Ehemann

7

Die Frage

“Wir kommen zu spät zu den Wasserspielen!”, rief Mark und sprang von der Bank auf, auf der er auf uns gewartet hatte, als wir ihm entgegenkamen. Die Wasserspiele fanden neben an in Planten un Blomen statt. Wir waren wirklich spät dran und hatten zudem auch noch keinen blassen Schimmer, wo die Wasserspiele in diesem weitläufigen Park stattfinden sollten. Als wir den Ort endlich gefunden hatten, waren sie bereits im vollen Gange.

Mark eilte sofort durch die Menge nach vorne ans Wasser; Colin und ich blieben zurück, von wo wir ohnehin genug sehen konnten. Auch die Musik, die dazu abgespielt wurde, war hier hinten gut zu hören. Vorne standen die Zuschauer zudem alle sehr eng gedrängt.

Eine Weile schwiegen wir. Dann fing Colin an, zu erzählen.

“Ich hab früher mit meiner Schwester immer ‘Barbie und der Nussknacker’ geschaut.”

“Wegen deiner Schwester?”, fragte ich, da ich mir nicht sicher war, ob er es aus Eigeninteresse angesehen hatte.
“Nee. Ich fand das damals toll. Heile Welt und so. Weißt du?”
Ich lernte immer neue Seiten meines Ehemanns kennen. Viele Schwule hatten ihre Erlebnisse oder Werke, die für sie ein wichtiger Halt und Vorbild gewesen waren. Das war also seine Geschichte.

Der Abend war noch nicht vorbei: Den Abschluss bildete ein Feuerwerk auf dem Dom. Wenig später waren wir wieder drüben auf dem Heiligengeistfeld; Mark wieder etwas abseits - diesmal weil er Feuerwerk liebte und währenddessen alles andere vergaß.

Colin und ich standen beisammen und starrten hoch in den Himmel. Nach einiger Zeit hatte ich das Gefühl, eine Frage stellen zu müssen, die unsere Verbundenheit als Ehepartner vertiefen könnte.

“Du willst mal Kinder, richtig?” Das hatte er mir mal erzählt; die Frage war eher rhetorisch gemeint. Er hatte seinen Bruder sehr gern und konnte sich auch vorstellen, eigene Kinder zu haben. “Lieber ein Junge oder ein Mädchen?”, fragte ich.
“Ist mir völlig egal. Kinder sind toll. Aber welche zu adoptieren, wird schwierig.”
Ich konnte mir absolut nicht vorstellen, Kinder zu haben. Andererseits verspürte ich den Wunsch, ihm diesen Traum möglich zu machen. Ich stellte mir vor, wie es wäre, mit meinem Ehemann zusammenzuleben.
Ich ließ einige Augenblicke verstreichen, dann unterbreitete ich ihm einen Vorschlag. Seine Reaktion konnte ich absolut nicht einschätzen, hatte aber den Eindruck, dass er mich auch sympathisch fand.
“Was hältst du davon, Silvester zu mir zu Besuch zu kommen? Gerne auch ohne Mark.”
Ich konnte es kaum erwarten, zu wissen, was er darüber dachte.
“Gerne. Aber ist das nicht unfair Mark gegenüber?”
“Mit dem hab ich mich doch auch schon ohne dich getroffen. Außerdem kann er meinetwegen das Silvester darauf kommen.”
“Okay, ja, das wäre toll!”
Ich war unglaublich erleichtert.
Es war, als wenn wir jetzt eine Art Geheimnis teilten.

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Heyyyy Zuri,

ein weiteres schönes Kapitel :slight_smile:

Das mit dem Feuerwerk klingt echt sehr romantisch :slight_smile:

Die Szene mit den Kindern finde ich irgendwie richtig süß :slight_smile:

Es ist richtig toll, dass Colin zugestimmt hat und dich Silvester besuchen kommt ohne Mark :slight_smile:

Ich bin gespannt, was im nächsten Kapitel weiter geht :slight_smile:

LG Knutschkugel

Heyyyyy Knutschkugel,

freut mich, dass du noch mit von der Partie bist :wink:

Findest du Samuels Einstellung dazu nicht zu ambivalent?

LG Zuri

Hey Zuri,

oha, ich habe wohl einiges aufzuholen. :face_with_hand_over_mouth: Nicht nur gibt es drei neue Kapitel, sondern die Ehe ist wohl auch in eine neue Phase eingetreten.

Das klingt ja furchtbar anstrengend und kompliziert. o.O

Das auch, aber es scheint ja am Ende funktioniert zu haben. :+1: Ach Mark…

Dass Menschen beim ersten realen Treffen anders sind, als man sie sich vorgestellt hatte, kommt mir bekannt vor. Ich glaube, die Vorstellung, die ich durch Nachrichten, Telefonate usw. bekomme, setzt sich bei mir nur sehr langsam zu einem realistischen Bild von einem echten Menschen zusammen. Aber schön, wenn Sammi Colin anscheinend gut einschätzen konnte.

Bei dem Dilemma mit der Flasche scheint Erzähler-Zuri (oder Erzähler-Sammi?) ja ziemlich streng mit Ehemann-Sammi zu sein. Ich finde die Überlegung nicht lächerlich, auch wenn es bestimmt in Ordnung gewesen wäre, mehr als nur einen Schluck zu trinken. Aber vielleicht eben nur „in Ordnung“ und wegen der guten Stimmung in der Situation kein Fehler, aber nicht das, was Colin gewollt hatte. Ich kann mir die Situation ziemlich gut vorstellen und ich vermute, ich hätte versucht, Colin die Flasche zurückzugeben. (Dabei kann man ja genauso ambivalent sein: Will ich ihm nur etwas anbieten, oder ihm pflichtschuldig das Getränk zurückgeben? Und dann ist er wieder am Zug und muss darauf reagieren.) Vielleicht zeigt das aber auch nur, dass ich bei so etwas genauso unsicher bin. :sweat_smile:

Was ich hingegen eher weniger von mir kenne, ist die romantische Ader, die bei den beiden im Laufe der drei Tage zum Vorschein kommt. Ich werde eher ein bisschen überdreht, wenn ich lange mit denselben Personen unterwegs bin, aber hier passiert ja viel mehr: erst Sammis Träumerei von der geteilten Pizza, dann Colins „Überfall“ auf Sammi, der geteilte Sonnenuntergang, Colins ungefragte Beichte und am Ende Sammis Frage nach den Kindern. (Da stimme ich übrigens @anon13107007 zu, ich finde es auch sehr süß, welche Gedanken er sich darüber macht.)

