, gerade nach oben in das Gesicht von Clara höchst-selbst.

„Wie lange willst du diese Mitleidstour noch abziehen?“, fragte sie mich und sah sorgenvoll drein.

„Ich weiß nicht. Solange bis ich mir über mich selbst im Klaren bin.“, sagte ich und suchte mit meinen Fingern den Beckenrand.

„Das geht so nicht weiter. Sowas ist ein langer Prozess und du kannst dich nicht wochenlang selbst bemitleiden oder dich krankschreiben lassen, nur weil du zu feige bist um ehrlich zu dir selbst zu sein.“, sagte sie.

„Das ist nicht so einfach wie du denkst.“, sagte ich mürrisch.

„Ist es das nicht? Hört sich nämlich sehr einfach an. Magst du Jungen oder Mädchen lieber?“

„Eben das ist es ja. Ich mag Mädchen schon gerne. Bei Jungen bin ich mir nicht sicher. Aber irgendwie haben die schon was, aber eigentlich interessiert mich nur einer.“, sagte ich.

„Dann bist du bi.“, sagte Clara achselzuckend. „Zumindest als Zwischenlösung. So, Kriese beendet“

Ich lachte und verdrehte die Augen. „Ja, vielleicht. Aber sei nicht zu streng zu mir. Ich stehe hier sozusagen an einer Kreuzung und muss mich zwischen dem Leben, das ich nicht führen möchte und meinen ganz normalen, traurigen Alltag entscheiden.“

„Und der traurige Alltag hört sich verlockend an?“, fragte sie.

„Ja. Immerhin bin ich da wie alle anderen. Aber ich hab Angst davor, dass der andere Weg der Richtige ist.“, sagte ich.

„Wieso denn? Was ist denn so schlimm daran schwul zu sein?“, fragte sie.

„Hast du hier schon mal die Leute reden gehört?“, fragte ich sie und lachte freudlos auf. „Hier zu sagen, dass man schwul ist, ist das so wie wenn man in der Grundschule sagt, dass man verliebt ist. Es macht dich zu einem Weichling, du bist eklig und jeder macht sich über dich lustig obwohl du nichts dafür kannst.“

Clara kniete sich an den Beckenrand. Sie legte ihre Hand auf meine. Meine eigenen Finger waren um ein Glied länger und sahen weit weniger zart aus.

„Warum denkst du überhaupt daran, dass du dich für irgendwas oder gegen was anderes entscheiden musst? Du musst gar nichts entscheiden. Du kannst machen, was immer du willst“

„Ich… ich will auch machen, was ich will“, sagte ich. Das stimmte auch. Das war meine Lebenseinstellung.

„Ach Brandy, heißt das du weißt schon, was dein Weg sein wird?“

Ich sah geradeaus. Dann nickte ich langsam „Ja, das heißt aber nicht, dass ich das toll finde. Um ehrlich zu sein, macht es mir Angst.“

Clara lächelte und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Ach Brandy. Ich finde es richtig großartig, dass du es dir schon nach einer Woche schon so weit bist. Und vor allem, dass du nicht in Lebsthass verfallen bist. Weißt du wie lange die meisten Leute für sowas brauchen? Die stecken dann jahrelang in der „das ist nur Einbildung und ich will es nicht weil es falsch ist“- Phase. So schlimm finde ich es gar nicht. Alles hat seine guten und schlechten Seiten.“

Etwas in ihrem Tonfall ließ mich ruckartig in ihr Gesicht sehen.

„Wie meinst du das?“, fragte ich grinsend.

„Och, sagen wir mal, dass ich Erfahrungen gemacht habe.“, sagte sie schelmisch.

„Erzähl!“, forderte ich sie auf. Meine Hände stützte ich am Beckenrand ab.

„Ich weiß nicht.“, sagte sie.

„Ach komm schon. Du willst es doch erzählen, das sehe ich dir an, also raus damit!“, sagte ich lachend.

„Na gut.“, sagte sie und stupste meine Nase. „Aber nur für dich, ok?“

Ich nickte gespannt.

