Ehemann

Inhalt

1. Hochzeit
2. Coming-out
3. Friendcrush
4. Gemeinsamkeiten
5. Das erste Mal
6. Sonnenuntergang
7. Die Frage
8. Der Kuss
9. Landungsbrücken
10. Nur eine Sommerromanze?
11. Der letzte Tag
12.Irgendwas dazwischen
13. Silvester

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Hochzeit

Es gibt zwei Arten von Hochzeiten. Meine war keine davon.
Kennt ihr das, wenn Kinder im Kindergarten heiraten? Danach ändert sich nichts. Man mag sich schon irgendwie, aber eben auch nur irgendwie. Man macht nur die Erwachsenen nach – aus Spaß halt.
Wenn Erwachsene heiraten, dann will man meistens wirklich zusammen bleiben. Es gibt Steuererleichterungen und man wird als eine Einheit wahrgenommen.
Meine Hochzeit war keine von diesen. Sie war eine Mischung aus beiden.
Hierzu muss ich euch Mark vorstellen. Wenn man Mark in einem Wort beschreiben will, dann ist es ‘verrückt’ – denn so wollte er auf andere wirken. Vielleicht trennte er so die Spreu vom Weizen. Wahrscheinlich war das eine Art Selbstschutz bei ihm. Wenn man ihn besser kennt, kann man hinter diese Fassade blicken und sieht dort einen tollen Menschen, mit dem ich gemeinsam durch Höhen und Tiefen gegangen und bis heute befreundet bin. Mark hatte die Angewohnheit, Leute aus der Instant-Messenger-Gruppe, in der wir uns beide befanden, zu ‘heiraten’ und mit einem ebenso fiktiven Ehevertrag alle Rechte abzusprechen, sodass sie sein Eigentum wurden – das war sein Humor. Auch ich war mit ihm verheiratet. Geschieden sind wir bis heute nicht, da es dazu bisher keinen Anlass gab. Wir alle nahmen das nicht wirklich ernst.
Eines Tages stelle mir Mark Colin vor. Colin ging in Marks Klasse und war laut Mark wie ich aromantisch. Später sollte sich herausstellen, dass er nur schlechte Erfahrungen gemacht hatte und ich einfach generell keine.
Wir kamen also ins Gespräch und wir ließen Colin meinen Benutzernamen aus dem Forum, aus dem ich Mark kannte, raten. Er riet falsch und anstatt ihm das mitzuteilen, frage ich ihn: “Wollen Sie die Antwort einloggen? Sie haben noch drei Ihrer vier Joker.”
Woraufhin er antwortete: “Ja, ich will!”
Ohne das vorher geplant zu haben, sehr wohl jedoch um ihn zu necken, fragte ich ihn: “Willst du mich etwa heiraten? Du antwortest ja, ohne gefragt worden zu sein.”
Darauf entgegnete er nur: “Gleich biste in einer glücklichen Ehe.”
Er kannte mich gerade mal einen Tag lang und schwul schien er auch nicht zu sein, auch wenn Mark ihm das immer wieder unterstellte – das war sein Humor. Aber Colin versicherte mir, er sei sich bei mir sicher.
Von da an nannten wir uns gegenseitig ‘Ehemann’.
Meine Hochzeit war keine von diesen beiden Arten. Sie war eine Mischung aus beiden.

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Hey Zuri,

tolles erstes Kapitel. Es fängt gut an und der Humor ist zwar etwas speziell, aber gut.

Ach ja, wer kennt es nicht, dass Heiraten im Kindergarten.

Ich bin gespannt wie es weiter geht und freue mich auf weitere Kapitel.

LG Knutschkugel

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Hey Knutschkugel,

freut mich, dass es dir gefällt und gleich zu Anfang einen Leser gefunden zu haben :slight_smile:

Ja, der Humor ist auch nicht meins, aber man nimmt, was man kriegen kann :joy:
Ich hab das Heiraten im Kindergarten nicht gemacht, aber ja, sowas kann man ja, wie man sieht, nachholen ^^

LG Zuri

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Hey Zuri,

mir gefällt dein Schreibstil sehr gut! :slight_smile:
Man könnte meinen, du hast schon mehr als eine Geschichte geschrieben. :smiley:

Ich hab im Kindergarten früher auch ständig Mädels geheiratet, sogar in der Grundschule noch. Nur leider erinnert sich heute niemand mehr daran. :smiley:

Mark erinnert mich an jemanden. ^^

Ich schließe mich Knutschkugel an und freue mich ebenfalls auf die Fortsetzung!

