Ehemann

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Nur eine Sommerromanze?

Fest eingeplant war auch, dass die beiden Hardstylefans Mark und Colin, wo sie schon einmal in Hamburg waren, ein Hardstyleevent im Tunnel – einem Club auf der Reeperbahn – besuchten. Ich – absolut kein Liebhaber der Musikrichtung – brachte die beiden bis zur Tür und verabschiedete mich von ihnen.
“Ist es wirklich okay? Was machst du denn dann?”, fragte mich Mark.
“Kein Problem. Ich fahr nach Hause. Ich wünsch euch viel Spaß. Ihr müsst das machen, wenn ihr schon mal hier seid”, erwiderte ich.
Mir fiel es extrem schwer, diese Worte auszusprechen, denn irgendwie hatte ich das Gefühl, dass wir heute noch zu wenig zu dritt unternommen hatten. Ich wollte unbedingt etwas mit den beiden zusammen machen. Im selben Moment wusste ich aber auch, dass das kindisch und nicht fair von mir war.
“Okay, aber wir bringen dich noch zur S-Bahn”, war Colins Kompromissvorschlag.
Ich stimmte zu und wir überquerten den Beatlesplatz, auch wenn ich es albern fand, weil man aus seiner Stimme heraushörte, dass er Sorge hatte, mir könnte etwas passieren. Klar, war die Reeperbahn nicht der sicherste Ort Hamburgs, aber jetzt auch nicht gefährlich. Mir war hier noch nie etwas passiert.

Wir standen also in der S-Bahn-Station und warteten auf die nächste Bahn. Und wir gaben ein bizarres, ja sogar irgendwie unheimliches Bild ab: Wir standen uns in einem Dreieck gegenüber, aber jeder schaute wie demonstrativ in eine andere Richtung. Ich wusste nicht, wieso und es machte mir Angst. Die Bahn kam und ich fuhr nach Hause.

Dort angekommen setzte ich mich noch etwas vor den Rechner. Wenig später hatte ich eine Nachricht von Colin.
“Bist du gut zu Hause angekommen?”
“Ja, danke. Aber lass dich nich von mir abhalten und hab Spaß. Was machst du gerade?”
“Ich sitz an der Seite. Mark ist tanzen.”
“Geh doch auch”, ermunterte ich ihn.
“Nö, ich bin irgendwie nicht in der Stimmung.”
Jetzt war ich es, der sich Sorgen machte.
“Was ist denn los?”, fragte ich ihn.
“Ich muss die ganze Zeit nur an dich denken.”

Seine Antwort traf mich wie ein Schlag. Hatte ich eben richtig gelesen? Bedeutete das …? Stand er etwa auf mich? Konnte ich damit umgehen? Bisher hatte ich alle Verehrer gefriendzoned.
“Als wir da vorm Tunnel standen, da wollte ich dich nicht gehen lassen”, offenbarte er mir.
“Ich wollte auch nicht gehen”, verriet ich und erklärte ihm, wie es mir in dem Moment vor dem Club gegangen war.
“Als wir dann in der S-Bahn-Station gestanden und gewartet haben”, lenkte ich das Gespräch schließlich auf die mir unangenehm gewesene Situation.
“Ja, ich konnte euch nicht in die Augen sehen. Das war so unfair: Mark hatte Spaß und wir nicht. Ich wollte es beiden recht machen und habe es letztendlich keinem recht gemacht.”
“Und an den Landungsbrücken?”, fragte ich ihn dann.
Jetzt wollte ich alle Momente durchgehen, um zu wissen, wann das angefangen hatte.
“Das war schön, fast schon romantisch.”
“Fand ich auch”, stimmte ich ihm zu – erleichtert, dass nicht nur ich so empfunden hatte.
“Warum hast du mich auf dem Dom eigentlich nach meinem Kinderwunsch gefragt?”, wollte er nun wissen.
“Du hast mir immer erzählt, dass du unbedingt eine Familie haben willst”, fing ich an. “Vielleicht mit einem Hotel an der Ostsee. Nur kam ich darin nie vor.”
“Dass du dir das gemerkt hast!”, bemerkte er erstaunt. “Ich fand auch deine Einladung total süß, Silvester in Hamburg – tolle Vorstellung.”
Und dann beschloss ich, ihm noch von meinem Kussszenario zu berichten.
“Weißt du noch, als du bei mir zu Hause warst?”
“Sicher.”
“Du warst so interessiert, wo ich wohne.”
“Und ich hatte das Gefühl, dass du meine Hand nehmen wolltest oder so.”
“Das nicht.” Ich erzählte ihm von meinem Gedankengang und auch, dass es nur eine fixe Idee gewesen war, da ich kein Interesse daran hatte.
“Ich hätte es wahrscheinlich erwidert und gut gefunden”, eröffnete er mir.
“Als wir uns kennenlernten”, sagte er dann, “sagtest du, dass du keine Beziehung willst.”
“Nein, so habe ich das nicht gesagt”, korrigierte ich ihn. “Ich sagte, dass ich mir keine vorstellen könne.”
“Irgendwas scheint sich geändert zu haben. Du wirkst so, als stehest du auf jemanden.”
“Ich kann es mir jetzt mit dir vorstellen, aber du bist auch der Einzige, mit dem ich das könnte. Was ist mit dir? Du sagtest ja, dass du Beziehungen als negativ betrachtest.”
“Ich habe eher Angst, dass ich etwas falsch mache und dann die Beziehung zerbricht. Und wenn man dann vorher so befreundet war, wie wir, dann zerbricht die Freundschaft wahrscheinlich mit und das will ich absolut nicht.”

Und dann stellte er im Licht des anbrechenden letzten Tages die alles entscheidende Frage: “Bin ich für dich nur eine Sommerromanze?”

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