„Es war vor ungefähr einem Jahr.“, fing Clara an. „Damals hatte wieder mal ein Freund mit mir Schluss gemacht. Ich war langsam am Verzweifeln. Ich hatte kein Glück bei den Jungen. Da kam mir der Gedanke, dass ich vielleicht mein Glück mal bei anderen Mädchen versuchen sollte. Ich hatte ein sehr schönes Date mit einem netten Mädchen, wir hatten uns geküsst und auch Sex. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es nicht schön war, aber es war nicht das was ich wollte. Ich habe es ihr gesagt und sie meinte es wäre für sie ok, da sie schon irgendwie gemerkt hat, dass etwas fehlt. Wir haben die Sache nach einem zweiten Mal Sex beendet und sind dann getrennte Wege gegangen. Ich bereue nichts von alldem, denn jetzt weiß ich was ich will. Ich will meinen Prinzen und nichts Anderes. Aber bisher hat er sich noch nicht blicken lassen, also muss ich weitersuchen.“

Clara lächelte mich an. Ich musste irgendwie grinsen.

„Du bist ganz schön abgefuckt, weißt du das?“, fragte ich grinsend.

„Sehr charmant.“, sagte sie lachend und fuhr mir durch meine nassen Haare.

„Aber ich kaufe dir irgendwie nicht ab, dass ihr nur zwei Mal Sex hattet.“, sagte ich und bespritze sie mit Wasser.

„Ertappt“, sagte sie lachend und hob die Hände. „Wir haben beschlossen, dass beziehungstechnisch zwar nichts zwischen uns laufen wird aber es war eine recht einsame Zeit und der Sex war klasse und deswegen ist das Ganze noch etwas länger gelaufen.“

Ich lachte und schüttete ihr eine Handvoll Wasser ins Gesicht.

„Also wart ihr sowas wie Sex-Freundinnen?“

Clara zuckte mit den Schultern und sagte: „tja, ein bisschen bi schadet nie“

„Du Luder!“, sagte ich lachend. Ein weiteres Mal bekam Clara eine Ladung Wasser ab.

„Das musst gerade du sagen!“, sagte sie. „Und hör auf mit dem Wasser!“

„Was sonst?“, fragte ich neckend und leerte ihr noch ein paar Hände über ihren Kopf.

„OK, jetzt reicht’s.“, sagte sie, zog sich Schuhe und Strümpfe aus, legte Handy und Geldbörse weg und sprang mitsamt Hotpants und T-Shirt in den Pool. Und zwar direkt auf mich drauf. Meine Cousine war schon verrückt.

„Hüa!“, rief sie und rammte mir die Fersen in die Seite, was unter Wasser nicht weh tat.

„Geh von mir runter!“, beschwerte ich mich. Zur Strafe tauchte sie meinen Kopf unter. Dadurch konnte ich ihr jedoch entkommen. Nachdem wir uns ausgetobt hatten, saßen wir klatschnass am Beckenrand. Wir hatten uns beruhigt.

„Hattest du keine Angst davor was passieren könnte, wenn jemand rausfinden, dass du Sex mit einem Mädchen hattest?“, fragte ich.

„Nein. Bei Mädchen ist das ja nicht so ungewöhnlich. Viele Mädchen experimentieren. Außerdem war es ja nur was Körperliches. Aber bei euch Jungen ist das wieder was anderes, nicht wahr? Ich denke die meisten Jungen haben einfach Angst davor, dass es ihnen gefallen könnte oder, dass es mehr als was Körperliches werden könnte. Deswegen lehnen es die meisten generell schon ab auch nur daran zu denken.“, sagte sie sachlich.

„Was denkst du sollte ich tun?“, fragte ich.

„Gib dem Ganzen eine Chance. Wenn es dir nicht gefällt, kannst du später immer noch sagen, dass es eine Phase oder was Einmaliges war. Oder es macht dich glücklich und du gibst dem Ganzen eine Chance. Aber verschwende keine Zeit damit dich vor den Nachteilen zu fürchten und versuche die Vorteile zu genießen.“

Ich schluckte bei dem Gedanken an den Porno.