Was soll ich sagen? Norddeutschland ist schon verwirrend, kein Vorwurf an Mark! :grin:

Und: Jaaa, Silvester mit den Eheleuten! :star_struck:

Danke für die drei schönen Kapitel und sorry für den versehentlichen Doppelpost!

LG agripost

Die WG ja, keinen Benachtungsbesuch haben zu dürfen, brachte mir persönlich ja keinen Mehraufwand :sweat_smile:

Aber ja, die beiden wiederum hatten Mehraufwand.

Hast du „Sammi“ bewusst mit zwei M geschrieben? :stuck_out_tongue:

Verwirre ich dich? :joy: :smiling_imp:

Dann hätte er aber vielleicht gedacht, dass Sammi das Geschenk nicht will – ach, ist das alles kompliziert :sweat_smile:

Wem sagst du das? Sammi kann sich darauf auch keinen Reim machen :joy:

Die Szene ist übrigens Inspiration für eine ähnliche Szene in „Als ob!“ (einer anderen Geschichte von mir, die ich mal auf Boypoint gepostet hatte) gewesen

Das kann ich nur so an Restdeutschland zurückgeben :wink:


8

Der Kuss

Als wir so des Abends durch die Stadt schlenderten, begann Mark Colin in Spaßhandgreiflichkeiten zu verwickeln. Ich ging schließlich dazwischen, indem ich Mark immer wieder in die Seite piekste, was zu einem Vorteil für Colin führte. Mark würde später anmerken, ich habe den ganzen Abend schon auffallend Partei für Colin ergriffen und ihn beschützen wollen, was mir selbst gar nicht so bewusst gewesen war. Für Mark war es ein Zeichen, dass er mit dem Verkuppeln auf einem guten Weg war und nur dranbleiben müsse.

Wie auch die Tage zuvor schrieben Colin und ich morgens miteinander, um abzuklären, wann und wo wir uns diesmal treffen wollten. Colin informierte mich, dass Mark sich bereits im Bad befand und wir vor einer halben Stunde nicht mit ihm zu rechnen brauchten. Darüber hinaus, setzte Colin das Briefing fort, habe Mark schon Pläne für den heutigen Tag. Und die gefielen Colin nicht. Ich fragte ihn, was Mark vorhabe.
“Shoppen gehen”, antwortete Colin.
Wir waren schon am ersten Tag mit Mark bei Wormland gewesen. Dort hatten Colin und ich uns hauptsächlich unterhalten, während Mark stöbernd durch die Gänge huschte. Am Ende hatte Mark eine dunkelgraue, leicht rötliche Hose gefunden, war aber selbst nach dem Anprobieren nicht sicher, ob sie ihm gefiel. Wir versicherten ihm, dass sie ihm stehe, aber er erwiderte nur, dass wir keine Ahnung hätten. Stattdessen schickte er Leander ein Bild von sich in der Hose und fragte diesen nach seiner Meinung. Leander sagte ihm dasselbe wie wir und so entschied sich Mark, die Hose zu kaufen.

Colin wollte das nicht schon wieder durchmachen müssen und ich konnte ihn verstehen. Mark wäre auch ohne uns nicht allein dort, da er einen der beiden Vermieter ihrer Unterkunft überredet hatte, mitzukommen und so schlug ich Colin folgendes vor: “Dann lass uns doch einfach was zu zweit machen.”
Colin kam sich unwohl bei dem Gedanken vor, Mark zu sagen, dass er nicht mitkomme. Ich erwiderte, dass er einfach sagen solle, dass ich es vorgeschlagen habe und er nicht ‘Nein’ sagen konnte. Daraufhin erkundigte ich mich, was er Lust habe, stattdessen zu unternehmen.
“Gute Frage. Irgendwas bei dem ich nicht meinen gesamten Monatslohn ausgebe”, war seine Antwort.
“Okay, dann anders gefragt:”, versuchte ich es. “Wie stellst du dir denn einen markfreien Tag mit deinem Ehemann vor?”
“Keine Ahnung.”
“Wenn du magst, können wir das auch mal anders machen: Du kannst zu mir kommen, wenn du möchtest und dann sehen wir weiter.”
Colin stimmte dem Vorschlag zu und ich beschrieb ihm, wie er mit ÖPNV zu mir kam.

Ich holte ihn eine knappe halbe Stunde später an der Bushaltestelle ab und wir liefen die paar hundert Meter zu mir nach Hause. Da ich nur über eine Sitzgelegenheit außer dem Bett verfügte, setzten wir uns beide aufs Bett und ich reichte meinem Ehemann einen Moment später eine Tasse Tee.

Kennt ihr den Moment, wenn der Kopf die aktuelle Situation auf absurde Weise in einem Was-wäre-wenn-Szenario weiterspinnt, an dem man nicht das geringste Interesse hat? Als ich so neben Colin saß, kam mir aus dem Nichts der Gedanke, wie es wohl wäre, ihn zu küssen. Ich weiß bis heute nicht, wie der Gedanke damals in meinen Kopf kam. Sicher ist, dass ich nicht vorhatte, ihn zu küssen. Es war schlichtweg kein Interesse an einem Kuss oder überhaupt einer solchen Situation mit Colin da. Also verwarf ich den Gedanken schnell wieder. Wir unterhielten uns und nebenbei kochte ich CousCous für uns beide – sonst waren wir mit Mark immer essen gegangen.