LG
Iroc

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Hey Iroc,

danke, das freut mich :slight_smile: Ich deinen auch ^^

Ja, in der Tat hab ich ein paar geschrieben. Aber allerdings hab ich davon nicht mehr alle :grimacing::sweat_smile:

Du bedauerst, nicht polygam leben zu können? :smiley:

Ach was, könnte sein, dass du ihm schon mal begegnet bist :wink:

LG Zuri

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Coming-out

Wenn ich an mein Coming-out zurückdenke, fallen mir da ein paar Eckdaten ein:
Ich outete mich an meinem 18. Geburtstag bei meinen Eltern. In den Wochen zuvor hatte ich mich bereits bei meinen Brüdern, meiner Tante und meiner Oma geoutet. Aber bei meinen Eltern war das anders: Auch wenn sie generell tolerant waren, fiel es mir unglaublich schwer, es ihnen zu sagen. Dass ich schwul bin, weiß ich seitdem ich zwölf oder dreizehn bin, aber bis dahin hatte ich nie ernsthaft darüber nachgedacht, mich zu outen. Also hatte ich zu dieser Entscheidung fünf Jahre gebraucht. Man kann natürlich argumentieren, dass gar keine Notwendigkeit zu einem Coming-out besteht, weil auch Heteros sich nicht outen. Aber das kann man auch nicht wirklich vergleichen. Es gibt in Amerika eine Organisation namens ‘SpeakOUT’, die freiwillige Redner zu LGBT*Themen an Schulen und sonst wo, wo man ihnen zuhört, schickt. Eine Übung, die man dort mit Schülergruppen durchführt, geht folgendermaßen: Jeder Schüler überlegt sich drei wichtige Eigenschaften von sich selbst und begibt sich dann in eine Gruppe, in welcher er sich mit den anderen unterhält, ohne jedoch diese drei Eigenschaften zu erwähnen. Ziel der Übung ist es, zu zeigen, wie schwierig es ist, einen Teil seiner selbst zu verbergen. Und das war auch für mich ein Grund für mein Coming-out: Ich hatte meine sexuelle Orientierung von Anfang an akzeptiert und mit Homophobie selbst bisher keine Berührung gehabt. Dennoch war die Heteronormativität in so vielen kleinen alltäglichen Aussagen so himmelschreiend inkorrekt in meinem Fall. Frage wie “Hast du eine Freundin?” stellten einen automatisch vor die Wahl, entweder pauschal zu verneinen, da es aller Voraussicht nach nie einen weiblichen Partner geben würde, zu verneinen, aber den Anschein zu erwecken, dass sich das jederzeit ändern könne oder aber sich spontan zu outen. Mittlerweile ist es kein Problem für mich “Nein, und wenn dann wäre es ein Freund” zu antworten, aber damals hieß das, dass jemand anderes den Zeitpunkt meines Coming-outs festlegte und so entschied ich mich für die Flucht nach vorn: Ich outete mich. Ich outete mich an meinem achtzehnten Geburtstag.

Mark und ich mussten uns nicht beim jeweils anderen outen, da wir uns in einem Schwulenforum kennengelernt hatten und so stand diese Eigenschaft schon von Anfang an fest.
Am Tag nach meiner überraschenden Hochzeit schrieb Colin weiter in der Gruppe. Diesmal druckste er herum und eröffnete uns, dass er uns etwas Wichtiges mitteilen wolle. Er war auf einmal nicht mehr so sicher, wie er anfangen sollte. All die gestrige Sicherheit, die er bei der Partnerwahl gezeigt hatte, schien ihm hier gänzlich zu fehlen. In einer Sache war er allerdings offensichtlich sicher: Er wollte es uns mitteilen. Er wollte uns etwas mitteilen, was er anscheinend noch keinem anderen Menschen oder zumindest nur einem sehr nur sehr kleinen Kreis, dem er vertraute, erzählt hatte. Also vertraute er nicht nur mir, dass ich ein guter Ehemann sein würde, sondern er vertraute uns auch generell. So stark, dass er uns etwas mitteilen wollte, was ihm augenscheinlich starke Probleme bereitete zu benennen.
Die sichere Umgebung schien ihm schließlich die Selbstsicherheit zu geben, die er brauchte. “Ich bin schwul”, platzte es aus ihm heraus.