„Weißt du was?“, sagte ich irgendwann. „Bi sein klingt eigentlich cool“

Clara lachte und stimmte mir zu.
Sie ließ mich allein und noch etwas im Pool treiben. Lange starrte ich in den dämmrigen Himmel. Dann ließ ich die Luft aus und mich auf den Boden des Pools sinken. Dort saß ich in dieser seltsam knackenden Unterwasser Stille, bis mir die Luft knapp wurde. Plötzlich manifestierte sich ein Gedanke in meinem Kopf. Es war, als hätte jemand einen Schalter umgekippt. Ich war Brandon King. Ich hatte schon immer gewusst was ich mochte und hab auch nie davor zurück geschreckt danach zu streben. Damit würde ich auch jetzt nicht aufhören.

Ich tauchte wieder aus dem Wasser auf und schnappte keuchend nach der Abendluft. Meine Lungen füllten sich und das Keuchen wurde zu Lachen. Statt nervös und ängstlich fühlte ich mich irgendwie rebellisch gerade und meine Sorgen und Befürchtungen gingen in meiner Euphorie unter.

Am späteren Abend bekam ich noch eine Nachricht von Liam.

Hi, ich wollte nur mal fragen wie es dir geht :upside_down_face:

Wieder ganz gut. Aber war schon wichtig, dass ich heute noch zuhause geblieben bin. Aber jetzt bin ich wieder fit. :muscle:

Cool, ähm was ich noch fragen wollte:
Da wir ja jetzt sowas wie Freunde sind wollte ich fragen ob wir mal was gemeinsam machen wollen? Pizza essen oder sowas?
Ich meine nur wenn du Lust hast und willst unso :speak_no_evil:

Ich schmunzelte und schrieb zurück:

Ob du willst musst du selber wissen, aber ich würde schon gerne
Wenn du Pizza bestellen willst, komme ich mit dem Pizzaboten :wink:

Cool, ich sag dir dann bescheid ok?

Ist gut
Freu mich :smile:

Ich legte mein Handy weg. Ich fühlte mich wieder lebendig. Neue Energie durchflutete mich. Aber ich verbrauchte sie nicht mit Sit-Ups und Liegestützen sondern griff zu meinem Handy und schrieb eine Nachricht. Danach griff ich mir meine Jacke und verließ mein Zimmer. Ich wollte noch etwas erledigen.

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Aww Brandy ist verknallt … ^^

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Meinst du Selbsthass? :thinking:

Ja :stuck_out_tongue:

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Teil 12 - So ein Arsch

Ich schlang meine Arme um den Körper. Die Luft war nicht kalt, aber das was ich vorhatte ließ mich leicht frösteln. So aufgeregt war ich seit meinem allererstersten Footballspiel nicht mehr. Aber das hier war nichts im Vergleich dazu. Damals hatte ich mir nicht alle möglichen Szenarien vorgestellt und dabei gezittert. Ich hätte fahren können, aber ich wollte den Weg lieber zu Fuß gehen weil ich mich psychisch auf mein Vorhaben vorbereiten wollte – außerdem waren meine Hände verschwitzt und würden mit Sicherheit vom Lenkrad abrutschen. Ich hatte Angst vor dem was kommen würde. Die Euphorie und der Tatendrang waren auf dem Weg weggelaufen und hatten mich mit Angst und Panik alleine gelassen. Ich zwang mich ruhig zu bleiben und konzentrierte mich nur noch aufs Gehen. Schließlich kam ich an. Ein Wohnblock, der aus vielen Wohnungen bestand. Von diesem Haus blätterte die Farbe und viele der Fenster sahen verlassen aus. Ich klingelte an einer der Türen im Erdgeschoss. Auf dem heruntergekommenen Schild stand der Name „Bolt“. Die Tür wurde mir geöffnet. Eine warmherzige Frau mit Lachfältchen stand in der Tür. Sie war ein ganzes Stück kleiner als ich, aber hatte es durchaus in sich.

„Hallo, Brandon, mein Lieber.“, sagte sie lächelnd.

„Hallo, Mrs. Bolt.“, sagte ich.