“Voll schön”, meinte Colin irgendwann."
“Hmmm?”
“Ich hab heute mit dir viel mehr von Hamburg gesehen, als die ganzen Tage zuvor und heute war der erste Tag, an dem es nicht so stressig und durchstrukturiert war.”

Als wir gerade beim Essen waren, schrieb Mark uns, warum wir denn so lange brauchen würden und er bereits auf uns warte. Das riss Colin sofort aus der entspannten Atmosphäre. Wir antworteten, dass wir gerade aßen, beeilten uns aufzuessen und machten uns auf den Weg in die Innenstadt, wo Mark uns schon erwartete und mit verschwörerisch-wissendem Blick fragte: “Und? Was habt ihr da so lange getrieben? Alleine?”

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Ja, wundert dich das?

Nur ein wenig. :sweat_smile:

Die Kapitelüberschrift ist wirklich fies. :grin: Dafür, dass Mark diesmal mit seinem Vermieter shoppen geht, ist er ja in dem Kapitel schon ziemlich präsent.

Joa, stimmt, man kann es auch einfach mal mit Gewalt versuchen. :face_with_hand_over_mouth:

So ein ruhiger Tag zwischendurch ist bestimmt angenehm, gerade wenn man weder Lust hat, viel Geld auszugeben, noch sich von Mark durch die Kaufhäuser hetzen zu lassen. Und wenn Colin wirklich meint, dadurch mehr von Hamburg gesehen zu haben, dann hat Sammi wohl eine Begabung darin, Ortsfremden das alltägliche Leben in Hamburg näherzubringen. :sweat_smile:

Nun ja, der Nicht-Kuss. Eigentlich ist ja fast nichts passiert und solche Gedanken finde ich persönlich auch nicht ungewöhnlich. Wenn die Geschichte ein Schmonzettenfilm wäre, dann hätten sich Sammi und Colin mit Sicherheit in genau dieser Situation zum ersten Mal geküsst, und das ist Sammi
aufgefallen. Trotzdem frage ich mich, ob er Colin wirklich nicht küssen wollte oder sich nur noch nicht an den Gedanken gewöhnt hatte. Vielleicht ist das auch gar nicht so klar zu beantworten. :thinking:

Wenn einer der beiden gut lügen kann, dann wäre das jetzt die Gelegenheit, Mark ein bisschen zu reizen und ihn noch neugieriger zu machen, als er ohnehin schon ist.

LG agripost

Ich dachte nicht, dass du Sami so auf die Füße treten willst.

Dir fällt jetzt erst auf, dass ich fies bin? :stuck_out_tongue:

Warte, Gewalt ist doch eine Lösung? Ich dachte, das war Alkohol :thinking:

Stimmt, auch wenn sich Mark wirklich besser mit Mode auskennt als Sami.

Vom Zeitpunkt, den Sami Colin kennt bis heute, gab es nie einen Moment, in dem Sami Lust gehabt hätte, Colin oder irgendjemanden sonst zu küssen :wink:

Definitiv eine gute Gelegenheit, aber dafür war Sami damals die Angelegenheit zu unangenehm :sweat_smile:

LG Zuri

Ich dachte, alle außer Mark nennen ihn Sammi. :thinking: Aber wenn ihm das lieber ist, lasse ich das zweite M weg.

Ok, das ist natürlich praktisch, wenn du zusätzliches Insiderwissen über Sami hast. :stuck_out_tongue:

Ach, verdammt :man_facepalming:

Ich glaube, ich habe gerade erfolgreich mich selbst verwirrt :sweat_smile:

Ja, wir sehen uns vergleichsweise häufig und reden dann manchmal auch :wink:

9

Landungsbrücken

Wir beschlossen, wie von Mark bereits vor der Reise geplant, zu den Landungsbrücken zu laufen. Dort standen wir dann und schauten auf die Elbe: links Mark, ich in der Mitte und rechts von mir Colin. Genau genommen standen wir auf dem Plateau über der U-Bahn-Station Landungsbrücken und blickten auf die Elbe und die Gebäude der Landungsbrücken mit ihren grünen Dächern; über uns der Weinberg.

Ich hatte meine Hand auf die Brüstung gestützt; Colin ebenso. Und unsere Hände lagen nur ein paar Zentimeter voneinander entfernt. Irgendwie hatte ich in dem Moment das Bedürfnis, seine Hand zu berühren. Gleichzeitig wollte ich verhindern, dass Mark mitbekam, was gerade passierte. Wie sollte ich erklären, was ich selbst nicht verstand? Ich näherte mich mit meiner Hand einen klitzekleinen Millimeter der Hand von Colin. Es war wie … jemand beschrieb es mal als “charge of energy”, wie Magneten, die sich gegenseitig anzogen – elektrisierend. Und dennoch musste ich mich für jeden Millimeter überwinden. Einerseits hatte ich Angst, dass Mark etwas mitbekam, zum anderen war das mit Colin ein völlig neues Gefühl, von dem ich weder wusste, was es war, noch wohin das führen würde.

Hatte sich gerade Colins Hand auf meine zubewegt? Oder hatte ich mir das nur eingebildet? Es gab schon andere Situationen, in denen ich dachte, jemand in der Bahn oder so habe Interesse an mir. Aber das war anders. Das hier, das war irgendwie echt und ich stellte fest, dass es mir wichtig war. Ich entschied, dass sich Colins Hand wirklich der meinen genähert hatte.