Schließlich erklärte er, wie dieser Stein überhaupt ins Rollen gekommen war:
In der Schule hatte Mark ihn immer wieder damit aufgezogen, dass Colin ja schwul sein müsse. Genau gewusst, dass er damit ins Schwarze traf, hatte Mark nicht – es war zum Teil Spaß und zum anderen Teil eine bloße Vermutung gewesen, die genauso gut Wunschdenken hätte sein können. Irgendwann war es Colin so unangenehm gewesen, dass er Mark darauf ansprach und ihn bat, diese Scherze zu lassen, da er damit recht habe. Überrascht und erfreut, richtig gelegen zu haben– denn einen Schwulen bloßzustellen war definitiv nicht seine Intention gewesen –, reduzierte Mark nun die Anspielungen, da eine völlige Einstellung der Neckereien für ihn zu auffällig hätte sein können.

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Mir gefällt dein bewusster Einsatz von Stilelementen wirklich sehr gut! :slight_smile:

Sieht so aus, als ob der Erzähler jetzt auch einen Ehemann von seinem Ufer hätte. :wink:

LG Iroc

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Und Mark freut sich diebisch darüber, recht gehabt zu haben :joy:

LG Zuri

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Hey Zuri,

ich kann mich Iroc nur anschließen. Der Einbau bewusster Stilelemente gefällt mir auch sehr gut.

Mir gefällt das zweite Kapitel sehr gut und die Gedankengänge finde ich gut umschrieben :slight_smile:

Ich freue mich auf Kapitel drei.

LG Knutschkugel

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Friendcrush

Dennoch war Sympathie eigentlich nicht der Grund, überstürzt eine Ehe einzugehen. Nichtsdestotrotz hatte das Wort ‘Ehemann’ eine Bedeutung für mich: Freundschaft und eine Art Verbundenheit. Wir gingen schließlich dazu über, auch privat zu schreiben und zu skypen. Einmal – es war noch sehr am Anfang unserer Bekanntschaft und damit unserer Ehe – erzählte ich ihm von einem Treffen am vergangenen Wochenende mit zwei Freunden aus einer anderen Gruppe: Mark und Leander. Ich hatte ursprünglich gar nicht zusagen wollen, da ich zu dem Zeitpunkt ehrlich gesagt komplett pleite war, doch schließlich überredeten mich beide, dennoch zu kommen. Über die Finanzierung solle ich mir keine Gedanken machen – das bekämen wir schon hin.

“Dass Mark nachher sagt, dass ihm das Wochenende gefallen hat, so hab ihn eingeschätzt”, teilte ich Colin meine Gedanken mit, “aber bei Leander war ich überrascht. Er ist eher ruhiger und beherrschter als Mark und ich hätte gedacht, dass das für ihn nichts Besonderes sei.”
“Hat es dir denn gefallen?”
“Ja.”
“Das ist doch alles, was zählt. Dann freu dich doch darüber”, gab er mir den Rat.
“Es gab da noch zwei Sachen, die komisch waren”, fuhr ich fort. “Zum einen hielt ich mich bei Entscheidungen wie dem Essen, wofür wir einkaufen waren, zurück, da ich nicht das geringste beisteuern konnte – es ist ohnehin schon ein blödes Gefühl, jemandem auf der Tasche zu liegen.”
“Das kenne ich leider nur zu gut”, bemerkte Colin.
Seine Mutter war alleinerziehend und Aufstockerin. Colin hatte noch zwei Geschwister: Eine ein Jahr jüngere Schwester, mit der er ein Zimmer teilte und einen kleinen Bruder. Seitdem Colin vierzehn war, trug er Zeitung aus, um Taschengeld zu haben. Manchmal half ihm seine Schwester dabei.
“Die andere Sache”, nahm ich das Gespräch wieder auf, "schwirrt mir aber viel mehr im Kopf herum: Es gab da so eine Situation als Leander und ich bei ihm an der Küchenarbeitsplatte lehnten und Mark zuschauten, wie dieser Leanders Geburtstagstorte kreierte. Das war eine dieser Situationen, in denen es wirkte, als sei Mark ein Kind, das wir gemeinsam betreuten und wir beide das Kind und seine Marotten und Gewieftheiten kannten. Mark ist nicht wirklich kindisch, aber seine Aufgedrehtheit und sein Humor lassen ihn manchmal so wirken.