„Du weißt doch, dass du mich Elizabeth nennen sollst.“, sagte sie und bat mich herein. Die Wohnung war vollgestopft mit allem Möglichen. Sie war eindeutig zu klein für die Anzahl der Leute, die hier wohnten. In der Küche saß Elizabeths ältester Sohn, Jack. Er war schon mit der Schule fertig und arbeitete als angehender Koch in einem kleinen Restaurant im Ort. Ich winkte ihm und ging weiter. In einem Zimmer hörte ich zwei Mädchen laut mit ihren Puppen spielen. Mariah und Isabelle. Ich betrat den kleinsten Raum in der Wohnung. Zwei Betten standen gegenüber an den Wänden. Das eine Bett gehörte Jack. Auf dem anderen saßen zwei Jungen. Der eine war Ollie, der Zwillingsbruder von Isabelle. Der andere war mein bester Freund. Jason las gerade seinem kleinen Bruder aus einem Buch vor. Dann bemerkte er mich und grinste.

„Der Schwerkranke kommt mich besuchen.“, sagte er grinsend.

„Weiter“, verlangte Ollie laut.

„Später, ja?“, sagte Jason. „Versprochen“

„Ok“, sagte der Kleine, rutschte vom Bett und rannte nach draußen.

„Hey, man.“, sagte er und gab mir die bro fist.

„Hi Jason, kann ich mit dir reden?“, fragte ich etwas schüchtern.

„Klar, immer und über alles.“, sagte er und klopfte neben sich auf die dünne Bettdecke. Ich setzte mich neben ihn. Er legte mir sofort den Arm um die Schulter. Ich atmete tief durch. Ich versuchte was zu sagen aber alles was ich rausbrachte klang wie eine exotische Urwaldsprache.

„Hast du das Fremdsprachensyndrom? Dann stell bitte wieder auf Englisch, weil ich kein Wort verstehe.“, sagte er.

„Tschuldigung“, nuschelte ich – ja, ein Wort; ich bin stolz auf mich.

„Also was ist los, man? Normalerweise kommst du immer angekündigt.“, sagte Jason.

„Tja, wie soll ich das jetzt am besten sagen? Ähm, ich war nicht krank die letzten Tage.“, sagte ich um es langsam angehen zu lassen. Jason tat so als würde er vor Schreck vom Bett fallen. Er rollte sich ab und deutete mit den Zeigefingern auf mich.

„Glückwunsch, dann hast du erfolgreich eine Woche geschwänzt.“, sagte er.

„Aber gut ging es mir trotzdem nicht wirklich“, sagte ich, schmunzelte allerdings.

Jason setzte sich sofort wieder neben mich und legte seinen Arm wieder um meine Schulter.

„Sorry, das wusste ich nicht. Was ist denn los? Ist jemand gestorben?“, sagte er behutsam. Ich schüttelte meinen Kopf.

„Jason es ist so, ich habe in letzter Zeit sehr viel über mich nachgedacht“

Ich versuchte sie zurückzuhalten aber sie kamen doch. Diese abscheulichen, schwach machenden Tränen.

„Ich glaub ich steh auch auf Jungs, Jason.“, sagte ich und bereitete mich vor auf was kommen würde.

„Bitte hass mich nicht. Ich- Ich kann‘s mir nicht aussuchen. Es –es ist einfach da, dieses Gefühl und ich kann es nicht abstellen und…“, doch weiter kam ich nicht, denn Jasons Reaktion verschlug mir die Sprache. Er drückte mich an sich und klopfte mir auf die Schulter.

„Bro, jetzt chill mal“, sagte und klopfte mir auf die Schulter. „21. Jahrhundert undso“

Ich schluchzte auf und fing an zu lachen und dann zu weinen. Ich war so erleichtert und die reaktion von Jason hatte mich gerührt. Nach ungefähr fünf Minuten hatte ich mich beruhigt. Ich schniefte nur noch hin und wieder.

„Chill mal“, sagte Jason und bot mir ein Taschentuch an. „Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass du mal so vor mir losheulen würdest.“

„Ich auch nicht.“, lachte ich.

„Wie hast du’s gemerkt?“, fragte mich Jason.

Ich erzählte ihm alles von Anfang an. Er nickte.

„Du bist wohl in Liam verknallt.“, stellte er fest.

„Ja. Aber was ist mit dir? Müsstest du nicht geschockt sein“

„Nicht wirklich. Ich kenn dich schon ne ganze Weile und hatte immer schon den Verdacht, dass da was ist. Nicht weil du so dich besonders gay benimmst, oderso, versteh mich nicht falsch. Es war einfach so ein Gefühl“

Ich nickte. Manchmal kennen Freunde dich wirklich besser als du dich selbst.