Langsam setzen unsere Hände den Weg aufeinander zu fort. Ich vergewisserte mich nochmals, dass Mark von alldem nichts mitbekam. Dann endlich lagen unsere Hände direkt nebeneinander. Die Außenseiten der äußeren Finger berührten sich nun und ich spürte das “charge of energy”-Gefühl jetzt ganz deutlich. Ich wollte meine Hand auf seine legen, doch es gelang mir nicht.

So verweilten wir nun dort oben und genossen den Moment. Ich hoffte zumindest, dass Colin das auch tat.

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Sehr süß :face_with_hand_over_mouth: Aber eines frage ich mich ja: Ich habe gelernt, dass Energie nicht erzeugt werden kann. Woher hat Sami also die Energie genommen, mit der er „beladen“ wurde? Hoffentlich nicht von Colin? Aber was bliebe sonst übrig? Die Brüstung? Dunkle Energie?

Ich glaube, das sollte man nicht zu technisch sehen. Energie kann auch aus Kohlenhydraten gewonnen werden :wink:

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10

Nur eine Sommerromanze?

Fest eingeplant war auch, dass die beiden Hardstylefans Mark und Colin, wo sie schon einmal in Hamburg waren, ein Hardstyleevent im Tunnel – einem Club auf der Reeperbahn – besuchten. Ich – absolut kein Liebhaber der Musikrichtung – brachte die beiden bis zur Tür und verabschiedete mich von ihnen.
“Ist es wirklich okay? Was machst du denn dann?”, fragte mich Mark.
“Kein Problem. Ich fahr nach Hause. Ich wünsch euch viel Spaß. Ihr müsst das machen, wenn ihr schon mal hier seid”, erwiderte ich.
Mir fiel es extrem schwer, diese Worte auszusprechen, denn irgendwie hatte ich das Gefühl, dass wir heute noch zu wenig zu dritt unternommen hatten. Ich wollte unbedingt etwas mit den beiden zusammen machen. Im selben Moment wusste ich aber auch, dass das kindisch und nicht fair von mir war.
“Okay, aber wir bringen dich noch zur S-Bahn”, war Colins Kompromissvorschlag.
Ich stimmte zu und wir überquerten den Beatlesplatz, auch wenn ich es albern fand, weil man aus seiner Stimme heraushörte, dass er Sorge hatte, mir könnte etwas passieren. Klar, war die Reeperbahn nicht der sicherste Ort Hamburgs, aber jetzt auch nicht gefährlich. Mir war hier noch nie etwas passiert.

Wir standen also in der S-Bahn-Station und warteten auf die nächste Bahn. Und wir gaben ein bizarres, ja sogar irgendwie unheimliches Bild ab: Wir standen uns in einem Dreieck gegenüber, aber jeder schaute wie demonstrativ in eine andere Richtung. Ich wusste nicht, wieso und es machte mir Angst. Die Bahn kam und ich fuhr nach Hause.

Dort angekommen setzte ich mich noch etwas vor den Rechner. Wenig später hatte ich eine Nachricht von Colin.
“Bist du gut zu Hause angekommen?”
“Ja, danke. Aber lass dich nich von mir abhalten und hab Spaß. Was machst du gerade?”
“Ich sitz an der Seite. Mark ist tanzen.”
“Geh doch auch”, ermunterte ich ihn.
“Nö, ich bin irgendwie nicht in der Stimmung.”
Jetzt war ich es, der sich Sorgen machte.
“Was ist denn los?”, fragte ich ihn.
“Ich muss die ganze Zeit nur an dich denken.”

Seine Antwort traf mich wie ein Schlag. Hatte ich eben richtig gelesen? Bedeutete das …? Stand er etwa auf mich? Konnte ich damit umgehen? Bisher hatte ich alle Verehrer gefriendzoned.
“Als wir da vorm Tunnel standen, da wollte ich dich nicht gehen lassen”, offenbarte er mir.
“Ich wollte auch nicht gehen”, verriet ich und erklärte ihm, wie es mir in dem Moment vor dem Club gegangen war.
“Als wir dann in der S-Bahn-Station gestanden und gewartet haben”, lenkte ich das Gespräch schließlich auf die mir unangenehm gewesene Situation.
“Ja, ich konnte euch nicht in die Augen sehen. Das war so unfair: Mark hatte Spaß und wir nicht. Ich wollte es beiden recht machen und habe es letztendlich keinem recht gemacht.”
“Und an den Landungsbrücken?”, fragte ich ihn dann.
Jetzt wollte ich alle Momente durchgehen, um zu wissen, wann das angefangen hatte.
“Das war schön, fast schon romantisch.”
“Fand ich auch”, stimmte ich ihm zu – erleichtert, dass nicht nur ich so empfunden hatte.
“Warum hast du mich auf dem Dom eigentlich nach meinem Kinderwunsch gefragt?”, wollte er nun wissen.
“Du hast mir immer erzählt, dass du unbedingt eine Familie haben willst”, fing ich an. “Vielleicht mit einem Hotel an der Ostsee. Nur kam ich darin nie vor.”
“Dass du dir das gemerkt hast!”, bemerkte er erstaunt. “Ich fand auch deine Einladung total süß, Silvester in Hamburg – tolle Vorstellung.”
Und dann beschloss ich, ihm noch von meinem Kussszenario zu berichten.
“Weißt du noch, als du bei mir zu Hause warst?”
“Sicher.”
“Du warst so interessiert, wo ich wohne.”
“Und ich hatte das Gefühl, dass du meine Hand nehmen wolltest oder so.”
“Das nicht.” Ich erzählte ihm von meinem Gedankengang und auch, dass es nur eine fixe Idee gewesen war, da ich kein Interesse daran hatte.
“Ich hätte es wahrscheinlich erwidert und gut gefunden”, eröffnete er mir.
“Als wir uns kennenlernten”, sagte er dann, “sagtest du, dass du keine Beziehung willst.”
“Nein, so habe ich das nicht gesagt”, korrigierte ich ihn. “Ich sagte, dass ich mir keine vorstellen könne.”
“Irgendwas scheint sich geändert zu haben. Du wirkst so, als stehest du auf jemanden.”
“Ich kann es mir jetzt mit dir vorstellen, aber du bist auch der Einzige, mit dem ich das könnte. Was ist mit dir? Du sagtest ja, dass du Beziehungen als negativ betrachtest.”
“Ich habe eher Angst, dass ich etwas falsch mache und dann die Beziehung zerbricht. Und wenn man dann vorher so befreundet war, wie wir, dann zerbricht die Freundschaft wahrscheinlich mit und das will ich absolut nicht.”