Während Mark mit der Torte beschäftigt war, unterhielt sich Leander ganz entspannt mit mir. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll: Es wirkte wie eine Männerfreundschaft mit Leander – also männlich, aber weder machomäßig noch irgendwie sexistisch, einfach nur passend. Dann schaute mich Leander auf einmal durchdringend an. Lange. Ich konnte seinem Blick nicht standhalten.
“Ja, so lange Blickkontakt halten, ist tatsächlich schwierig”, pflichtete mir Colin bei.
“Ich hab mich die ganze Zeit gefragt”, fuhr ich fort, da es mir im Moment zu sehr im Kopf herumschwirrte, als dass ich Colin groß zu Wort kommen ließ, “worüber denkt er gerade nach? Was sieht er? Was denkt er darüber?”
Diesmal kommentierte Colin nicht und ließ mich weitersprechen.
“Ich hab Mark schon davon erzählt und das ist auch der Grund, wie du vielleicht verstehst, warum ich das nicht in der Gruppe mit Leander ansprechen konnte, sondern dir lieber privat geschrieben habe. Denn ich hatte mich zuvor gefragt, ob ich vielleicht in Leander verliebt sei. Allerdings kam ich zu dem Schluss, dass ich ihn als Kumpel einfach nur sehr gern hatte.
In dem Moment hab ich aber gedacht, er könne das in mir lesen oder an meinem Verhalten oder meiner Mimik sehen.”

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Hihi, manche Menschen können Andere mit ihren Blicken schon verunsichern, auch wenn es ihnen oft glaube ich gar nicht mal bewusst ist.

Ich für meinen Teil glaube, dass ich oft einen recht eindringlichen Blick habe, wenn ich viele Informationen aufnehmen und schöne Momente speichern möchte. In dem Moment denke ich nicht viel, ich lebe einfach den Moment. :slight_smile:

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Solange Leander die Informationen bekommen hat, die er wollte und den Moment entsprechend speichern konnte, dann hat es sich ja gelohnt :slight_smile:

Man kann ja auch zu viel nachdenken. Du wirst im Verlauf der Geschichte noch merken, dass der Protagonist manche Sachen auch einfach zu viel zerdenkt :wink:

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Hi Zuri,

ich muss ja zugeben, dass ich die Geschichte aus meiner Zeit als stiller Mitleser kenne, aber ich versuche mal, mich davon nicht zu sehr beeinflussen zu lassen. :face_with_hand_over_mouth:

Ehen sind ein spannendes Thema… Ich habe mich einmal mit fünf oder sechs Jahren verlobt; die Verlobung besteht, soweit ich weiß, heute noch, aber meine Verlobte und ich haben uns seit damals nicht mehr gesehen. Dann habe ich 2020 ungeplant eine andere Frau geheiratet (genau genommen hat sie eher mich geheiratet) und wir sind seitdem ein harmonisches Ehepaar.^^ Es ist auch deswegen sehr angenehm, weil wir wissen, dass wir beide kein Interesse daran haben, dass diese Ehe sich in eine romantische Richtung entwickelt. Trotzdem würde ich sagen, dass es mehr als eine Kindergartenehe ist.

Könnte es sein, dass es einfach mehr als zwei Arten von Ehen gibt?

Ich vermisse Menschen wie Mark. Aber vielleicht sollte er wirklich mal seinen Vertragsentwurf überarbeiten.