„Aber eine Frage habe ich an dich…“, sagte Jason ernst.

„Frag was du willst.“, sagte ich leicht verunsichert.

„Wie findest du meinen Arsch?“, fragte er, drehte sich um und hielt mir sein Hinterteil ins Gesicht

Ich brüllte vor Lachen. Jason kugelte sich währenddessen auf seinem Bett und lachte so laut, dass man jeden einzelnen seiner schneeweißen Zähne sehen konnte.

„Perfekt“, sagte ich irgendwann. „10 von 10, besser geht’s nicht“

Jason wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Ich war auch einigermaßen erleichtert, dass ich mir offenbar keine Sorgen um unsere Freundschaft machen musste.

„Gut zu wissen. Und? Was willst du jetzt machen?“, fragte Jason mich.

Ich blickte auf die graue Wand, die mit Postern von Basketballern bespickt war.

„Ich hab keine Ahnung.“, sagte ich.

„Willst du dich outen?“, fragte Jason vorsichtig.

„Nope. Das mit Sicherheit nicht. Schon gar nicht, weil ich mir über mich selbst immer noch nicht ganz im Klaren bin.“, sagte ich. „Außerdem weiß ich genau wie man behandelt wird, wenn man auch auf Jungs steht, in unserer High School. Außerdem möchte ich meinen Status nicht so unbedingt verlieren.“

„Kann ich verstehen. Würde es dir nicht helfen mal mit Schwulen zu reden oder sowas?“, fragte Jason.

„Vielleicht. Aber mit wem denn? Mit Connor auf keinen Fall.“

Jason lachte und sagte dann: „Kann ich verstehen, aber was ist mit Liam?“

„Auf keinen Fall, das möchte ich nicht. Ich hab gerade mal Freundschaft mit ihm geschlossen und wenn ich jetzt ankomme mit ‚Hilf mir, ich glaube ich bin auch schwul‘, wird er sicher denken, dass ich ihm meine Freundschaft nur angeboten habe, weil ich was von ihm will. Ne, das brauch ich nicht. Außerdem könnte ich das auch nicht. Er ist doch glücklich mit Connor und das muss ich ihm zuliebe akzeptieren.“

Jason nickte. Es war schon wahr, dass ich nie was anbrennen ließ aber ausspannen geht gar nicht. Das konnte ich irgendwie nicht.

„Wie wäre es mit den Freunden von Clara? Du weißt schon, von denen sie erzählt hat.“, schlug Jason vor.

„Nein, die wohnen sicher irgendwo in Australien…“

„Österreich“, verbesserte er mich. „Europa, nicht Ozeanien.“

„Wie auch immer. Du weißt doch, dass ich in Geographie nie aufgepasst habe.“

„Egal, rede weiter.“, sagte Jason.

„Ja die wohnen sicher weit weg und die müsste ich dann über Skype kontaktieren und dann verstehe ich die Hälfte nicht“ sagte ich.

„Hmm, was hältst du von einem Forum für Schwule?“, fragte Jason.

„Ne, ich mag keine Foren. Da könnte jeder Account gefälscht sein und alles was du reinschreibst bleibt dann für immer drinnen und wenn das dann jemand liest der mich kennt, bin ich dran.“, sagte ich unsicher.

„Was sollte jemand der nicht schwul ist auf einem Forum für Schwule suchen? Also ich glaube nicht, dass da Gefahr für dich besteht.“, sagte er.

„Ja, vielleicht hast du Recht aber ich mag das trotzdem nicht. Generell bei sozialen Netzwerken. Da weiß man eigentlich nie wer am anderen Ende der Leitung sitzt. Am Ende heule ich mich bei einem Pedo-Bär aus, nein danke!“

„Schon gut. Aber viele andere Möglichkeiten fallen mir leider nicht ein.“

Ich dachte nach. Mir fiel auch nichts ein.

„Außer…“, sagte Jason und sah mich belustigt an „Du würdest dich trauen in die Szene zu gehen und dort selber Leute kennen lernen. Oder in eine Schwulenbar.“

„Als Ungeouteter und alleine? Keine Chance! Da ist die Gefahr, dass mich wer sehen könnte viel zu groß. Außerdem bin ich da nicht gerne alleine. Ich kenn da doch keinen und hab keinen Schimmer wie die ticken.“, sagte ich resigniert.