Und dann stellte er im Licht des anbrechenden letzten Tages die alles entscheidende Frage: “Bin ich für dich nur eine Sommerromanze?”

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Soso, auf dem Weg zwischen S-Bahn und Hardstyleevent überquert man also den Beatlesplatz. Hamburg ist doch wild. :sweat_smile:

Nach der unübersehbar unangenehmen Situation am Bahnhof sprechen sich Sammi und Colin also aus, und das Gespräch wirkt zumindest für mich sehr ehrlich. Sowohl Colin

als auch Sammi

sagen bzw. schreiben etwas, das sicherlich viel Überwindung gekostet hat. (Besonders Sammis Aussage finde ich auch an dieser Stelle wirklich überraschend. :exploding_head:) Also vorstellen können sie sich die Beziehung demnach beide, aber sie haben unterschiedliche Befürchtungen und eventuell auch unterschiedliche Vorstellungen von der Beziehung. Und, wie Sammi ja mit der richtigen Portion Spitzfindigkeit :upside_down_face: festgestellt hat, ist eine Vorstellung nicht dasselbe wie ein Wunsch. Also ich bin ja absolut kein Experte, aber das hört sich nicht danach an, als wären jetzt alle Unklarheiten beseitigt. :thinking: Trotzdem auf jeden Fall gut, dass all das gesagt wurde.

Daran ist ja nichts verkehrt, aber irgendwie liest sich dieser Satz wie ein schweres Geständnis. :joy: :face_with_hand_over_mouth:

Das sagt er doch aus Höflichkeit bzw. Verlegenheit, oder? Wenn es diesen Jemand gibt, dann wüssten doch wohl alle Beteiligten, dass es sich um Colin handeln würde und nicht um Leander, Justin Bieber oder den Airbnb-Vermieter… Oder sollte Colin in dieser Situation wirklich Zweifel gehabt haben, wer in Sammis Kopf herumspukt?

Ich bin natürlich gespannt, was Sammi auf die Frage nach der Sommerromanze antwortet, aber bisher schien es ja eher so, als würde er sich das genaue Gegenteil wünschen. Eine Art Nicht-Romanze „bis dass der Tod sie scheide“. :thinking:

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wieso?

inwiefern?

gut erkannt :+1:

Sagen wir mal so: Die Geschichte ist noch nicht zu Ende :wink:

Warum das? :joy:

Ja, von außen ist die Sache sonnenklar – keine Frage

Ich glaube, die Frage ist weniger wer, sondern ob.

Tja, dafür gibt es ja Cliffhanger :stuck_out_tongue:

11

Der letzte Tag

Der offizielle Titel war ja eigentlich “Demo” und war das letzte Stück, welches noch schnell auf Herbert Grönemeyers Album kam. Aber darüber wollte ich ja gar nicht reden.

Es war der letzte Tag für Mark und Colin in Hamburg und ein ganz besonderer für Colin und mich. Wir sahen gerade den Tag über Hamburg anbrechen und hatten bisher kein bisschen geschlafen. Mark und Colin wollten an ihrem letzten Tag den Fischmarkt ansehen und dafür mussten wir früh aufstehen – zumindest, wenn man wie Mark geschlafen hatte.

Colin hatte mir gerade die Frage gestellt, ob ich nur eine Sommerromanze für ihn sei.
“Nein, absolut nicht!”, beteuerte ich. “Ich weiß, dass ich irgendwas für dich empfinde. Irgendwas zwischen Freundschaft und Liebe, ob das so bleibt, kann ich nicht versprechen.”
Colin wollte daraufhin wissen: “Und wie finden wir das raus?”
“Wir haben noch einen ganzen Tag”, erklärte ich “und unser Treffen an Silvester. Ohne Mark. Das wird sich alles zeigen.”

“Mark ist übrigens gerade aus dem Bad raus”, informierte mich Colin.

Also machte ich mit auf den Weg zu den Landungsbrücken und erlebte erstmals – alles andere als wach – die Sorte Menschen, die morgens um sechs U-Bahn fährt. Ich selbst war auch noch nie auf dem Fischmarkt gewesen. Unter anderen Umständen hätte ich einen Teufel getan und wäre so früh aufgestanden, um da alleine hinzugehen. Manche Sehenswürdigkeiten in der eigenen Stadt besichtigt man eben nur, wenn man Besuch hat.

Wieder saßen wir an der Alster. Die Stadt war noch nicht vollends erwacht. Warm wie die letzten beiden Tage war es nicht – und es war kein Tag wie die letzten Tage: Es war der letzte Tag.
Aber er hatte gerade erst begonnen.

Es war der letzte Tag und irgendwie auch der erste.