Dass Colin den falschen Benutzernamen geraten hat, könnte natürlich ein schlechtes Omen sein. Ich weiß ja nicht, ob er Auswahlmöglichkeiten hatte (dass er vier Joker hatte, spricht dafür, dass es ein WWM-ähnliches Format war), aber vielleicht trügt ihn seine Intuition in Bezug auf den Erzähler. (Wenn die Intuition dabei überhaupt eine Rolle spielt.)

Ich würde sagen, Sympathie ist nicht der schlechteste Grund, überstürzt eine Ehe einzugehen. Zum Beispiel besser als betrügerische Absichten. :sweat_smile: Ich finde es jedenfalls sympathisch, wie der Erzähler mit seinem Ehemann diese relativ unspektakulären Vorkommnisse so detailliert bespricht, und irgendwie kann ich mich auch in Colin wiederfinden, der immer wieder einzelne Aussagen bestätigt, ohne dass er gefragt worden wäre oder dass es irgendwie hilfreich wäre.^^ Bisher gefällt mir diese Ehe.

LG agripost

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Wow, vielen lieben Dank für den ausführlichen Kommentar, agri :blush: :heart_eyes:

Freut mich, dass du beim zweiten Durchgang nun auch kommentierst :slight_smile:

Dein Konzept von Verlobung und Ehe ist sehr interessant – ich finde es immer gut, wenn man Konzepte jenseits der Normativität sieht :+1:

Durchaus – das war damals wohl etwas unglücklich ausgedrückt. Aber an der Zwei hing ich glaube ich damals schon nicht so, hatte aber für das Kapitel auch keine weiteren Arten vorzustellen geplant :sweat_smile:

Oh, warum das?

Wie meinst du das? Also er schwankte zwischen @SammyBlue und mir – was ein ziemliches Kompliment an mich gewesen wäre :sweat_smile:

Ja, es hat mir damals einfach schon sehr gefallen, einfach nur lange Gespräche mit Colin zu führen :blush:

LG Zuri

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Gemeinsamkeiten

Es war Freitagabend. Colin und ich hatten in den letzten Tagen jeden Abend miteinander geschrieben. Er hatte sich gerade für einen Moment entschuldigt und kam kurz darauf mit einer Schale Haferflocken zurück.
“Du isst auch Haferflocken?”, fragte ich. “Also kein gekauftes Müsli, sondern frisch und selbst gemacht. Darum nenne ich es Haferflocken und nicht Müsli. Um das zu unterscheiden.”
“Klar, ist doch voll lecker. Ja, viele nennen das Müsli. Mach ich aber auch nicht.”

Im weiteren Verlauf des Gesprächs erkundigte er sich auf einmal etwas besorgt: “Ich hoffe, ich halte dich nicht von irgendwas ab.”
Ich verneinte und fragte, wie er darauf komme.
“Es ist Freitagabend”, entgegnete er.
“Ja, und?”, erwiderte ich. Was soll da schon sein?"
“Okay, hab nur immer das Gefühl, dass ich bei irgendwas störe oder jemanden aufhalte”, erklärte er.
“Bei mir?”
“Nein, generell. Ist auch mehr eine Macke von mir. Du hast mir also nicht das Gefühl oder so gegeben.”
“Das kenne ich”, eröffnete ich ihm. “Ich hab auch das auch ständig. Na ja, ich muss jetzt aber nicht bei jeder Eigenschaft ‘Ich auch!’ schreien.”
“Ich denke halt manchmal, ich bin nervig”
“Da musst du dir bei mir keine Sorgen machen”, beruhigte ich ihn.
“Ich kann manchmal schon nervig sein”, erzählte er. “Einige Eigenschaften von mir wirken auf andere schon seltsam.”

Das typische Geräusch einer neuen Nachricht ertönte und mir fiel auf, dass wir uns ein paar Minuten lang angeschwiegen hatten. Es war ein YouTube-Link zu einem Musikvideo von ‘Wincent Weiss – Musik sein’. Ihn kannte ich zu dem Zeitpunkt nicht und auch seine Musik gefiel mir nach dem ersten Hören nicht besonders.

