Ehemann

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Friendcrush

Dennoch war Sympathie eigentlich nicht der Grund, überstürzt eine Ehe einzugehen. Nichtsdestotrotz hatte das Wort ‘Ehemann’ eine Bedeutung für mich: Freundschaft und eine Art Verbundenheit. Wir gingen schließlich dazu über, auch privat zu schreiben und zu skypen. Einmal – es war noch sehr am Anfang unserer Bekanntschaft und damit unserer Ehe – erzählte ich ihm von einem Treffen am vergangenen Wochenende mit zwei Freunden aus einer anderen Gruppe: Mark und Leander. Ich hatte ursprünglich gar nicht zusagen wollen, da ich zu dem Zeitpunkt ehrlich gesagt komplett pleite war, doch schließlich überredeten mich beide, dennoch zu kommen. Über die Finanzierung solle ich mir keine Gedanken machen – das bekämen wir schon hin.

“Dass Mark nachher sagt, dass ihm das Wochenende gefallen hat, so hab ihn eingeschätzt”, teilte ich Colin meine Gedanken mit, “aber bei Leander war ich überrascht. Er ist eher ruhiger und beherrschter als Mark und ich hätte gedacht, dass das für ihn nichts Besonderes sei.”
“Hat es dir denn gefallen?”
“Ja.”
“Das ist doch alles, was zählt. Dann freu dich doch darüber”, gab er mir den Rat.
“Es gab da noch zwei Sachen, die komisch waren”, fuhr ich fort. “Zum einen hielt ich mich bei Entscheidungen wie dem Essen, wofür wir einkaufen waren, zurück, da ich nicht das geringste beisteuern konnte – es ist ohnehin schon ein blödes Gefühl, jemandem auf der Tasche zu liegen.”
“Das kenne ich leider nur zu gut”, bemerkte Colin.
Seine Mutter war alleinerziehend und Aufstockerin. Colin hatte noch zwei Geschwister: Eine ein Jahr jüngere Schwester, mit der er ein Zimmer teilte und einen kleinen Bruder. Seitdem Colin vierzehn war, trug er Zeitung aus, um Taschengeld zu haben. Manchmal half ihm seine Schwester dabei.
“Die andere Sache”, nahm ich das Gespräch wieder auf, "schwirrt mir aber viel mehr im Kopf herum: Es gab da so eine Situation als Leander und ich bei ihm an der Küchenarbeitsplatte lehnten und Mark zuschauten, wie dieser Leanders Geburtstagstorte kreierte. Das war eine dieser Situationen, in denen es wirkte, als sei Mark ein Kind, das wir gemeinsam betreuten und wir beide das Kind und seine Marotten und Gewieftheiten kannten. Mark ist nicht wirklich kindisch, aber seine Aufgedrehtheit und sein Humor lassen ihn manchmal so wirken.

Während Mark mit der Torte beschäftigt war, unterhielt sich Leander ganz entspannt mit mir. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll: Es wirkte wie eine Männerfreundschaft mit Leander – also männlich, aber weder machomäßig noch irgendwie sexistisch, einfach nur passend. Dann schaute mich Leander auf einmal durchdringend an. Lange. Ich konnte seinem Blick nicht standhalten.
“Ja, so lange Blickkontakt halten, ist tatsächlich schwierig”, pflichtete mir Colin bei.
“Ich hab mich die ganze Zeit gefragt”, fuhr ich fort, da es mir im Moment zu sehr im Kopf herumschwirrte, als dass ich Colin groß zu Wort kommen ließ, “worüber denkt er gerade nach? Was sieht er? Was denkt er darüber?”
Diesmal kommentierte Colin nicht und ließ mich weitersprechen.
“Ich hab Mark schon davon erzählt und das ist auch der Grund, wie du vielleicht verstehst, warum ich das nicht in der Gruppe mit Leander ansprechen konnte, sondern dir lieber privat geschrieben habe. Denn ich hatte mich zuvor gefragt, ob ich vielleicht in Leander verliebt sei. Allerdings kam ich zu dem Schluss, dass ich ihn als Kumpel einfach nur sehr gern hatte.
In dem Moment hab ich aber gedacht, er könne das in mir lesen oder an meinem Verhalten oder meiner Mimik sehen.”

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