Und was passieren würde, war noch völlig offen. Colin und ich waren entschlossen, ihn zu nutzen. Ich war voller Vorfreude.
Mark legte seinen Kopf auf meinen Schoss. Das hatte er damals bei Leander auch schon getan. Damals hatte er gesagt, dass er sich geborgen fühle und war so eingeschlafen.
Nun aber hatte ich das Gefühl, dass Colin dies an Mark missfiel und um Colin zu gefallen – heute weiß ich, dass das unglaublich dumm und unfair gegenüber Mark war –, begann ich, mit den Füßen vor und zurück auf Zehenspitzen und Hacken zu wippen, sodass sich meine Knie abwechselnd hoben und senkten, um das Liegen darauf nicht zu bequem zu machen.
Irgendwann fing es zu tröpfeln an und Mark war – natürlich – der erste, der sich unter einen Unterstand zurückzog. Colin und ich harrten aus, genossen die Zweisamkeit. Als der Regen aber stärker wurde und wir langsam durchnässt waren, beschlossen wir, in die Europapassage, einem Einkaufszentrum am Jungfernstieg, also auf der anderen Straßenseite von uns, zu flüchten. Wir alle drei hatten Hunger und beschlossen, eine Pizza zu essen. Während des Essens fielen mir allerdings immerwährend die Augen zu, woraufhin mich Colin, der mir gegenüber saß, mitleidig anschaute.

Nach dem Pizzaessen gingen wir in die Hafencity und setzten – eher legten wir uns, denn wir waren alle nicht wirklich ausgeschlafen – auf eine dieser riesigen Holzdinger, die eine Art Bankersatz darstellten und nicht wirklich gemütlich zum Liegen sind. Nur war das bei der Sonneneinstrahlung des Platzes keine gute Idee, denn wir alle schliefen kurz darauf ein.
Ich wachte zuerst auf, da mir vom Holz der Rücken wehtat.

Später saßen wir in der Bahn nach Altona, um dort im Lidl – denn es war Sonntag – noch ein bisschen was einkaufen.
“Sieht aus, als hättest du einen fetten Sonnenbrand”, bemerkte Colin und verzog sein Gesicht zu einer Miene mit aufrichtigem Mitleid.
Ich schaute in mein Antlitz in der Spiegelung des S-Bahn-Fensters und konnte nichts erkennen.
“Ich glaub nicht. Ist vielleicht nur ein bisschen rot.”
Am Abend stellte sich heraus, dass er recht gehabt hatte.

Zurück an der Alster hatten wir uns an der Ecke zum Gänsemarkt, wo sich auch das NIVEA-Haus befindet, ein Plätzchen gesucht.

“Du sagtest mal, dass du Leute nicht lange ansehen kannst”, meinte Colin. Ich bejahte.

“Das kann man ändern”, erklärte Colin.
Ich fragte nach dem Wie.
“Nicht wie”, erwiderte er. “Wer – nimm mich als Versuchsobjekt.”
Was soll ich sagen: Es funktionierte mit ein paar Versuchen zunehmend besser und am Ende konnte ich kaum genug davon bekommen, tief in diese Augen zu schauen. Es war, als wenn wir – erneut – etwas unglaublich intimes teilen, was in dem Moment nur uns beiden gehörte und das alles andere rundherum ausblendete.

Trotzdem durfte ich nicht vergessen, dass Mark neben uns saß und von alledem nichts mitbekommen durfte. Also zwang ich mich, auch wenn es mir schwerfiel, das Anstarren nicht länger als nötig andauern zu lassen und mich immer mal wieder für einen Moment loszureißen.

An Silvester würde das anders sein. Da würde es nur uns zwei geben. Darauf freute ich mich jetzt schon.

Auch die schönste Zeit geht vorbei und irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem man sich verabschieden und Menschen gehen lassen muss, auch wenn man nicht will.
Ich umarmte Mark kurz, aber herzlich und dann war Colin an der Reihe. Die Länge der Umarmung lasse ich meistens durch die andere Person bestimmen und Colins Arme, die mich fest an ihn drückten, schienen mich nie wieder loslassen zu wollen – mir war das nur recht so. Auf einmal bemerkte ich, wie Colins Finger Kreise auf meinen Rücken malten. Zunächst zaghaft, dann selbstbewusster. Erst dachte ich, ich bilde mir das nur ein, aber offenbar tat er das wirklich und so begannen auch meine Finger zärtlich Kreise auf die seinen Rücken bedeckende Jacke zu malen.

Was wir hatten, war und ist schwierig zu beschreiben. Wenn ich es damals in Worte fasste, war es immer “irgendwas zwischen Freundschaft und Liebe”. Es lässt sich aber auch mit zwei Adjektiven beschreiben: “Schön” und “unsicher”.
Schön, weil es mich mit Glück erfüllte, Zeit mit Colin zu verbringen und alles perfekt schien. Unsicher deshalb, weil wir, besonders ich, krampfhaft versuchten, dem Zustand “zwischen Freundschaft und Liebe” einen Namen zu geben und wie auf einer Skala dazwischen einzuordnen. Wir wollten nichts überstürzen und alles richtig machen, wir wollten uns absichern. Rückblickend stagnierten wir so lange, bis uns einfiel, wie wir unsere Beziehung nennen wollten.

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12

Irgendwas dazwischen

Auch die folgenden Tage und Wochen brachten uns der Entscheidung, ob es nun Freundschaft oder Liebe war, kein Stück näher. So intensiv wir auch darüber redeten, kamen wir in dieser Frage einfach nicht weiter.
Und dennoch genoss ich unsere Gespräche. Wir waren uns unserer Gefühle füreinander bewusst und es fühlte sich wie eine light-Version einer Beziehung an. Es war einfach schön, mit Colin zu schreiben und die Vorstellungen des anderen noch mehr und noch tiefer abzutasten. Vielleicht könnte das uns letztendlich sagen, in welche Richtung es mit uns gehen würde oder die Zeit würde es zeigen. Wir verschoben die Beantwortung der Frage immer weiter nach hinten und ohne diese würden wir auch keinen Schritt weitergehen – in welche Richtung auch immer. Wir redeten über den jeweils anderen, aber selten wirklich über uns .