Mark hatte noch eine besondere Eigenschaft. Er weigerte sich, meinen Spitznamen so auszusprechen, wie alle anderen das taten. Anstatt mich Sammi zu nennen, nannte er mich Sami. Er meinte, dass ja auch in Samuel nur ein M vorkäme und dass die Kurzform dann auch nur aus einem bestehen dürfe. Ich führte daraufhin an, dass der Spitzname so an Sami Slimani erinnere und mir das nicht so lieb sei. Außerdem hatte mein Bruder angefangen mich so zu nennen und war demnach der Erfinder des Spitznamens, der diese Schreibweise und Aussprache bestimmt hatte. Aber Mark ignorierte mich geflissentlich und ich gab es irgendwann auf. Es gab ja auch noch einen Sami, der mit seiner Halbschwester Samira zusammen Musik machte und bei einer Castingshow im Fernsehen aufgetreten war. Das passte schon eher. Nicht im Musikalischen – da war ich eine Niete – aber die Sympathie war da schon etwas größer.

“Hey, Sami”
Wir skypten gerade. Aber anstatt wie sonst über Alltäglichkeiten oder das Forum wie sonst zu sprechen, kam Mark nach einem kurzen Wortwechsel auf das Thema zu sprechen, welches ihm offenbar eigentlich auf der Seele brannte.
“Und?”, fragte er.
“Was und?” Ich hatte keinen blassen Schimmer, worauf Mark überhaupt hinaus wollte – geschweige denn, was ihn daran so brennend interessierte. Zumal es in meinem Leben gerade wirklich nichts Spannendes zu berichten gab.
“Du und Colin?”
Ich wusste zwar immer noch nicht wirklich, was er meinte, also riet ich ins Blaue, einer vagen Vermutung folgend: “Ob wir zusammen sind? Nein, warum?”
“Wir arbeiten daran”, war die Antwort, die ich nun häufiger hören würde und was eine von Marks Catchphrases war.

Ich zog eine Augenbraue hoch, was Mark wahrscheinlich nicht sah, da wir zwar die Videoübertragung aktiviert hatten, aber nur gelegentlich das entsprechende Fenster öffneten und den Rest der Zeit etwas nebenbei machten.

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Selbst wenn man oberflächlich nichts gemeinsam hat, so sind es doch die Feinheiten, die manche Menschen verbinden. Und sei es nur „Breakfast at Tiffany’s“.

Ich bin gespannt, wie es weiter geht. :3

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Ja, vielleicht hatte Colin von Anfang an den richtigen Riecher mit der „glücklichen Ehe“ :wink:

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Lieber Zuri,

lange ist es her, dass ich deine Geschichte laß. Damals noch auf Boypoint, doch dies ist nun Historie und gleichermaßen meine Erinnerungen, die sich im Sieb verfangen konnten. Mit einzelnen Geistesblitzen zwischendurch wird meine Erfahrung beim Lesen von jungfräulicher Neugierde und Unschuld geprägt werden. Bevor ich jedoch weiter über meine Person ausschweife, beginne ich nun besser mit meiner Analyse:

Der Anfang ist eklatant und gleichzeitig eine schöne Kontextkonjunktion zum ersten Charakter der Geschichte, ausgenommen des Erzählers selbstverständlich: Mark.

Marks Charakter zeugt bereits in den ersten Sätzen von einem hohen Faktor an Extravaganz und Narzissmus. Eine eher ungewöhnliche Art der Defensive, um den Gegenüber zu entrüsten. Womöglich eine Strategie, um fehlende Selbstsicherheit vorzutäuschen, und gleichermaßen eine Distanz auf emotionaler Ebene zu vollziehen.

Die Methodik, alle Mitglieder aus der Gruppe zu “heiraten” klingt definitiv nach einer Form von Selbstschutz, um wie zuvor bereits vermutet, eine emotionale Distanz zu schaffen und somit undurchsichtig für die jeweiligen Individuen zu sein. Somit ist es schließlich für niemanden ersichtlich, ob sich Mark zu jemanden aus der Gruppe möglicherweise mehr hingezogen fühlt. Gleichzeitig fordert diese einnehmende Art von Mark auch einen Rückzug des Gegenübers, um nicht vollständig eingenommen zu werden und die scheinbar scherzhaften Ehebedingungen Realität werden zu lassen. An dieser Stelle ist es noch fraglich, ob Mark sich bewusst ist, in welch einem Maß er somit die gesamte Gruppe manipulieren kann und letztendlich sich als Alphatier der Gruppe prädestiniert.