„Dann bin ich mit meinem Latein am Ende.“

„Schon ok, du hast sowieso schon so viel für mich getan.“, sagte ich und umarmte ihn. „Danke, dass du für mich da bist.“

„Klar doch, wir sind doch Brüder, schon vergessen?“, sagte er und klopfte mir auf die Schulter. „Da lässt man sich doch nicht hängen.“

„Natürlich nicht, Blutsbruder.“, sagte ich grinsend und fuhr über die Narbe.

„Da haben wir ziemlich große Scheiße gebaut, weißt du noch?“, fragte er.

„Klar. Clara hat deswegen immer noch Gewissensbisse.“, sagte ich. „Gerade gestern habe ich sie damit geärgert. Zur Strafe hat sie mich mit Toast beworfen.“

„Deine Cousine ist einsame Spitze.“, sagte Jason grinsend. „Aber das war sie schon immer.“

Bevor ich ihm Recht geben und ihm die nervigen Seite meiner hinreißenden Cousine erläutern konnte, wurde die Tür geöffnet. Jasons Mom lugte herein.

„Stör’ ich euch?“, fragte Elizabeth.

„Nein, nein schon ok Mrs. Bo… ich meine Elizabeth.“

Elizabeth Bolt lächelte als ich sie beim Vornamen nannte, dann wechselte ihr Gesicht den Ausdruck.

„Alles ok mit dir, Brandon?“, fragte sie besorgt. „Du siehst noch etwas kränklich aus.“

„Ach, das ist nichts. Mir geht es gut.“, sagte ich beschwichtigend aber sie wirkte nicht wirklich überzeugt.

„Wie du meinst. Möchtest du zum Abendessen bleiben? Ich hab euch Brote hergerichtet.“

Ich wusste, dass es unhöflich wäre das jetzt abzulehnen, also blieb ich noch etwas. Danach ging ich aber sofort. Ich verabschiedete mich von Jason, dem sein kleiner Bruder Ollie schon am Fuß hang und bettelte, er solle ihm weiter den Zauberer von Oz vorlesen. Jason drückte mich nochmal kurz. Es gab mir Kraft und ich war erleichtert, dass er nicht Angst davor hatte mich zu berühren. Ich hatte schon mitgekriegt, dass Leute weggezuckt sind nur weil sie Connor oder Liam gestreift hatten, als ob das eine Ansteckende Krankheit wäre. Ich ging mit leichterem Gefühl nach Hause. Es war schön zu wissen, dass es tatsächlich Leute gab die mich so mochten, wie ich im tiefsten Inneren war.

Später am Abend lag ich auf meinem Bett und überlegte. Ich wollte eigentlich schon mit jemanden reden, der selbst schwul ist um mir aus meiner Unsicherheit zu helfen. Liam wollte ich es auf keinem Fall auf die Nase binden. Noch nicht. Ich war schon am Überlegen ob ich es riskieren konnte mit Connor darüber zu reden als ich eine Nachricht bekam. Sie war von Jason.

Hey man, das mit dir hat mir keine Ruhe gelassen und da hab ich mich nach Ollies Gute-Nacht Geschichte nochmal im Internet schlau gemacht und hab da etwas gefunden. Das ist perfekt und gefällt dir garantiert :wink:

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Jason´s Arsch ist also eine 10 von 10 hm … ^^

Du hast es mit diesem Kapitel geschafft, mir Jason näher zu bringen. Ich hatte ja bisher so meine Probleme mit ihm bzw war er mir als Charakter zu blass. Jetzt haben wir aber so viel über ihn erfahren … und nicht nur das von seinem Arsch :smiley: …, dass er mir gleicht viel sympathischer und interessanter vorkommt.

Es ist auf jeden Fall gut so einen guten Freund an seiner Seite zu haben. Ist Balsam für die Seele und ich hoffe Brandon schöpft dadurch wieder mehr Kraft und Selbstvertrauen. In den ersten Kapiteln war er ja auch noch deutlich selbstbewusster, bevor er in diese ‚Krise‘ stürzte.

Lg Skystar

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