Wir schrieben auch oftmals in der Mittagspause miteinander, als ich noch ein Handy hatte. Dabei machte ich nach unseren Gesprächen häufiger die Entdeckung, dass Präejakulat in der Boxershorts klebte. Damals wunderte mich das doch sehr, da ich Colin nicht sexuell erregend fand, mir das Präjakulat während des Gesprächs nicht aufgefallen war, ich nicht den Ansatz einer Erektion gehabt hatte und ich mich auch sonst an keine Situation erinnern konnte, in welcher derartiges so nebenbei passiert wäre.

Wahrscheinlich lag es am Hormon Oxytocin. Im weiblichen Körper erfüllt es vor allem Aufgaben, die mit den Wehen und später mit der Muttermilchbildung zu tun haben, aber auch die Bindung zum Kind herstellen. Aber genauso hat es positiven Einfluss auf Gefühle wie Liebe, Vertrauen und Ruhe und hohe Dosen des Hormons werden beim Orgasmus freigesetzt. Oxytocin wird auch als Kuschelhormon bezeichnet und tritt ebenso bei sinnlicher Berührung wie Massagen oder Umarmungen auf. Ebenso wird es neben anderen Hormonen beim Singen ausgeschüttet.
Was immer mein Körper da tat – und vor allem warum – in einem schienen er und ich uns einig zu sein: Ich hatte Colin gern.

Ich ließ mich auf das Bett des Hotelzimmers 404 im Bethoovenhotel fallen. Als Informatiker eine durchaus denkwürdige Situation. Das war mein erstes Mal in Amsterdam und auch in den Niederlanden allgemein. Im Ausland war ich davor auch noch nicht gewesen. Also gleich zwei Premieren auf einmal. Mein Blick schweifte umher. Es gab vier Betten in diesem Zimmer, aber ich war alleine hier; und die Badtür sah aus, als sei das Zimmer noch mitten in der Renovierung oder nie zur Benutzung durch Hotelgäste bestimmt gewesen. Ich war für eine Luftfahrtmesse mit meinen Kollegen hier. Es war mittlerweile September und damit das Treffen im August über einen Monat her.

Ich schnappte mir mein Tablet und schrieb Colin, dass ich gut angekommen und im Hotel war. Kurze Zeit später antwortete er.

“Ich hatte überlegt, ob ich auf halber Strecke einfach aussteige”, erklärte ich ihm.
“Warte sechs Stunden und ich bin bei dir”, war seine Antwort.

Nur wenige Momente später kam ein “Ich steh unter deinem Fenster. Soll ich was singen und du lässt mich rein?” von ihm.
Ich bejahte und antwortete, ich würde ihm einen Tee in die Hand drücken.
“Du bist der Beste!”, schrieb er mir.

Wir texteten ein wenig hin und her, dann stellte er mir eine Frage.
“Sag mal, mit dem Typen, was ich dir erzählt hatte …”
“Der aus der Jugendgruppe mit dem du zusammen bist?”
“Genau … Stört dich das eigentlich?”
“Nee, wieso? Wir sind ja nicht zusammen. Auch wenn man jetzt was anderes erwarten könnte, aber ich will, dass du glücklich bist.”

Aber irgendwas schien ihm noch schwer im Magen zu liegen. Ich fragte ihn, wo der Schuh drückte.
“Wer weiß, ob das mit ihm klappt”, druckste er herum. “Vielleicht ist er auch gar nicht mein Typ. Wer weiß …”
“Wieso? Wer wäre denn dein Typ?”, hakte ich nach.
“Irgendwie ist keiner mein Typ. Entweder total blöd, sind nur auf Sex aus …”

“Sagtest du nicht eben, ich sei der Beste?”, neckte ich ihn. “Dann müsste ich ja am ehesten deinen Maßstäben entsprechen und die anderen könnten die wenn überhaupt nur unvollständig erfüllen.”
"Ich finde ja wirklich keinen in deinen “Maßstäben”, erklärte er mir.
Irgendwie war das so schade. Wir empfanden schon etwas füreinander, aber stark genug war es auch nicht. Ich hatte manchmal das Bedürfnis, ihm zu geben, was er brauchte, aber wie sollte das gehen, wenn er sich damit binden würde und dann nur eine lauwarme Sache davon hätte? Da war er mit Hannes besser dran. Also sagte ich: “Na ja, aber du willst mich ja auch nicht … Oder doch?”
Colins Reaktion verunsicherte mich wieder und brachte uns auf unser Definitionsproblem zurück: “Ich habe aber auch nicht gesagt, dass ich dich nicht liebe.”
Ich war nicht sicher, wie ich darauf reagieren sollte.
“Es sind Gefühle da, die in die Richtung gehen, aber die sind längst nicht so intensiv wie sie sein könnten/sollten”, fuhr er fort.
Ich scherzte: “Als Ehemann bist du immer noch meine erste Wahl.”
“Ja, die kannst du sowieso nicht annullieren. Wenn Gefühle beiderseits da sind, ist es viel einfacher als irgendwas zu suchen. Außerdem bist du wirklich quasi mein Maßstab und der Maßstab ist nun mal am besten.”
Ich wusste nicht genau, was das für ihn – für uns – bedeutete. Also erkundigte ich mich: “Sprich, am liebsten wäre es dir, wir würden uns ineinander verlieben?”
“Klingt doof, aber ja”, war seine Antwort. “Du bist clever, selbstständig, der Heterotyp, nicht nur auf Sex aus und zu vielem offen … Du bist perfekt”, sagte er dann.
“Wieso das? Ich bin weit davon entfernt!”
Wie kam er darauf? Einerseits schmeichelten mir Komplimente natürlich. Andererseits waren sie mir aber auch unangenehm, weil ich sie meinem Gegenüber nicht glauben konnte.
“Dein Gesicht, deine Augen und dein Grinsen. Der Abstand deiner Schultern …”
Ich konnte leider nicht erwidern, dass er gut oder attraktiv aussah. Vom Aussehen war er nicht mein Typ. Aber seine inneren Werte waren mehr als überzeugend. Und hässlich war er jetzt ja nun auch nicht.
“So würde ich mir meinen Traumehemann vorstellen. Fast so”, schloss er.
Zum einen freute ich mich darüber – es war süß von ihm – zum anderen konnte ich es auch nicht erwidern und das fühlte sich unfair ihm gegenüber an. Jedenfalls war es besser als ihn anzulügen.