Lustig wirkt ebenfalls die Stelle mit dem Ratespiel des Benutzernamens im Forum. Gewöhnlich wäre ein überproportionaler Teil von dem Joker eher irritiert, jedoch sollte Colin durch die Freundschaft zu Mark bereits eine Tendenz spüren, nicht alles zu ernst zu nehmen und es als fragwürdigen Humor bei der ersten Bekanntschaft zu notieren.

Ebenfalls frage ich mich an dieser Stelle, ob der Protagonist einen ähnlichen Humor wie Mark sein eigen nennt, oder die Freundschaft ihn lediglich inspirierte.

Nachdem Mark bereits als eher dominierender und aktiver Charakter der Geschichte dargestellt wird und Colin scheinbar ebenfalls einen Drang zum Theatralischen zeigt, frage ich mich bereits an dieser Stelle wie die Konnexion zwischen den Charakteren voranschreitet. Im schlimmsten Fall führt dies zu einem Perspektivenwechsel, dass Mark oder Colin die Show stehlen und somit der Protagonist trotz Ich-Erzählung unwichtig wird.

An dieser Stelle bin ich mir unsicher, wie ich die Aussage bezüglich Colin verstehen soll.

  1. Mark ist sich sicher, dass Colins Sexualität “homosexuell” sei
  2. Colin fühlt sich beim Protagonisten sicher

Die letzten Zeilen des Kapitels verbinden den Anfang in einer stilvollen Methode, geben dem Ganzen ein rundes Gesamtpaket beim Lesen und lassen bisher wenig Fragen offen. Unklar ist bisher jedoch der Name des Protagonisten; War dies eine bewusste Inszenierung, um zunächst die Nebencharaktere mehr in den Fokus zu setzen oder bewirkt Mark bereits, dass der Erzähler in den Hintergrund rückt?

Alles in allem ein toller Start und ich verspüre einen Wunsch, weitere Kapitel deiner Geschichte zu lesen. In gewisser Weise kommt mir alles so persönlich und gleichzeitig so fremd vor – mein Gedächtnis scheint mir nur noch im Unterbewusstsein Impulse zu geben und ich bin mir noch nicht sicher, wie ich diese deuten soll.

Zeit für die Kommentare

Herzlichen Glückwunsch zur Eheschließung! :slight_smile:
Ich sehe schon, hier wird Vielfältigkeit gelebt und freue mich darüber sehr.

Mich erinnert er ebenfalls an jemanden aus der Vergangenheit :smiley:

Kisses

Rhine Stone

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Liebe*r Rhinestone,

Freut mich, dass ich dich schon damals und vielleicht jetzt noch einmal für meine Geschichte begeistern kann :blush:

Was das Sieb angeht, bist du, denke ich, hier in bester Gesellschaft :wink:

Wenn du magst, kannst du zu gegebener Zeit gerne unter https://forum.queerpoint.net/c/queerpoint-treff/wer-bin-ich?u=zuri ein bisschen mehr zu deiner Person preisgeben :slight_smile:

Gut erkannt – das ist eindeutig nicht von der Hand zu weisen :+1:

Auch wenn der Satz interessant klingt, musst du mir den glaube ich etwas mehr im Detail erklären :sweat_smile:

Ein Schutzmechanismus ist es, denke ich, allemal.

