Ehemann

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Gemeinsamkeiten

Es war Freitagabend. Colin und ich hatten in den letzten Tagen jeden Abend miteinander geschrieben. Er hatte sich gerade für einen Moment entschuldigt und kam kurz darauf mit einer Schale Haferflocken zurück.
“Du isst auch Haferflocken?”, fragte ich. “Also kein gekauftes Müsli, sondern frisch und selbst gemacht. Darum nenne ich es Haferflocken und nicht Müsli. Um das zu unterscheiden.”
“Klar, ist doch voll lecker. Ja, viele nennen das Müsli. Mach ich aber auch nicht.”

Im weiteren Verlauf des Gesprächs erkundigte er sich auf einmal etwas besorgt: “Ich hoffe, ich halte dich nicht von irgendwas ab.”
Ich verneinte und fragte, wie er darauf komme.
“Es ist Freitagabend”, entgegnete er.
“Ja, und?”, erwiderte ich. Was soll da schon sein?"
“Okay, hab nur immer das Gefühl, dass ich bei irgendwas störe oder jemanden aufhalte”, erklärte er.
“Bei mir?”
“Nein, generell. Ist auch mehr eine Macke von mir. Du hast mir also nicht das Gefühl oder so gegeben.”
“Das kenne ich”, eröffnete ich ihm. “Ich hab auch das auch ständig. Na ja, ich muss jetzt aber nicht bei jeder Eigenschaft ‘Ich auch!’ schreien.”
“Ich denke halt manchmal, ich bin nervig”
“Da musst du dir bei mir keine Sorgen machen”, beruhigte ich ihn.
“Ich kann manchmal schon nervig sein”, erzählte er. “Einige Eigenschaften von mir wirken auf andere schon seltsam.”

Das typische Geräusch einer neuen Nachricht ertönte und mir fiel auf, dass wir uns ein paar Minuten lang angeschwiegen hatten. Es war ein YouTube-Link zu einem Musikvideo von ‘Wincent Weiss – Musik sein’. Ihn kannte ich zu dem Zeitpunkt nicht und auch seine Musik gefiel mir nach dem ersten Hören nicht besonders.

Mark hatte noch eine besondere Eigenschaft. Er weigerte sich, meinen Spitznamen so auszusprechen, wie alle anderen das taten. Anstatt mich Sammi zu nennen, nannte er mich Sami. Er meinte, dass ja auch in Samuel nur ein M vorkäme und dass die Kurzform dann auch nur aus einem bestehen dürfe. Ich führte daraufhin an, dass der Spitzname so an Sami Slimani erinnere und mir das nicht so lieb sei. Außerdem hatte mein Bruder angefangen mich so zu nennen und war demnach der Erfinder des Spitznamens, der diese Schreibweise und Aussprache bestimmt hatte. Aber Mark ignorierte mich geflissentlich und ich gab es irgendwann auf. Es gab ja auch noch einen Sami, der mit seiner Halbschwester Samira zusammen Musik machte und bei einer Castingshow im Fernsehen aufgetreten war. Das passte schon eher. Nicht im Musikalischen – da war ich eine Niete – aber die Sympathie war da schon etwas größer.

“Hey, Sami”
Wir skypten gerade. Aber anstatt wie sonst über Alltäglichkeiten oder das Forum wie sonst zu sprechen, kam Mark nach einem kurzen Wortwechsel auf das Thema zu sprechen, welches ihm offenbar eigentlich auf der Seele brannte.
“Und?”, fragte er.
“Was und?” Ich hatte keinen blassen Schimmer, worauf Mark überhaupt hinaus wollte – geschweige denn, was ihn daran so brennend interessierte. Zumal es in meinem Leben gerade wirklich nichts Spannendes zu berichten gab.
“Du und Colin?”
Ich wusste zwar immer noch nicht wirklich, was er meinte, also riet ich ins Blaue, einer vagen Vermutung folgend: “Ob wir zusammen sind? Nein, warum?”
“Wir arbeiten daran”, war die Antwort, die ich nun häufiger hören würde und was eine von Marks Catchphrases war.

Ich zog eine Augenbraue hoch, was Mark wahrscheinlich nicht sah, da wir zwar die Videoübertragung aktiviert hatten, aber nur gelegentlich das entsprechende Fenster öffneten und den Rest der Zeit etwas nebenbei machten.

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