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Oh wei, was für ein Dilemma. :see_no_evil:

Meiner Erfahrung nach sind Fernbeziehungen häufig von den Problemen begleitet, dass man einfach nicht genügend Zeit miteinander verbringen kann, um eine langfristig funktionierende Beziehung zu führen… Ich brauche die Nähe zu einer anderen Person einfach, um zufrieden zu sein. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass Colin sich nach etwas in der Gegend gesehnt hat, auch wenn sein Traum- und Ehemann schon für ihn da war.

Ich bin sehr gespannt, wie diese Konversation letztendlich ausgehen wird und freue mich auf den nächsten Teil! :slight_smile:

LG Iroc

Glaubst du, das ist sein Problem?

LG Zuri

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Silvester

Die Zeit verstrich und wir waren einer Antwort auf die Frage, was wir nun wirklich füreinander empfinden immer noch kein Stück näher. Eine Sache allerdings war näher gerückt: Es war Ende November und das bedeutete für die beiden jungen Männer, die damals auf dem Dom unter Feuerwerk diese eine Unterhaltung geführt hatten, nur eines: Silvester war nicht mehr weit entfernt und das Treffen somit in greifbare Nähe gerückt. Doch eines trennte die beiden jungen Männer, die fast Hand in Hand an den Landungsbrücken gestanden hätten: Da ich immer noch keinen Übernachtungsbesuch haben durfte, musste ich Colin eine Unterkunft besorgen. Die, die Mark und er beim letzten Besuch über AirBnB gebucht hatten, war in unserem Fall nicht verfügbar, weil das Paar jedes Jahr zu Silvester selbst Gäste hatte. Also mussten wir eine andere Möglichkeit finden. Und wir waren bereits spät dran. Zudem gab es zu dieser Zeit in Hamburg zweifelsohne kein geringes Touristenaufkommen. Was das betraf, hatten wir uns einen denkbar schlechten Zeitpunkt ausgesucht. Jedoch waren wir fest entschlossen, das durchzuziehen – es hing einiges davon ab und zumindest ich wollte nicht noch ein Jahr verstreichen lassen, bis sich eine neue Möglichkeit ergab, unseren Gefühlen eine Definition zu geben und endgültig herauszufinden, in welche Richtung das letztendlich mit uns gehen würde.

Wir erkannten schließlich, dass wir mit der Suche nach einer Unterkunft innerhalb Hamburgs nicht weiterkamen und weiteten sie am Ende auf Bremen und Bremerhaven aus, da sie noch einigermaßen gut zu erreichen waren, sodass die Strecke, die man täglich zurücklegen musste akzeptabel war. Wir fanden sogar heraus, dass die Wohnungen bei AirBnB in der Alten Bürger in Bremerhaven, wenn auch von außen unscheinbar, von innen echt toll aussahen, sodass ich auch gerne dort eingezogen wäre.

Doch es kamen nur Absagen oder der Preis war einfach zu hoch und so mussten wir letztendlich einsehen, dass wir auch auf diesem Wege nicht weiterkamen. Es gab nur noch eine Möglichkeit und diese hatte ich bis zum Ende vermeiden wollen. Ich wollte sie nicht danach fragen und auch nicht dieses Gespräch mit ihr führen. Ich hatte nicht erklären wollen, was ich fühlte, weil ich mir immer noch nicht sicher war, wie ich das nennen sollte. Andererseits hätte ich für Colin in diesem Moment so ziemlich alle Hebel der Welt in Bewegung gesetzt, um ihn, um uns, das möglich zu machen. So erklärte ich ihm mit mehr Zuversicht als ich selbst hatte, dass ich sie fragen und alles schon glattgehen werde. Und mal ganz ehrlich: Welche Mutter würde ihrem Sohn schon eine Bitte, die aus einem Herzenswunsch herauskam, abschlagen? Ich hatte wohl einfach den Teufel an die Wand gemalt. Zudem war ich ohnehin nach Weihnachten im Dorf meiner Eltern und konnte einfach dort bleiben, während Colin nachkam.
Also erklärte ich meiner Mutter, dass es sich dabei um etwas zwischen Freundschaft und Liebe handelte, er mir aber definitiv verdammt wichtig und sie meine letzte Chance sei. Sie müsse sich um nichts kümmern und er sei sehr pflegeleicht.
“Kann Colin für ein paar Tage mit in meinem Zimmer wohnen, während ich bei euch bin? Ihr müsst euch um nichts kümmern. Ich weiß nicht, wie ich sonst mein Versprechen einlösen soll.”

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Uff, ich hätte nicht vermutet, dass es so schwierig ist um Silvester eine Unterkunft in Hamburg und umzu zu finden.

Meiner Mutter käme so eine Anfrage sicherlich nicht besonders gelegen, aber da tickt jede Mutter sicherlich anders. :slight_smile: Ich bin sehr gespannt, wie sie reagiert. :slight_smile:

Ein Kind kennt seine Eltern einfach am besten. Dieses Gefühl war vielleicht aufgrund vorhergegangener Erlebnisse nicht ganz unbegründet?