Schon interessant, dass man diese Textstelle doch sehr ambivalent interpretieren kann … :thinking:

Auf diese Weise hab ich das noch gar nicht betrachtet, aber natürlich, das ergibt schon Sinn :thinking:

Ich weiß ja nicht, was deine Interpretation eines Alphatiers ist, aber der Mark, den ich kenne, passt mit seiner Paradiesvogelart nicht wirklich in das Bild :joy:

Nur weil beide Humor besitzen, heißt es nicht, dass es auch derselbe ist. Ich kann dir versichern, die beiden sind Individuen genug, um sich durch ihren jeweiligen Humor doch stark voneinander abzugrenzen :wink:

Im Fall von Mark muss ich dich leider etwas enttäuschen: Er wird sehr unterhaltsame, jedoch dafür seltene Auftritte in der Geschichte haben – aber weniger ist ja bekanntlich mehr :wink:

Definitiv letzteres. Ich denke nicht, dass Mark irgendeine Sicherheit hatte. Vielleicht war er davon überzeugt – aber das ist sicherlich das höchste der Gefühle. Zu allem anderen hätte er hellsehen können müssen :wink:

Ja, ich hab manchmal einen Hang dazu, aber das lässt meistens nach den ersten Kapiteln stark nach.

Nee, der Erzähler ist schon nicht ohne Grund Protagonist. Der Name war aktuell nicht so wichtig – das haben halt Geschichten in der Ich-Perspektive so an sich. Es gibt Schreibanfänger, die ihre Geschichten mit „Hallo, ich bin xy, 15,7 Jahre alt, 186,395 m groß und gehe zur Gesamtschule Musterstadt“ an, aber das mag ich ehrlich gesagt nicht so. Aber ich kann dir versichern, dass der Name des Protagonisten noch Gegenstand von Diskussionen sein wird :wink:

Erfolgreich angefixt! :tada:
grafik

mich auch

Wer nicht so jemanden wie Mark in seinem Leben hat, ist … eine Erfahrung ärmer – Mark ist, wie ihr sicher alle schon mitbekommen habt, schon echt eine Marke ^^

LG Zuri

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Soso, die Ehe nimmt also Fahrt auf. Jetzt wird sie schon einmal von der gemeinsamen Liebe zu Haferflocken zusammengehalten. :slightly_smiling_face:

Diese Begeisterung und diesen Stolz auf die eigenen Kochkünste hätte ich eher bei aufwändigeren Gerichten erwartet. :sweat_smile: Aber es sind ja oft die kleinen Dinge…
Sammi und Colin befürchten beide, den jeweils anderen zu langweilen, nerven oder von etwas abzuhalten. Das könnte daran liegen, dass die Vertrautheit nach der kurzen Zeit noch nicht stark genug ist, aber ich vermute eher, dass es ein dauerhafter Zustand bleiben wird. Wenn man grundsätzlich so eingestellt ist, hilft es meiner Erfahrung nach auch nicht, die andere Person gut zu kennen oder zu wissen, dass man ihr wichtig ist.

Und nach dem hundertsten Hören ist es noch kein bisschen anders. Will Colin hier beweisen, dass er nervig sein kann? :face_with_open_eyes_and_hand_over_mouth:

Dass Mark daran arbeitet, dass Sammi und Colin zusammenkommen, ist zumindest beim Lesen der Geschichte ja nicht wirklich überraschend. Aber da kommt wohl noch einiges an Arbeit auf ihn zu…

Du hast doch hoffentlich nichts dagegen, dass ich in diesem Kommentar (abgesehen von den Haferflocken) genau das tue? :sweat_smile:

Und noch ein paar Kommentarkommentarkommentare:

Konzept ist da, glaube ich, zu viel gesagt. So ischs halt gworda. :joy:

Ich habe den Eindruck, sie sind erwachsen geworden. Die Beschreibung von Mark erinnert mich an meine Oberstufenzeit (und da an eine Person im Speziellen), aber später neigen Menschen wohl dazu, so selbstsicher/gefestigt/faul zu werden, dass sie solche Rollen nicht mehr spielen.

Ach so. Ich wusste nicht, ob er tatsächlich Benutzernamen aus dem Forum gesehen hatte oder ob er blind raten musste und dann „Affengesicht123“ oder so etwas gesagt hat. (Was auch immer ein generischer Benutzername für ein Forum ist :face_with_monocle:) In diesem Fall wäre es vermutlich zu weit hergeholt, über falsche Intuition aufseiten von Colin zu spekulieren.

Und eines noch:

Es ist bestimmt gar nicht so leicht, eine passende Schule für jemanden zu finden, der 186 m groß ist.^^

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